In München direkt vom Bauern kaufen – Eine Reportage von Ruth Görgen

Vom Bauernhof in die Großstadtküche

Auf dem Bauernmarkt einkaufen heißt so viel wie direkt auf dem Hof einkaufen.	Foto: Christiane Strobel

Auf dem Bauernmarkt einkaufen heißt so viel wie direkt auf dem Hof einkaufen. Foto: Christiane Strobel

Theresienhöhe · »Modern und sinnlich«, so beschreibt der Bauherr die »Theresie«. Mit einer ästhetischen Erlebnisdimension, der einzigartigen anspruchsvollen Architektur spreche sie zu allen Sinnen, heißt es auf der firmeneigenen Webseite.

Im Herzen von München mit Blick auf die Silhouette der Innenstadt wächst ein neuer Stadtteil: die Theresienhöhe. Genau hier, oberhalb der Theresienwiese, ist seit dem 16. September jeden Donnerstag von 11 bis 18 Uhr Markttag. Im Franziska-Bilek-Weg haben die Landwirte zwischen den hypermodernen Gebäudekonstruktionen ihre Marktstände aufgebaut. Sie präsentieren ein vielfältiges, saisonales Angebot aus konventionellem wie aus biologisch-ökologischem Anbau.

Es ist Dezember und klirrendkalt. Noch ist Kürbiszeit. Ich liebe Kürbissuppe, habe sie aber noch nie selbst gekocht. Heute werde ich es versuchen, bloß welchen soll ich nehmen? Ich bin fasziniert von so vielen verschiedenen Kürbisarten aus Eigenanbau.

Ein Kürbis für einen Euro »Nehmen Sie doch einen Hokaido, der lässt sich ganz einfach zubereiten, für eine Suppe kann man alles verwerten, auch die Schale«, empfiehlt mir die freundliche Standfrau und gibt mir ihr hausgemachtes Rezept.

»Einen Euro, bitte.« – »Für den Ganzen nur einen Euro?« – »Diese Woche sind die Kürbisse im Angebot, wir haben jede Woche eine andere Aktion, letzte Woche waren es die Karotten.«

Am Stand nebenan stehen Kunden an. Hier gibt’s Äpfel, Birnen, frisch gepressten Apfelsaft, Cidre, Wein und Obstbrände in dekorativen Flaschen vom Biolandbetrieb Lanz am Bodensee.

»Alles Eigenanbau, biologisch-ökologisch. Wir sind ein Familienbetrieb. Für den Schnaps aus unserer eigenen Brennerei ist die Oma zuständig, die macht das prima«, erklärt die Standfrau, während sie aus einem großen Bottich den frisch gepressten Apfelsaft für eine Mutter mit Kind in Flaschen abfüllt. Ein Mann im schicken Anzug huscht vorbei und ruft der »Apfelfrau« zu: »Die vom letzten Mal haben meiner Frau gut geschmeckt, ich komme gleich wieder, muss nur noch zum Käsestand.«

Wer in München lebt und auf eine gesunde Ernährung mit herkunftsgesicherten umweltbewusst erzeugten Produkten Wert legt, kennt die Bauernmärkte und schätzt sie. Zum Beispiel die herzliche, familiäre Einkaufsatmosphäre. Die fachkundige Beratung aus erster Hand. Überhaupt die Möglichkeit, in der Großstadt direkt vom Bauern kaufen zu können.

Die Gewissheit der Frische. Denn die lebensnotwendigen Nährstoffe und Vitamine gehen nun mal durch lange Lager- und Transportzeiten verloren.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Hunderte von Lichtern leuchten an einem riesigen Weihnachtsbaum. Ich schlendere durch die Marktstraße aus mobilen Verkaufsständen. An der Fischtheke vorbei, in der fangfrische Saiblinge, Störe und Karpfen aus dem Kochelsee im Eis liegen. Wow; ein Wallerkopf mit langen Barthaaren. Nebenan beim Metzger Maier aus Puchheim nutze ich die kundenfreie Zeit für einen Ratsch mit dem jungen Metzgermeister. »Wir schlachten selber auf dem Hof und füttern nur, was wir selbst anbauen.

Eine wichtige Nische Für einen gemütlichen Einkaufsbummel ist es den meisten Leuten viel zu kalt. Fast menschenleer ist die Marktstraße jetzt am späten Nachmittag. Ich zähle vier Personen, zwei Kinderwagen, zwei Hunde.

Durchhaltevermögen brauchen die Bäuerinnen und Bauern hier auf der Theresienhöhe. Für sie alle ist der Direktverkauf auf dem Markt eine Nische um ihre Landwirtschaft auch in Zukunft weiter zu betreiben.

Wenn das Neubauviertel ganz fertig und vollständig bezogen ist, soll es hier sehr lebendig aussehen. So, wie auf den bunten Bautafeln und den viel versprechenden Beschreibungen im Internet.

Dann werden auch hier die Menschen anstehen an den Marktständen und ihre Einkäufe machen. Genau wie auf allen anderen Münchner Bauernmärkten.

Artikel vom 12.01.2005
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