Professor warf ernüchternden Blick ins Jahr 2100

Demographische Zeitenwende

Bogenhausen · Vor kurzem hat Prof. Dr. Christoph Schneeweiß von der Universität Mannheim vor einem interessierten Publikum im Saal des Katholisch-Ungarischen Missionsvereins in der Oberföhringer Straße 40 einen aufsehenerregenden Vortrag gehalten.

Eingeladen hatten Dr. Thomas Zimmermann, MdL, der Vorsitzende des Kreisverbandes München-Ost der CSU, Stadtrat Marian Offmann, der Vorsitzende des Ortsverbandes Arabellapark-Priel der CSU und Manfred Högel, der Vorsitzende der Senioren-Union.

Thema war die demographische Entwicklung, also die zu erwartende Schrumpfung der Bevölkerung in Deutschland und Europa und das gleichzeitige Bevölkerungswachstum in den an Europa angrenzenden Staaten. Prof. Schneeweiß selber spricht von »demographischer Zeitenwende«, um von vornherein klarzumachen, dass bei gleichbleibenden Geburtenzahlen Mitte des Jahrhunderts und erst recht gegen Ende des Jahrhunderts dramatische Situationen in Deutschland und Europa zu erwarten seien.

Ganze Städte und Landstriche würden veröden und der Natur wieder zurückgegeben werden. Vor allem aber: der Druck von außen auf Europa und insbesondere auf Deutschland würde gewaltig werden, mit heute noch unabsehbaren, aber leicht auszumalenden Folgen.

Damit eine Bevölkerung sich stabil erhält, brauchte sie, statistisch gesehen, pro Frau eine Geburtenzahl von 2,1. Davon sei Deutschland weit entfernt. Deutschland erreiche nur die Zahl 1,1. Rechnet man den ausländischen Bevölkerungsanteil dazu, betrage sie 1,4. In München liege die Geburtenzahl pro Frau bei 1,2, Tendenz leicht steigend. Von den 440 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland gebe es zwar Landkreise, die bei der Geburtenzahl etwas besser dastehen – vor allem in Bayern und Baden-Württemberg – aber in keinem Landkreis werde z. Zt. die Zahl 2,1 erreicht.

Da die Lebenserwartung weiter ansteigt, die Fertilität in Europa zurückgeht und die Weltbevölkerung aber weiter wachse, vielleicht jedoch nicht so stark, wie noch vor einigen Jahren befürchtet, würde sich einmal ein Konflikt zwischen Jung und Alt ergeben, sodann ein Konflikt zwischen denen, die Kinder haben und denen, die keine Kinder haben und schließlich ein Konflikt zwischen Einheimischen und Zugewanderten.

Es komme nun für alle Nachdenklichen, vor allem aber für die Politik alles darauf an, wahrzunehmen und zu sehen, dass das demographische Problem umfassend ist und das beherrschende Thema der kommenden Jahrzehnte sein wird, so Schneeweiß. Die hingegen heute am meisten diskutierten Themen wie Sicherung des Gesundheits- und Rentensystems seien nur Teilthemen davon. Und der sogenannte Altenquotient, also das Verhältnis Jung und Alt, verbessere sich in den Berechnungen erheblich, wenn länger gearbeitet wird.

Das Zuwanderungsproblem jedoch werde bis 2100 Thema bleiben und sich wohl sogar noch verstärken. Alle Berechnungen, die Schneeweiß vorgelegt und mit eindrucksvollen Graphiken untermauert hat, beruhen auf Zahlen, die solide und offiziell von Statistischen Ämtern oder von Forschungsinstituten der Universitäten oder der Max-Planck-Gesellschaft erhoben wurden und allgemein zugänglich sind, z. B. im Internet.

Als sofortige Kernmaßnahmen fordert Schneeweiß von der Politik einerseits eine verlässliche Förderung der Familie – Frankreich und die nordischen Staaten seien uns da um einiges voraus – und andererseits eine gezielte und auswählende Zuwanderung. Sowohl bei der Förderung junger Familien wie bei der Integration der Zugewanderten müssten die Anstrengungen erheblich erhöht und mehr Phantasie entwickelt werden.

Investitionen in die Bildung, auch in die Bildung der Zugewanderten müssten hinzukommen, solle das hohe Ziel einer homogenen Gesellschaft erreicht werden, abgesichert durch wirtschaftlich günstige Rahmenbedingungen wie hohe Produktivität und Nachhaltigkeit und abgefedert durch eine sozial ausgleichende Gesetzgebung.

Artikel vom 14.12.2004
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