Nur noch eine Woche Bunnyhill

Es hasenbergelt an der Oper

Buntgewürfeltes Ensemble: Die Bunnyhill-Truppe auf ihrer Bühne.	Foto: Kammerspiele / Pohlmann

Buntgewürfeltes Ensemble: Die Bunnyhill-Truppe auf ihrer Bühne. Foto: Kammerspiele / Pohlmann

Erst diese Woche erregte er wieder trauriges Aufsehen, der so oft beschworene soziale Brennpunkt Münchens: das Hasenbergl. Ein Haufen Jugendlicher, kaum dem Kindesalter entwachsen, verhüllen sich am Nikolausabend mit Krampusmasken, bewaffnen sich mit Ruten, Besenstielen und Ketten und malträtieren Passanten.

Trauriger Höhepunkt: Die schwangere Sibel Y. (21) verliert durch die Misshandlungen ihr Baby. Die Mordkommission ermittelt, Festnahmen gab es bereits. Das alles geschah rund um die Wintersteinstraße.

Tragisch daran: Genau um die Wintersteinstraße dreht sich auch das jüngste Projekt der Münchner Kammerspiele. Das Projekt heißt Bunnyhill: eine liebevolle Übersetzung von „Hasenbergl“ und um diesen Stadtteil dreht sich auch alles.

„Bunnyhill ist ein Staat auf Zeit. Das Staatsgebiet ist das Neue Haus der Münchner Kammerspiele. Der Staat Bunnyhill soll der Ort sein, an dem wir uns zusammen mit vielen Gästen der urbanen Wirklichkeit Münchens nähern wollen“, so beschreiben die Kammerspiele den Grundgedanken.

Zwei Monate lang sollte das Verhältnis von Zentrum und Außenbezirk untersucht werden. Begegnungen sollten dabei geschaffen werden, „die München gut tun“. Man habe sich einen Stadtteil ausgesucht, der am äußersten Rande Münchens liegt: das Hasenbergl.

Elf U-Bahn-Stationen vom Zentrum entfernt liegt das berühmte Problemviertel. „Das Leben dort ist geprägt vom Zusammentreffen vieler Kulturen. Einheimische und Migranten, Kriegsflüchtlinge und sozial gefährdete Menschen teilen sich das Viertel. Wir wollen versuchen, den ungeliebten Rand der Stadt im Zentrum derselben sichtbar zu machen.“

Nun geht das Projekt dem Ende zu – besonders traurig, dass das mit einem solch schlimmen Ereignis einhergeht. Sorgte Bunnyhill doch schon die ganze Laufzeit über für große Streitigkeiten und teilte die kulturinteressierten Münchner in zwei Lager.

Auf der einen Seite wurde angeprangert, in München gäbe es keine Ghettos, und wenn, dann solle man sich auf die Bewohner nicht stürzen, wie auf Tiere im Zoo. Und wenn es das Ghetto also doch gibt, dann dürfe man die Menschen nicht zur Belustigung in die Innenstadt und vor das satte Publikum zerren, das Ganze irgendwie „cool“ finden, und später dann den nächsten Reißer ausgraben.

„Zur Schau stellen“ hieß es da, und „sich damit befassen, um das Gewissen zu beruhigen“. Und um es wenig später wieder vergessen zu können. Man hat ja was getan. Die andere Seite forderte den erzieherischen, den bildenden Wert ein. Nein, nicht nur das Kulturvolk solle mitbekommen, dass es das Hasenbergl mit all seinen Problemen gibt, und zwar nicht nur alle paar Monate mit negativen Schlagzeilen in der Presse. Vor allem sollten die Menschen, die Jugendlichen aus dem Hasenbergl mitbekommen, dass es Kultur gibt, und diese prinzipiell „sogar ihnen“ offen steht. Und diese sich sogar beteiligen dürfen, ja, sollen. Dass es, wenn es ihn braucht, einen Ausweg gibt. Und sei es mittels Theater.

Das Theater bildet dann auch den Kern im Staate Bunnyhill. „Ein Junge, der nicht Mehmet heißt“, nennt sich das äußerst sehenswerte Projekt von Schauspielern der Kammerspiele mit Jugendlichen aus dem Hasenbergl. Ausgegangen wird von der Geschichte des türkischen Jungen Mehmet, der im Jahr 1998 durch seine kriminelle Laufbahn für Aufsehen sorgte. Daraus wurde ein Stück entwickelt, das vom Leben am Rande der Stadt erzählt. „Ein Stück davon, wie es ist, unter verschärften Bedingungen groß zu werden.“

Wenn auch ohne fließende Handlung, so entsteht doch ein beeindruckendes Bild – das Spiel der professionellen Kammerspiel-Schauspieler, vor allem aber ihr Zusammenspiel mit den Jugendlichen ist fast schon große Kunst.

Und außerdem: Vielleicht wären sie, die Kids, ohne Bunnyhill auch dabei gewesen, am Nikolausabend in der Wintersteinstraße. Und vielleicht sind sie es in Zukunft, die mit ihrem veränderten Blickwinkel für mehr Frieden sorgen. In ihrem Hasenbergl.

Aufführungen von „Ein Junge, der nicht Mehmet heißt“, gibt es noch am Samstag, kommenden Freitag, 17.12. und Samstag, 18.12.; anschließend jeweils das „Favorit Spezial“ mit ausgewählten DJs. Am morgigen Sonntag wird für alle Fun- und Rollsportfans eine Rampe aufgebaut und ab 16 Uhr zur Jam geladen. Dienstag bis Donnerstag gibt es abschließende künstlerische Veranstaltungen.

Weitere Infos unter www.bunnyhill.info; Tickets unter Telefon 0 89-23 39 66 00. Ort: Falckenbergstraße 1 / Nähe Maximilianstraße. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 09.12.2004
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