Am Sonntag ist Showdown im Münchner

Wenn ein Nein ein Ja bedeutet

Wieso eine strikte Höhenbegrenzung, fragen die Hochhausbefürworter. An geeigneten Standorten können Hochhäuser das Stadtbild bereichern, so lautet ihr Urteil. 	Kollage: clash / Philipp Eder

Wieso eine strikte Höhenbegrenzung, fragen die Hochhausbefürworter. An geeigneten Standorten können Hochhäuser das Stadtbild bereichern, so lautet ihr Urteil. Kollage: clash / Philipp Eder

Wie hoch darf unsere Stadt werden? An diesem Sonntag haben rund 900.000 Münchner die Wahl: Sollen der „Vierkantbolzen“ am Georg-Brauchle-Ring, der 146 Meter hohe „Uptown-Tower“ und die „Highlight-Twin-Towers“ die letzten Hochhäuser in der Isar-Metropole sein, die höher als die Frauenkirche sind? Oder darf die Stadtverwaltung auch in Zukunft außerhalb des Mittleren Rings Gebäude in die Höhe wachsen lassen?

Selten hat ein Bürgerentscheid im Vorfeld für so viel Trubel und neue Koalitionen gesorgt wie das „Hochhaus-Begehren“, das von Alt-OB Georg Kronawitter ins Leben gerufen wurde. Selten diskutierten so viele Bürger über die Stadtentwicklung und benutzten dabei Fachbegriffe wie „Traufhöhe“ als ob sie alltäglich wären. Selten auch war ein Bürgerentscheid schuld, dass Parteifreunde - Kronawitter und dessen Wunsch-Nachfolger Christian Ude - wegen einer Sachfrage nicht einmal mehr miteinander reden wollen.

Selten waren die Gräben in der Stadt so tief zwischen den politischen Parteien, großen Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften auf der einen Seite (alle dagegen) und einer so großen Zahl hochmotivierter Bürger auf der anderen (dafür). Dabei geht es eigentlich um ein Thema, das auf den ersten Blick keineswegs Unmut bei einer breiteren Bevölkerungsgruppe verursacht.

Zumal die paar wenigen schon bestehenden Münchner Hochhäuser längst zu Wahrzeichen der Stadt geworden sind. So wie der berühmte „BMW-Vierzylinder“ am Petuelring oder eines der Symbole für das moderne München, das „Hypo-Hochhaus“ am Effnerplatz, welches übrigens während der Amtszeit des jetzigen Hochhaus-Hassers Kronawitter geplant und gebaut wurde.

Außerdem wünscht sich kein hochrangiger Politiker in der Landeshauptstadt Hochhäuser im Stadtzentrum. Zu „Isarhattan“ jedenfalls wird München also auf keinen Fall verkommen. Egal, wie der Entscheid ausgeht.

Trotzdem haben in den letzten Wochen beide Lager massiv mobilisiert. Jeden Tag waren die Hochhausgegner auf der Straße, haben erklärt, dass „München seine Unverwechselbarkeit verlieren“ (Georg Kronawitter) würde, wenn noch mehr Hochhäuser gebaut werden würden. Sie beharren darauf, dass die Sichtachsen zur Frauenkirche und zu den Alpen nicht durch neue Hochhäuser behindert werden dürften.

Immer wieder hat vor allem Kronawitter gewettert, dass es ihm im Herzen weh tue, wenn er am Ende der Leopoldstraße ständig auf Münchens neue Twin-Towers blicken müsste, statt wie früher nur auf den schönen Turm der Erlöserkirche. Kronawitter, der während seiner Amtszeit nicht gerade der größte Freund der Geistlichkeit war, plötzlich als Kirchenliebhaber?

Und OB Ude, der in jüngeren Jahren immer wieder für mehr sozialen Wohnungsbau und weniger Büroflächen gekämpft hat, soll plötzlich williger Erfüllungsgehilfe der Industrie sein, wie erbitterte Hochhausgegner schon in aller Öffentlichkeit unverblümt behaupteten? Das zu glauben fällt schwer.

Zumal Ude nicht allein steht mit seiner Meinung, dass Hochhäuser an ausgewählten Stellen das Stadtbild sogar verschönern können: Der Stadtentwickler Gottfried Knapp etwa sagt, dass der Moosacher „Uptown-Tower“ wesentlich „harmonischer hätte aussehen können, wenn er, wie ursprünglich geplant, 199 Meter hoch geworden wäre.“ Die Kürzung auf 146 Meter sei dafür verantwortlich, dass er „teilweise wie ein Klotz in der Landschaft“ wirke.

Doch Kronawitter prangert nicht nur die Höhe der Bauwerke an, sondern zweifelt auch an deren Notwendigkeit: „Schon jetzt stehen in München rund 1,7 Millionen Quadratmeter Büroflächen leer. Und sowohl im „Uptown-Tower“, als auch bei den „Highlight-Tower“ wurde bisher kein Büroraum vermietet.“ Doch die drei Türme sind gebaut, da kann auch das Bürgerbegehren nichts mehr ändern. Verhindern möchten die Hochhausgegner allerdings den geplanten 146 Meter hohen Turm, den der „Süddeutsche Verlag“ neben der verlagseigenen Druckerei in Steinhausen errichten möchte.

Dorthin, immerhin 4,6 Kilometer entfernt vom Münchner Zentrum, möchte der Konzern seine Zentrale verlegen. Leerstehen wird dieser Turm sicher nicht. Aber die Hochhausgegner mögen ihn dennoch nicht. Immerhin könnte er die Sicht auf die Alpen verhindern. Dass diese allerdings sowieso nur bei Föhn zu sehen sind, sagen sie nicht.

Aus den gleichen Gründen wie beim Süddeutschen-Bau in Steinhausen, möchten sie auch den geplanten „Isar-Tower“ in der Siemensstadt verhindern. Doch auch dagegen formiert sich Widerstand: „Das Siemens-Hochhaus ist das größte private Investitionsvorhaben der Stadtgeschichte, es wurde schon vor Jahren vom Stadtrat über alle Parteien hinweg abgesegnet. Das abzulehnen ist verantwortungslos“, kritisiert der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) München, Erich Greipel.

Genau so wie die IHK wehren sich auch der DGB, Handwerkskammer, SPD, Grüne und FDP gegen den Bürgerentscheid. Und auch die CSU befürwortet den Hochhausbau, auch wenn sie den Entwurf des Stadtrates nicht so recht mittragen möchte.

Doch das letzte Wort hat am Sonntag der Bürger. Wer für den Entscheid ist, also gegen weitere Hochhäuser, muss am Sonntag „Ja“ ankreuzen. Wer für Hochhäuser ist „Nein“. Das ist zwar verwirrend, wurde von den Hochhausgegnern aber so gewünscht. Ein Ende der Verwirrung und aller Streitereien gibt es frühestens nach der Wahl. Und vielleicht werden danach selbst Kronawitter und sein politischer Ziehsohn Ude wieder miteinander reden. Von Filippo Cataldo

Artikel vom 18.11.2004
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