Die Privatisierung der Münchner Kliniken bereitet Mitarbeitern und Patienten Kopfschmerzen

Aufnahmekriterium: Lukrative Krankheit?

Beinbruch? Bitte zu den Kollegen von den öffentlichen Krankehäusern. – Werden in Pasing und Perlach nur noch „lukrative Krankheiten“ aufgenommen? 	Foto: mh

Beinbruch? Bitte zu den Kollegen von den öffentlichen Krankehäusern. – Werden in Pasing und Perlach nur noch „lukrative Krankheiten“ aufgenommen? Foto: mh

Einen Beinbruch behandeln wir leider nicht, fahren Sie in ein anderes Krankenhaus. – Dieses Horrorszenario befürchten manche Patienten und Politiker seit bekannt ist, dass die Münchner Krankenhäuser privatisiert werden sollen.

Neben den fünf städtischen Kliniken Bogenhausen, Neuperlach, Schwabing, Harlaching und dem Haus an der Thalkirchner Straße erhalten auch die Landkreiskliniken eine neue Rechtsform. Die Krankenhäuser Perlach und Pasing werden für einen zweistelligen Millionenbetrag an die Rhön Klinik AG verkauft.

Damit sollen Stadt und Landkreis München entlastet werden – denn beileibe nicht immer arbeiten die Einrichtungen kostendeckend oder gar erlösbringend. Perlach und Pasing haben im letzten Jahr zusammen zwei Millionen Euro Verluste eingefahren. Das Problem dabei: Die Kommunen sind im Rahmen der Daseinsvorsorge eigentlich gesetzlich verpflichtet, Krankenhäuser zu errichten um jedem Bürger medizinische Behandlungen ermöglichen zu können.

Der Münchner Landrat Christoph Nadler (Grüne) sieht die Münchner Patienten deshalb künftig in Not. Seine Angst: „Private Kliniken suchen sich die lukrativsten Krankheiten raus, der Rest wird an die Nachbarhäuser weitergeleitet.“

Der Pasinger Klinikdirektor Dietmar Mayer weist solche Vorwürfe entschieden zurück: „Das ist absoluter Quatsch, wir haben auch künftig einen Versorgungsauftrag, den wir erfüllen.“

Im Übrigen könnten mit dem privaten Eigner der beiden Landkreiskliniken Investitionen getätigt werden, die bislang nicht möglich sind. „Und das sichert Arbeitsplätze und eine gute Versorgung“ stellt Mayer fest. Auch für seinen Kollegen Hugo Steimle aus dem Perlacher Krankenhaus ist „die Privatisierung der einzige Weg in die Zukunft“, gerade unter Berücksichtigung der ständig notwendigen Investitionen.

Die fünf innerstädtischen Kliniken werden ab dem Jahreswechsel ebenfalls unter einem neuen, privatrechtlichen Dach zusammengefasst. Allerdings ist diese „Klinikum München GmbH“ in städtischem Besitz und dadurch weiter öffentlich kontrolliert. Perlach und Pasing dagegen sind ab dem 1. Januar Teil einer aktiengeführten Holding und müssen damit unbedingt Rendite erwirtschaften.

Ob das nach Einschätzung des neuen Eigners in den bestehenden Strukturen möglich ist oder ob dazu Personal eingespart wird – wie von der Gewerkschaft verdi und den Personalräten befürchtet – das steht noch nicht fest. Der Vorstand der Rhön Klinik AG wollte sich auf Nachfrage nicht zu der Übernahme und den Sorgen äußern – erst muss die schriftliche Verkaufsbestätigung des Münchner Kreistags eintreffen.

Für das Jahr nach der Übernahme gibt es zwar einen gesetzlichen Kündigungsschutz, aber mittelfristig erwarten die Mitarbeiter durchaus einige Kürzungen. „Viele Stellen wurden in den letzten Jahrzehnten doppelt besetzt“ ist aus dem Pasinger Krankenhaus zu hören, das 450 Betten bereitstellt und etwa 900 Beschäftigte hat. „Hier gibt es in manchen Bereichen sicher sinnvolle Einsparmöglichkeiten, während anderswo schon jetzt zu Ungunsten der Patienten gestrichen wurde.“

Auch Michael Wendl, stellvertretender Landesbezirksleiter der Gewerkschaft verdi, ist nach außen hin nicht ganz zufrieden mit der totalen Privatisierung der Krankenhäuser Perlach und Pasing: „Aus Sicht der Beschäftigten wäre die kommunale Trägerschaft der sympathischere Weg gewesen.“ Doch die jetzige Lösung sei ebenfalls gut, die Rhön Klinik AG sei schließlich ein seriöses Unternehmen. Wendl muss das wissen – er ist im Aufsichtsrat des Gesundheitskonzerns. Aber trotz seines Interessenkonflikts und der Zurückhaltung gibt er zu, dass zumindest die Arbeiter bei der Rhön Klinik AG gewöhnlich schlechter bezahlt werden als in öffentlichen Krankenhäusern.

Und so ist die Verkaufsentscheidung vom Montag, die von der CSU-Mehrheit im Kreistag getroffen wurde, weiter umstritten. Die Krankenhausmitarbeiter und auch manche Politiker beklagen sich, nicht genügend informiert gewesen zu sein. Dem federführenden Landrat Heiner Janik (CSU) wurden gar „Gutsherrenmanieren“ vorgeworfen. Dem verärgerten Grünen-Politiker Nadler gingen die Unterlagen der Bieter erst zwei Arbeitstage vor der endgültigen Entscheidung zu.

Letztendlich habe er jedoch auch für den Verkauf gestimmt, damit das Steuersäckel entlastet werde. Viel lieber wäre ihm aber die Stadt München und ihre Klinikum GmbH als künftiger Eigner gewesen. „Das hätte strukturell und räumlich gepasst – und in meinen Augen ist Gesundheit ein Thema, um das sich die öffentliche Hand kümmern muss.“

Das Gebot der Stadt München war jedoch nicht annähernd so hoch, wie dass der Rhön Klinik AG und so schimpft auch die Münchner SPD-Fraktion über die Kaufpreisorientierung des Kreistags. „Die Rathaus-SPD bedauert die Entscheidung.“ Anders als die gewinnorientierten Privatbetreiber wäre der ausgestochene Übernahmeinteressent Klinikum München GmbH dem Gemeinwohl verpflichtet gewesen.

Die Münchner CSU-Fraktion hat jedoch in der vergangenen Woche aufgedeckt, dass auch die städtischen Krankenhäuser sehr genau auf ihre Einnahmen schauen. So heißt es in einer internen Dienstanweisung angeblich, dass „die Behandlung der Fälle mit ungünstigem Kosten-/Erlösverhältnis nicht über das heutige Maß“ ausgeweitet werden soll.

Für die CSU-Stadträtin Eva Caim ein Unding: „Die Passage deutet für mich ganz klar darauf hin, dass man künftig den wirtschaftlichen Aspekt vor das gesundheitliche Wohl stellt.“ Von Maximilian Hägler

Artikel vom 28.10.2004
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