Deutsche Jugendliche traurige Spitzenreiter

„Kiffer, Säufer und Schläger?“

Immer mehr Jugendliche erliegen der Versuchung von Alkohol und Drogen. Nur in München scheint es besser zu sein als anderswo. 	Foto: fil

Immer mehr Jugendliche erliegen der Versuchung von Alkohol und Drogen. Nur in München scheint es besser zu sein als anderswo. Foto: fil

Kürzlich veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Studie, untersucht wurden 160.000 Jugendliche in 33 europäischen Ländern, in den USA und Kanada. In Deutschland wurde das Verhalten und die Gewohnheiten von 5.600 Jugendlichen unter die Lupe genommen.

Das Ergebnis beschäftigte auch den Münchner Stadtrat: die Räte Gisela Oberloher und Max Straßer (beide CSU) fragten an, wie es um die Münchner Jugend bestellt sei.

Die WHO-Studie ergab, dass deutsche Jugendliche mehr Alkohol und Cannabis konsumieren als ihre Altersgenossen in den meisten europäischen Ländern oder in den USA: 15 Prozent der 13-Jährigen und 46 Prozent der 15-Jährigen würden mindestens einmal in der Woche Alkohol trinken, den ersten Rausch hätten sie mit 14. Den verbotenen Joint ließen der Studie nach regelmäßig 18 Prozent kreisen, drei Prozent der Jugendlichen berichteten gar von Dauerkonsum. Auch Gewalt ist unter den deutschen Halbwüchsigen weit verbreitet, jeder dritte elf- bis 15-Jährige war im vergangenen Jahr in eine Schlägerei verwickelt. Nur in Osteuropa und erstaunlicherweise in Österreich wurde mehr geschlägert.

Oberloher und Straßer fragten im Stadtrat, wie viele der Münchner Jugendlichen Drogen konsumierten oder rauchten und wie es um die Entwicklung und Vorbeugung stehe. Antworten gab es nun von Sozialreferent Frieder Graffe. Nach der letzten groß angelegten Jugendbefragung aller Münchner Schüler der 9. Klasse im Jahr 2000 konsumierten 5,9 Prozent der 15- bis 16-Jährigen wöchentlich bis täglich Alkohol; Haschisch- und Marihuanazigaretten rauchten fast genausoviel: 5,6 Prozent kifften wöchentlich bis täglich. Diese Zahlen erstaunen allerdings ein wenig – gibt doch die WHO in ihrer Studie an, 46 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland tränken mindestens wöchentlich, nach Auskunft des Sozialreferenten seien es in München 40 Prozent weniger.

München, Stadt des Bieres – München, Stadt der enthaltsamen Jugend? Im Sozialreferat war bis zum Redaktionsschluss niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Seine Antwort schließt Sozialreferent Graffe etwas resignierend: Vor allem Jugendliche, die „den Leistungs- und Integrationserfordernissen“ nicht gerecht werden könnten, suchten „zunehmend einen Ausweg in der Ausblendung der sie umgebenden gesellschaftlichen Wirklichkeiten“. Im Klartext heißt das: Fühlen sich die Jugendlichen überfordert, beginnen sie zu saufen, nehmen Drogen und prügeln sich durchs Leben. Graffe: „Auf diese zuletzt beschriebenen Rahmenbedingungen haben Jugendhilfe und Schule keinen unmittelbaren Einfluss. Dies zeigt zuletzt auch die Grenzen aller Präventionsbemühungen auf.“

Genau an dieser Einschätzung stört sich Stadträtin Gisela Oberloher besonders: „Wenn das so ist, müssen wir uns überlegen, ob das viele Geld für die Prävention auch richtig ausgegeben wird. Ich lese daraus, dass die Stadt große Anstrengungen tätigen muss. Ich will nicht sagen, es wird nichts gemacht, aber manchmal hab ich den Eindruck, das greift alles nicht richtig.“ Oberloher überlegt sich, nach der Sommerpause wieder in die Vollen zu gehen: „Ich werde eine Anfrage im Stadtrat stellen, wie man die Vorbeugung wirkungsvoller gestalten könnte.“

Gisela Oberloher ist Mutter von sechs mittlerweile erwachsenen Kindern. Sie sieht die größte Verantwortung immer noch bei den Eltern. Man müsse die Eltern viel stärker einbeziehen und mit ihnen zusammenarbeiten: „Leider zeigt aber die Erfahrung, je schwieriger die Kinder sind, desto anstrengender ist es auch mit den jeweiligen Eltern zu sprechen.“

Artikel vom 19.08.2004
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