„Tanzwut“ rocken heute in der Muffathalle

Tangas für den Teufel

Heute ist der Teufel in der Stadt! Ach so, Sie sagen, den haben wir längst – etwa in Form von Mietwucher und Überwachung? Die Band jedenfalls, die heute Abend in der Muffathalle auftritt, behauptet von sich, den Teufel in ihren Reihen zu haben: „Bei uns fungiert er als Sänger, Spaßmacher, Charmeur und manchmal auch als Provokateur. Dabei ist der Teufel genau genommen ein Mensch wie du und ich. Er hat mal gute und mal schlechte Laune, mag lustige Witze und liebt Wein, Weib und – vor allem – Gesang.“ Über Satanismus kann der Teufel dagegen nur den Kopf schütteln. Er habe Besseres zu tun, schließlich: „...ist er Mitglied bei Tanzwut“.

Ihren Namen wählten die Musiker aus Berlin mit Bedacht, er stammt aus der Zeit des Mittelalters. Zwischen 1350 und 1352 wütete die Pest in Europa. Die Spielleute trugen die Nachricht von der drohenden Katastrophe von Stadt zu Stadt. Angesichts des bevorstehenden Massensterbens rieten sie den Leuten, sich in den Rausch des Tanzes zu stürzen. Tausende Menschen folgten dieser Aufforderung, verscherbelten ihr Hab und Gut und feierten jeden Tag aufs Neue, an dem sie am Leben geblieben waren. „Siebzig Prozent von ihnen waren Frauen, das müssen himmlische Zustände gewesen sein“, vermutet Castus, der Dudelsackbläser von „Tanzwut“.

Zurück in die Gegenwart, wo der Anblick von Menschen im Tanzrausch für die sieben Berliner eher Regel als Ausnahme ist: Nach eigenem Bekunden erleben sie von der Bühne aus „hyperventilierende Teenie-Girls, Rocker, die sich im Schlamm wälzten und erhitzte Fanmassen, die von bulligen Security-Männern durch die Luft gewirbelt werden“. Nicht selten hätten entzückte Anhängerinnen sogar mit Unterwäsche geworfen.

Diese angebliche Tatsache ist „Tanzwut“ so wichtig, dass sie in jedem Interview Erwähnung findet. Dazu wird gleich noch über den Verbleib der „gesammelten Trophäen“ informiert: Sie hängen über der Tür zu ihrem Proberaum. „Für uns als Musiker ist diese Art von Ekstase total wichtig“, sagt Bassist Wim und offenbart damit gleich noch etwas von der Genügsamkeit der Band, schließlich halten sie fliegende Schlüpfer schon für ekstatisch. Nicht in Frage gestellt wird, ob jene flying slips nicht einfach die gesteigerte Form von aus Unmut auf die Bühne geschleuderten Bierbechern sind.

Doch davon ist hoffentlich nicht auszugehen, wo doch „Tanzwut“ so sehr darauf aus sind, möglichst viele Stilrichtungen in ihrer Musik zu vermengen. Das neue Album heißt zudem „Ihr wolltet Spaß“ und kombiniert nicht nur Elektro, Rock und Mittelaltermusik. „Es gab keine Tabus“, sagt Wim, „wir haben das gemacht, worauf wir Lust hatten. Wichtig war uns nur, dass alle sieben die Songs geil finden.“ Bleibt zu erwarten, dass auch das Publikum heute Abend „Tanzwut“ geil findet. Ob es zu Tanga-Geschossen reicht, sei dahingestellt.

„Tanzwut“, heute ab 21 Uhr in der Muffathalle, Zellstr. 4. Einlass ist um 20 Uhr, Eintritt an der Abendkasse 19 Euro. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 08.05.2004
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