Trotz Maut-Chaos und leeren Kassen können die wichtigsten Münchner Bauvorhaben realisiert werden

Bau für weniger Stau

Jeden Freitag zittern die Münchner Autofahrer aufs Neue. Dann veröffentlicht die Landeshauptstadt ihren gefürchteten „Baustellenbericht“ (zu finden in Ihrem Wochenanzeiger), der Auskunft gibt, wo in der folgenden Woche gebaut wird. Übersetzt für Autofahrer: Wo in der folgenden Woche die Straßen verstopft sind.

Für die vergangene Woche vermeldete dieser offizielle Stauwarner eher Harmloses: Lediglich fünf größere Baustellen sind vermeldet. Die hatten es allerdings in sich; denn wenn plötzlich der Frankfurter Ring im Norden, wenn auch nur nachts, zum Nadelöhr wird, der Mittlere Ring in Höhe Prinzregentenstraße und Einsteinstraße zur Einbahnstraße verkommt oder auf der Berg-am-Laim-Straße nur noch eine Spur verfügbar ist, bedeutet das oft mehr als nur eine kurzfristige Verengung der Fahrbahn, sondern eben auch lästiges Warten, Stau und Zu-Spät-Kommen.

Dazu kommen noch längerfristige Baumaßnahmen, die gar nicht im „Baustellenbericht“ auftauchen, etwa rund um den Effnerplatz wegen des Tunnelbaus oder an der Knorrstraße wegen des U-Bahn-Ausbaus zum Olympia-Einkaufszentrum. Zusammengefasst wirkt das Münchner Straßennetz wie ein riesiger Flickenteppich, über den sich die Blechlawinen quälen müssen.

Doch klar ist auch: Die Baustellen sind nicht als Schikane seitens der Stadtverwaltung gedacht, sondern sollen nach Fertigstellung für eine dauerhafte Reduzierung des Verkehrschaos sorgen. „Die Staus sind relativ“, sagt so auch der Münchner SPD-Vorsitzende und Fraktionsvorsitzende der Soziademokraten im Landtag, Franz Maget. „Den Tunnel am Effnerplatz haben sich schließlich die Münchner beim Volksentscheid gewünscht und auch der Autobahnausbau zum neuen Stadion in Fröttmaning war Wille des Volkes“. Natürlich könne er verstehen, dass sich Autofahrer über Staus ärgern, allerdings: „Im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten ist München richtig harmlos. In Rom musste die gesamte Innenstadt gesperrt werden, weil die Stadt im Verkehr erstickt ist, in London musste eine City-Maut eingeführt werden, in Paris gehört Chaos auf den Straßen zur Normalität“. So weit solle und werde es in München nicht kommen. Zumal es sehr gute Alternativen gebe, um die Baustellen zu umfahren: „Wir haben das bestausgebaute öffentliche Nahverkehrssystem. Immer wenn es möglich ist, sollen die Menschen U-, S-Bahnen, Busse und Trams benutzen“, so der Politiker aus dem Münchner Norden.

Doch auch da möchte sich die Landeshauptstadt nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen: Das MVV-Netz wird in den kommenden Jahren erheblich erweitert und ausgebaut, Kernstück der ehrgeizigen Erweiterungsmaßnahmen: Die zweite S-Bahn-Stammstrecke. Der zweite Tunnel durch die Innenstadt soll nicht nur die bisher bestehende Röhre entlasten, welche angesichts von rund 720.000 S-Bahn-Nutzern pro Tag an ihre Grenzen stößt, sondern auch dafür sorgen, dass die Taktzeiten der S-Bahnen verkürzt werden können.

Rund 718 Millionen Euro würde das ehrgeizige Projekt, das kurz vor dem Planfeststellungsverfahren steht, kosten. Bereits 2010 sollen die Bauarbeiten an der zweiten S-Bahn-Röhre abgeschlossen sein. Sogar die Finanzierung, und das ist in diesen Zeiten recht selten, scheint gesichert: In seltener Eintracht haben Bund, Freistaat und Kommune der zehn Kilometer langen zweiten S-Bahnstrecke ihren Segen gegeben und beteiligen sich gemeinsam an der Finanzierung. Hauptzahler wird die Bundesrepublik Deutschland, die 60 Prozent der Kosten übernehmen wird.

Der Bund beteiligt sich allerdings nicht nur beim Ausbau des Schienenverkehrs an den Kosten, auch viele Münchner Straßenbauprojekte sind abhängig von den Geldern aus Berlin. Angesichts des Toll-Collect-Desasters (das Samstags Blatt berichtete) und den daraus resultierenden fehlenden Mauteinnahmen, ist das ein schwieriges Unterfangen. Die Mittel für den Bundesverkehrswegeplan mussten von der rot-grünen Bundesregierung gekürzt werden. Doch immerhin bekommt München vom kleiner gewordenen Geldkuchen ein beachtliches Stück ab: Ende April konnte der bayerische Innenstaatssekretär Georg Schmid verkünden, dass sich „an den mit dem Bund abgestimmten Bauvorhaben nichts ändert“.

Der Autobahnausbau zum neuen Fußballstadion nach Fröttmaning kann also wie geplant vorangetrieben werden. Die A 99 und A 9 im Norden Münchens werden für insgesamt 82 Millionen Euro auf teilweise zehn Spuren ausgebaut. Außerdem werden eine neue Anschlussstelle westlich des Autobahnkreuzes München-Nord errichtet und entlang der A 9 bei Freimann neue Lärmschutzwände aufgestellt.

Auch der Neubau des Westabschnitts des Autobahnrings der A 99 bei Unterpfaffenhofen-Aubing ist, laut Franz Maget, nicht in Gefahr. Die Kosten für die 6,2 neuen Autobahnkilometer in Höhe von rund 155 Millionen Euro teilen sich der Bund und die Landeshauptstadt München. Uneinigkeit zwischen der CSU-Landesregierung und der rot-grünen Opposition im Landtag herrscht allerdings bei der Frage nach dem Ringschluss der A 99 im Süden Münchens: Für das ökologisch bedenkliche Projekt, bei dem große Schneisen durch Wälder geschlagen werden müssten, bestehe künftig „kein Bedarf“ mehr, so die Bundesregierung.

Auch die rot-grüne Opposition im bayerischen Landtag hat sich gegen das 920 Millionen Euro teure Projekt ausgesprochen. Sehr zum Leidwesen des bayerischen Innenministers Günther Beckstein. Er kritisierte die Abstufung des „wichtigsten Verkehrsprojekts im Raum München“. Den Minister ärgere vor allem, dass die bayerische SPD nun umgeschwenkt sei, obwohl sie sich im Oktober 2002 noch für das Projekt ausgesprochen hätte.

„Stimmt nicht!“, erwidert Maget. Es sei zwar richtig, dass einzelne SPD-Abgeordnete den Südring gewollt hätten, er selbst und viele aus seiner Fraktion seien aber von Anfang an gegen den Südring gewesen. „Der Mut zur Lücke ist nachvollziehbar“, glaubt Maget. Seinen Kollegen von der CSU empfiehlt der Oppositionschef, sich lieber auf die „wirklich wichtigen“ Münchner Verkehrsprojekte zu konzentrieren. Von Filippo Cataldo

Franz Maget beantwortet die Fragen von Filippo Cataldo und Meredith Haaf vom SamstagsBlatt:

„Es ist gut, dass etwas passiert“

Stadionanbindung, MVV-Ausbau, Tunnel am Mittleren Ring – Baustellen gehören in München zur Tagesordnung. Filippo Cataldo und Meredith Haaf sprachen mit Franz Maget über Sinn und Unsinn von neuen Verkehrsprojekten im Großraum. Der Fraktionsvorsitzende der bayerischen SPD hat – im Gegensatz zur bayerischen Staatsregierung – einen guten Draht zur Bundesregierung, die bei vielen großen Bauvorhaben Geldgeber ist.

SamstagsBlatt: Herr Maget, die Baumaßnahmen zur Verkehrsanbindung ans neue Fußballstadion sind beschlossen. Allerdings ist bei einigen weiteren Projekten die Finanzierung noch nicht geklärt, Grund zur Beunruhigung? Franz Maget: Für die Münchner Projekte dürfen wir auf jeden Fall optimistisch sein, dass alles wie geplant gebaut wird. Das können wir garantieren. Allerdings muss man ehrlicherweise sagen, dass diese Sicherheit für Projekte im restlichen bayerischen Raum leider nicht gilt. Es wird Kürzungen geben – der Maut-Ausfall lässt sich nicht so leicht kompensieren. Auch in Bayern werden zwei- bis dreihundert Millionen Euro fehlen. Trotzdem tut sich gerade in München aktuell sehr viel. Allein was die U-Bahn anbelangt: Der Bahnhof Marienplatz wird vergrößert, der Bahnhof Fröttmaning umgebaut, die U 1 und U 3 erweitert. Und dann ist da ja noch die zweite S-Bahn-Stammstrecke. Das ist ein unglaublich teures Projekt, aber notwendig.

Die zweite S-Bahnstammstrecke wird gebaut. Wie sieht es mit der „City-Spange” aus, die den Hauptbahnhof mit der Münchner Freiheit und eventuell sogar mit dem Flughafen verbinden könnte? Das ist eine sehr gute Idee. Allerdings glaube ich nicht, dass sie in den nächsten zehn Jahren realisiert werden kann. Wir dürfen den Münchnern auch nicht zu viele Baustellen zumuten: Im Augenblick wird der Tunnel am Mittleren Ring gebaut, was für den Verkehr am Effnerplatz eine Katastrophe ist. Dann verstärken wir die S-Bahn an den Außenästen und bauen die zweite Stammstrecke. Außerdem die ganzen Maßnahmen am Autobahnkreuz München Nord und der Ausbau der A99 im Westen. Eine weitere Großbaustelle in der Innenstadt für die City-Spange halte ich deshalb derzeit für schwer vermittelbar.

Sie haben die Brennpunkte aufgezählt – wird im Großraum zu viel gebaut? Nein. Es ist gut, dass in München etwas passiert. Allerdings muss das Schritt für Schritt gehen. Ich finde, dass wir wirklich zufrieden sein können mit dem was Bund, Land und die Stadt leisten. Es gibt keine Stadt in Deutschland, die so viele Infrastrukturprojekte hat wie München. Das neue Stadion, der Ausbau des Messegeländes, die immer besser werdende Flughafenanbindung. Wenn Sie nach Berlin oder Hamburg schauen, sieht das ganz anders aus.

Die Folgen sind aber nicht nur positiv. Ja, leider. Natürlich werden all diese Baumaßnahmen wohl auch dazu führen, dass München eine sehr teure Stadt bleibt. Es gibt eben zwei Seiten der Medaille. Der wirtschaftliche Erfolg einerseits und die hohen Lebenshaltungskosten andererseits. Anderswo gibt es keine florierende Wirtschaft und weniger Arbeitsplätze, dafür kostet der Quadratmeter nur zwei Euro. Ich entscheide mich da lieber für die Münchner Variante: Darauf achten, dass die Münchner mit den hohen Kosten zu Rande kommen. Ich finde es besser, dass es Arbeit gibt in der Stadt und sich die Menschen so ihr Leben selbst finanzieren können.

Artikel vom 08.05.2004
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