Rituale und Alltag: Ausstellung »Sieben Sakramente«

Kirche, Küche und Kinder

»Taufe« ist eines der Bilder der Ausstellung »Sieben Sakramente« im Haus der Kunst.	Foto: Haus der Kunst

»Taufe« ist eines der Bilder der Ausstellung »Sieben Sakramente« im Haus der Kunst. Foto: Haus der Kunst

Lehel · Die Ausstellung »Die Sieben Sakramente. Abigail O'Brien und der ritualisierte Alltag«, die derzeit bis 12. April im Haus der Kunst an der Prinzregentenstraße zu sehen ist, präsentiert den 2004 vollendeten Werkzyklus der irischen Künstlerin zu den sieben Sakramenten und setzt ihn in Analogie zur niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts.

Die Künstlerin Abigail O'Brien, geboren 1957 in Dublin, untersucht in ihren Arbeiten die Funktionen von Ritualen und Riten. Seit 1995 entwickelte sie eine Werkreihe zu den sieben Sakramenten, die sie 2004 vollendete und die nun im Haus der Kunst erstmals gezeigt wird. Der Zyklus umfasst die sechs raumgreifenden Installationen, darunter eine Arbeit zum Sakrament der Ehe, zu Beichte und Kommunion.

Die sieben Sakramente sind ein wichtiges Motiv in der Kunstgeschichte, und jahrhundertelang haben sich Künstler mit ihrer Darstellung auseinandergesetzt. O'Brien setzt nun die Tradition der Sakramentsdarstellungen in zeitgenössischer Art und Weise fort: mit Fotografien, Skulpturen, realen Objekten, Stickereien und Soundarbeiten. Die Bezugnahme auf religiöse Rituale dient O'Brien vor allem als Vehikel für die Auseinandersetzung mit dem Alltag, seinen Sitten, Riten und Dogmen.

Denn sie bestimmen nach wie vor jeden Bereich unseres Lebens. Der Spannung zwischen religiösen und alltäglichen Ritualen trägt die Ausstellungskonzeption Rechnung, indem sie den Arbeiten Abigail O'Briens Werke der niederländischen Genremalerei gegenüberstellt. Das Genrebild, insbesondere das Interieur, rückt die Darstellung des häuslichen Alltags erstmals in den Mittelpunkt und filtert das für die Gesellschaft Charakteristische aus der alltäglichen Fülle von Handlungen heraus.

Doch handelt es sich dabei nicht nur um die schlichte Dokumentation des Alltags, sondern auch um eine Darstellung des moralisch Vorbildhaften, wie etwa der gesellschaftlich festgeschriebenen Rolle der Frau, die beim Nähen, Sticken oder Apfelschälen, beim Kämmen eines Kindes, beim Hühnerrupfen oder Ausnehmen eines Fisches gezeigt wird. Anders als die Genremalerei des 17. Jahrhunderts löst Abigail O'Brien die Alltagstätigkeiten, die sie ebenfalls mit der Darstellung der Frau verbindet, aus dem häuslichen Umfeld heraus.

Die dargestellten Szenen, die mit Familie, im weitesten Sinne mit Fürsorge und Geborgenheit assoziiert sind, tragen einerseits zwar einen warmen, zuweilen biederen Charakter, ihre Ästhetik aber ist steril, kühl und distanziert. Die Alltagsszenen scheinen isoliert, festgefroren. Dadurch verliert der klassische weibliche Alltag mit seinen Tätigkeiten wie Waschen, Kochen, Briefe-Schreiben oder Handarbeit seinen flüchtigen, banalen Charakter und wird in ein Ritual überführt.

Artikel vom 29.01.2004
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