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Münchner Schüler protestieren gegen das achtjährige Gymnasium
Nichts als Hausaufgaben
Vereinsarbeit, Schulzeit und Freizeit – wenn es nach der bayerischen Staatsregierung geht, soll vor allem bei Kindern und Jugendlichen gekürzt werden. Foto: tab
Schwabing · Sie stehen am Geschwister-Scholl-Platz, mit roten Backen: Kleine Jungs mit bunten Mützen, Mütter in festen Winterstiefeln und 17-jährige Mädchen in dicken Daunenjacken. Alle haben sie ein Anliegen: Das neunjährige Gymnasium erhalten, in München und allen anderen Schulen im Freistaat.
Aber weit schallten ihre Rufe am vergangenen Freitag nicht. Nur rund dreihundert Schüler und Eltern sind dem Aufruf der Schülermitverantwortung des Gymnasiums Unterhaching gefolgt. Vielleicht liegt es daran, dass am Tag darauf wiederum demonstriert wird, diesmal gegen die Sparpläne bei den Jugendvereinen.
Zwar geht im Moment ein Gespenst um in bayerischen Klassenzimmern. Aber noch schreckt es die Betroffenen nicht allzu sehr. Es heißt »G8«, hat viel mit internationaler Konkurrenz zu tun aber nichts mit Gipfeltreffen. »G8« steht für das achtjährige Gymnasium, das von Herbst an die Norm in Bayern darstellen soll.
Als »Qualitätsgymnasium«, wo »Bildungspotential« durch »individuelle Förderung« optimiert wird, preist Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) das Projekt an. Doch es regt sich Protest, denn die Entscheidung für »G8« ist nicht nach gründlichen Debatten zwischen Politikern und Schulen gefallen. Vielmehr hat auch hier der Tausendsassa der Reformen zugeschlagen: Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verkündete die Einführung im Herbst. Das Ziel: Die bayerischen Schüler sollen mit ihren europäischen Altersgenossen gleichziehen.
Denn die studieren oft bereits mit 17, während der durchschnittliche Abiturient hierzulande 19 oder gar 20 Jahre auf dem Buckel hat. Die Einwände von Lehrern gegen eine überhastete Lehrplanverkürzung und mehr Unterrichtsstunden weist Hohlmeier deshalb als unverantwortlich zurück.
Unverantwortlich findet Gaby W., die ihre 10-jährige Tochter auf die Demonstration begleitet hat, was mit der Zeit ihres Kindes passieren soll. »Meine Tochter wird ab dem nächsten Jahr zwei Mal pro Woche Nachmittagsunterricht haben. Das bedeutet noch weniger Zeit für Freizeitaktivitäten. Aber die Schule soll doch keine reine Leistungsanstalt sein! Viele Kinder sitzen ja jetzt schon drei Stunden täglich bei den Hausaufgaben. Bleiben die dann nicht zwangsläufig auf der Strecke?«
Die 10-jährige Becky macht nicht den Eindruck, dass sie schulische Probleme haben könnte. Doch die aufgeweckte Fünftklässlerin ist sich sicher: »Wenn »G8« kommt, hat keiner mehr Zeit für Chor oder Schultheater.« Ihre Freundin Rebecca besucht die sechste Klasse. Auch sie macht sich Sorgen um die Zukunft: »Bei uns werden zwei Jahrgänge gleichzeitig Abitur machen. Wo sollen wir denn dann studieren?« Bei den Sparplänen, die die Staatsregierung für die Universitäten hat, ist das eigentlich eine gute Frage. Meredith Haaf
Artikel vom 15.01.2004Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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