Neues Projekt zur Erinnerung an jüdische Menschen in Bogenhausen vor 1945

Schicksal auf Augenhöhe

Spuren jüdischen Lebens, hier die von den Nazis zwangsenteignete Villa des jüdischen Verlegers Max Hirmer, war Dr. Willibald Karl (M.) bereits in seinem Buch »Die Möhlstraße« auf der Spur. Nun unterstützt er mit Roland Krack (li.) und Wolfram Kastner das

Spuren jüdischen Lebens, hier die von den Nazis zwangsenteignete Villa des jüdischen Verlegers Max Hirmer, war Dr. Willibald Karl (M.) bereits in seinem Buch »Die Möhlstraße« auf der Spur. Nun unterstützt er mit Roland Krack (li.) und Wolfram Kastner das

Die einen gehörten selbst dazu oder gingen etwa mit ihnen in die Gebeleschule. Bei den etwas später geborenen wurde darüber geschwiegen. Und die junge Generation von heute kennt das Kapitel aus der Schule »fast bis zum Überdruss«, wie die Frau mit den Ras

Eines haben die über 25 Menschen gemeinsam, die am Dienstagnachmittag vergangener Woche in der Volkshochschule am Rosenkavalierplatz zusammengekommen sind: Sie wollen mehr wissen über die jüdischen Nachbarn in ihrem Stadtteil, die von 1933 bis 1945 verfolgt, verjagt oder ermordet wurden. »Auf einmal, da waren sie weg« heißt das Gedenk- und Kunstprojekt, das sich ab sofort auf die Spuren der jüdischen Bevölkerung in Bogenhausen vor 1945 begeben will. Denn deren Alltag im Viertel und deren Schicksale während des Naziregimes seien bisher wenig erforscht, wie der Leiter der Volkshochschule Ost, Dr. Willibald Karl, erklärt. Uri Siegel hat den Holocaust überlebt. Der heute 80-Jährige wohnte von 1930 bis 1934 in Bogenhausen und ging dort zur Volksschule, erzählt er, bis er mit seiner Familie nach Palästina auswanderte. 1953 kehrte er nach Deutschland zurück. Das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden damals beschreibt der Jurist als »normal«, an Repressalien kann er sich nicht erinnern. Aus dem persönlichen Schatz der Erinnerungen, »aus dem Dunkel der Geschichte« wolle nun der Historiker Karl die Namen und Biografien der jüdischen Mitbürger holen. Zusammen mit dem Münchner Künstler Wolfram P. Kastner, Bürgern und Einrichtungen wie Schulen aus dem Stadtteil sollen die jüdischen Nachbarn im Rahmen einer ambitionierten Geschichtswerkstatt aus dem Vergessen geholt werden. »Die Lebensgeschichte jüdischer Menschen und ihr Schicksal in der NS-Zeit wird damit persönlich, rückt nahe und auf Augenhöhe«, so Kastner, der bereits in anderen Stadtteilen ähnliche Projekte initiiert hat und »nicht im stillen Kämmerlein Bilder malen will«, wie der 57-Jährige betont, »sondern sichtbar machen, was man sonst nicht sieht.« Das Projekt in Bogenhausen werde sicher aufregend, spannend aber auch bedrückend, glaubt Kastner. Um im nächsten Jahr eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, sei es nötig in Archiven zu recherchieren, Gespräche mit Zeitzeugen zu führen, Texte zu schreiben oder Bilder zu bearbeiten – »ein langer Atem« bei der Spurensuche könne nicht schaden. Wer bei der Bogenhausener Geschichtswerkstatt mitmachen oder sich auch als Zeitzeuge beteiligen möchte, kann sich bei Wolfram Kastner unter Tel. 157 32 19 melden. Michaela Schmid

Artikel vom 22.10.2003
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