Ist Bogenhausen behindertenfreundlich? Kinder unternahmen »Stadtteilcheck«

Auf Herz und Rampen

»Ganz schön anstrengend«: Kinder beim behindertenfreundlichen Stadtteilcheck in Bogenhausen. Foto: rme

»Ganz schön anstrengend«: Kinder beim behindertenfreundlichen Stadtteilcheck in Bogenhausen. Foto: rme

Parkstadt Bogenhausen · »Aua!« Der kleine Michael reibt sich den Schädel. Soeben hat er eine leichte Kollision mit einem Briefkasten gehabt. Ein sehendes Kind hätte die gelbe Box natürlich schon von weitem erspäht.

Aber Michael ist blind – wenn auch zum Glück nur vorübergehend. Um sich wirklich einmal in die Lage eines blinden Menschen versetzen zu können, trägt er nämlich eine dicke schwarze Augenbinde. Ein Blindenstock soll ihm helfen, sich zu orientieren. Doch was nützt der, wenn der Briefkasten aufgehängt und nicht am Boden zu ertasten ist? Im Rahmen des Ferienprogramms des Kindertreffs an der Scherfstraße prüfen neun Bogenhauser Kinder heute ihren Stadtteil »auf Herz und Rampe«: Wie behindertenfreundlich ist er? Welche Probleme stellen sich hier für Rollstuhlfahrer, Sehbehinderte und Gehörlose? Um deren Schwierigkeiten überhaupt nachvollziehen zu können, haben sich die Kinder teils mit Ohrstöpseln, teils mit Augenbinden oder »Rollis« ausgerüstet auf den Weg gemacht. Zu Beginn sind alle begeistert: »Rollstuhl fahren, das ist voll einfach und bequem«, verkündet Jonas. Doch schon nach wenigen Metern kommt er ins Schwitzen und nimmt die Beine zu Hilfe, um schneller vorwärts zu kommen. Noch schwieriger wird es, als der erste Randstein naht. »Ihr könnt nur dort die Straße überqueren, wo der Bordstein abgesenkt ist«, erklärt Projektleiterin Sylvia Schlund vom Kreisjugendring (KJR) München-Stadt. Derweil suchen die »blinden« Kinder an der Kreuzung Stuntz-/ Walpurgisstraße vergeblich nach Ampeln mit Summton. »Diese Stelle ist wirklich heikel, hier gibt es null Hilfsmittel für Behinderte«, so das Resümee der Projektleiterin, das sogleich in eine »Checkliste« eingetragen wird. Denn die Beobachtungen auf diesem außergewöhnlichen Rundgang sollen in eine Broschüre für behinderte Kinder und Jugendliche in München einfließen. Das Projekt läuft seit Mitte Juni in verschiedenen Stadtteilen – geplant ist kein flächendeckender, empirischer Führer, sondern eine exemplarische Studie von Kindern für Kinder. Von Station zu Station entwickeln die Kinder mehr Gespür dafür, wo’s in Bogenhausen noch hapert: viel zu enge Durchgänge, fehlende Rampen, Aufzüge, Geländer, Beleuchtungen, Ton- und Lichtsignale werden genau registriert. Und natürlich steht auch die Hilfsbereitschaft der Mitmenschen auf dem Prüfstand! Vor dem Laden begegnet die Truppe zufällig einer »echten« Behinderten: einer freundlichen älteren Dame in einem Elektro-Rollstuhl, die sofort mit Fragen bombadiert wird – Praxisstudien also auf vielen Gebieten, die sicher nicht nur der Behinderten-Broschüre zugute kommen, sondern auch den beteiligten Kindern neue Perspektiven eröffnen. rme

Artikel vom 05.09.2003
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