Theater »Spieldose« präsentiert »Die schöne Ileana«

Schließung abgewendet

Schön ist anders: Prinzessin Ileana.

Schön ist anders: Prinzessin Ileana.

Die schöne Prinzessin Ileana ist so hässlich wie die Nacht:

Die verfilzten Stahlwolle-Haare stehen ihr zu Berge, aus dem aufgequollenen Schmollmund blitzen kariöse Dracula-Zähne, die knochigen Arme reichen fast bis zu den Füßen.

Und doch hat Ileana etwas, was ihre beiden ebenso unansehnlichen Schwestern nicht haben: Raffinesse und einen ausgeprägten Sinn für Grausamkeit. Die »Schöne« kennt keine Gnade gegenüber dem armen Kaisersohn aus dem Nachbarreich, der sie doch nur »ein klein wenig verführen und entehren« möchte. Mit Messerstichen und ätzenden Essigverbänden für seine Wunden treibt sie den Schwerenöter schließlich soweit, dass er ihr aus Rache sämtliche Körperteile abhackt – obwohl er das eigentlich in seinem tiefsten Inneren gar nicht will. Und noch schlimmer: Sie gönnt ihm nicht einmal die Freude, sie endlich zerstückelt zu haben, denn...

Aber das sehen Sie selbst, wenn Sie in nächster Zeit das zweite Stockwerk des Künstlerhauses am Lenbachplatz erklimmen, immer der roten Schnur nach, die geradewegs in die »Spieldose« führt. Das gleichnamige Figurentheater, das dort seit dem Wiederaufbau des Gebäudes 1961 residiert, hat in diesem Jahr mit »Ileana« schon die zweite Neuinszenierung auf die Beine gestellt. Und das, obwohl die rund 20 Mann und Frau starke Truppe nur in ihrer Freizeit und rein ehrenamtlich »die Puppen tanzen lässt«.

»Wir bemühen uns dieses Jahr um eine möglichst durchgehende Bespielung«, erklärt Finanzchefin Michaela Hundt, »mit Gastpielen und natürlich mit Neuinszenierungen.«

Dass sich die sogenannten »Spieldösler« heuer so ganz besonders ins Zeug liegen, hat einen triftigen Grund: Es geht nämlich um »Sein oder Nichtsein« des traditionsreichen kleinen Theaters, das 1955 von Studenten der Münchner TU gegründet wurde. Bis letztes Jahr hatte das Kulturreferat die Miete im Lenbach-Haus gezahlt. Doch dann kam die städtische Finanzmisere und der Mietvertrag wurde Hals über Kopf gekündigt. Die Spieldose schien ausgespielt zu haben.

Aber so schnell gaben die engagierten Puppenspieler, unter denen heute kaum mehr Studenten zu finden sind, nicht auf. »Wir haben neue, günstige Konditionen mit dem Künstlerhaus ausgehandelt, Sponsoren aufgetrieben und erheben jetzt Eintritt für unsere Vorstellungen«, erzählt Michaela Hundt.

Für die »Ileana« stand unter anderen der Bezirksausschuss Altstadt-Lehel Pate. Mit 1520 Euro unterstützte er die Inszenierung des neuen Theaterleiters Daniel Sell, für die auch ein Projektor angeschafft werden musste. Denn das ursprünglich aus Rumänien stammende Märchen von der ebenso schlauen wie sadistischen Prinzissin ist in der Spieldose als Multimedia-Event inszeniert: als Gemisch aus Erzählung, Figurentheater, Musik und Video-Animation.

Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die skurrilen Figuren von Britta Schopf mit ihren dreigliedrigen Armen und stacksigen Beinen kaum wirklich agieren können. Doch zusammen mit der ebenso skurrilen und irrationalen, aber glänzend vorgetragenen Erzählung und den drastischen Projektionen (fliegende Pfeile, abgeschnittene Körperteile etc.) bilden sie eine sehr wirkungsvolle, organische Einheit.

Ein Besuch in der Spieldose lohnt sich also. Und wem nicht unbedingt nach zwischenmenschlichen Grausamkeiten à la Ileana zumute ist, der kann sich auf die nächste Inszenierung freuen: »Der gestiefelte Kater« als »Stück im Stück«.

»Ileana«-Vorstellungen finden noch bis zum 5. Juli jeweils mittwochs und samstags um 20 Uhr statt. Infos und Reservierungen unter Tel. 59 13 37 oder unter www.die-spieldose.de. Interessantes aus den Stadtvierteln auch unter www.wochenanzeiger.de.

Artikel vom 18.06.2003
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