Erste Kunstausstellung in der Psychiatrischen Tagesstätte Sonnenhaus

Kunst kann heilen

Stephanie Richardi ist stolz auf die Arbeiten der Kunstgruppe des »Sonnenhauses«.

Stephanie Richardi ist stolz auf die Arbeiten der Kunstgruppe des »Sonnenhauses«.

Riesengroß ist der bunte Käfer. Riesengroß und ziemlich lang ist auch die Zunge des dicken Brummers, gierig ausgerollt in Richtung kleinerer Krabbler, die angesichts der Bedrohung in alle Richtungen flüchten.

Die bizarre Szene, kräftig hingestrichelt mit lila, roten, gelben und orangen Holzbuntstiften, wirkt wie aus einem schön-schaurigen Kinderbuch. Das süße Albtraumbild ist Teil einer ganz besonderen Ausstellung, die am Freitag in der »Psychiatrischen Tagesstätte Sonnenhaus«, Denninger Straße 225, eröffnet wurde – als »Schritt in die Öffentlichkeit«, so Leiterin Stephanie Richardi.

Aufmerksam machen will die Sozialpädagogin auf die Anlaufstelle für chronisch psychisch kranke Erwachsene, »denn wir müssen uns nicht verstecken«, so die 27-Jährige. Im ganzen Stadtbezirk Bogenhausen gebe es nichts Vergleichbares, betont Richardi. Seit fünf Jahren gibt es das Sonnenhaus im Rahmen des Sozialpsychatrischen Dienstes Bogenhausen. Im Mai letzten Jahres zog die Tagesstätte in einen freundlichen Würfel aus Holz und Glas an der Denninger Straße.

Die Einrichtung mit 25 Plätzen, Träger ist die Innere Mission, arbeitet nicht therapeutisch, sondern »niederschwellig« – also möglichst unkompliziert und unbürokratisch. Dabei gehe es darum, eine Alltagsstruktur aufrechtzuerhalten und Kontakte zu knüpfen. So oft sie wollen, also jeden Tag oder mehrmals pro Woche, können die »Klienten«, wie Richardi die Besucher nennt, zu festen Veranstaltungen kommen.

Die oft jahrelang psychisch Kranken im Alter von 30 bis 70 Jahre »verbringen den Tag mit uns«, so Richardi. Angeboten werden verschiedene Kurse und Gruppen wie Spielen, Backen, Bewegung, Musik oder eben Malen, »eine der beliebtesten Gruppen« erzählt die junge Leiterin.

Dabei komme es nicht auf die Diagnose, also etwa Depression oder Schizophrenie an, sondern darum »Fähigkeiten zu fördern und zu wecken« und darum, etwas aus den Klienten rauszukitzeln, was sie selbst nicht vermutet hätten – und das auf den verschiedensten Gebieten.

Davon zeugen auch die Bilder, Gedichte und Skulpturen, die noch bis 27. Juni zu sehen sind – entstanden im Rahmen der Kunstgruppe der Einrichtung, geleitet vom Künstler Serge Vollin, selbst psychisch krank. Auch Leute, die früher nie gemalt hätten, greifen hier zum Pinsel oder Stift, erzählt Richardi.

Die entstandenen Werke würden aber nicht interpretiert, es gehe um das »Herantasten und Ausprobieren«, außerdem: »Kunst kann heilen und beruhigen«, ist Richardi überzeugt. ms

Artikel vom 18.06.2003
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...