Die Geschichte eines Stadtteils

Moosach

Dies geschah über Neuhausen nach Moosach, von wo einerseits ein alter Weg über Dachau nach Augsburg führte und andererseits die Verbindungsmöglichkeit über Menzing und Esting bestand.

Dass die Hauptverkehrsstraße nach Augsburg über Neuhausen führte und nicht über das ältere Pasing, wird bewiesen durch die Forstsetzung der Kaufingerstraße nicht nach Westen, sondern nordwestlich Richtung Neuhausen, und dass der Straßenzug in München und das 1315/19 errichtete Stadttor den Namen Neuhausens und nicht den von Pasing bekamen. An dieser neuen Verbindung zwischen Neuhausen und Moosach lag Nederling, dessen Entstehungszeit jedoch unklar ist.

Die erste Nachricht über Nederling erhalten wir aus der ältesten Besitzliste des Klosters Dießen 1362/63, wonach das Kloster 1 curia [Hofstätte] besaß, auf dem 1365 Heinrich Neumayr von Neuhausen saß. Der Dießener Hof musste 1400 zwei seck rocken, zwei seck gersten, fünf haber an das Kloster als Pacht abführen. Den zweiten Nederlinger Hof finden wir erstmals in einer Urkunde vom 5. 11. 1404.

Danach verkauften Stephan der Podmner zu Sleyzhaym [Schleißheim] und seine Hausfrau Kristein an Jörg den Katzmayr, Bürger zu München, und seine Hausfrau ihre von Hanns dem Pücher erworbenen Güter zu Noederling, Ger. Dachau. Pücher hat also Ende des 14. Jhs. das Untereigentum (Nutzungseigentum) beider Nederlinger Höfe an sich gebracht. Am 19. 3. 1405, übergab Stephan Podmer, Richter zu Dachau, seine Görig dem Katzmair verkauften Höfe zu Nederling in Dachawer gericht auf dem geuilld [Gfild].

Die Nederlinger Höfe waren auf dem steinigen Boden nicht sehr ertragreich. 1450 war der Dießener Hof öd und in der Beschreibung von 1480 wird er erst gar nicht erwähnt, war also nicht besetzt. Auch später gab es sehr häufig Pächterwechsel, was sich bei den Eigentümern nach der Säkularisation von 1803 fortsetzte. 1818 kam der Dießener Hof sogar auf die Gant. 1845 kauften Johann und Ursula Reindl aus dem Pentenrieder Schwaigergeschlecht das Anwesen von dem ehem. Chirurgen Georg Baader.

Ihr Sohn Mathias Reindl bepflanzte 1900 einen Teil der heutigen Baldurstraße mit Ahornbäumen, weshalb die Straße 1906 bis zur Eingemeindung in dem zur Moosach gehörigen Teil Reindlstraße hieß. 1914 schließlich verkaufte dessen Sohn Josef Reindl, der 1901 übernommen hatte, das Anwesen Nederling Hsnr. 2 krankheitshalber und ohne männlichen Nachkommen an den bereits seit dem Vorjahr auf dem anderen Nederlinger Hof begüterten Bankier Salomon Gutmann.

Aus diesem anderen schindelen tachenen [schindelgedeckten] Hof verschrieben am 22. 6. 1431 das Ehepaar Heinrich und Margret Ringer 2 ungar. fl. Ewiggeld zum Altar der 10 000 Märtyrer bei St. Peter in München. Nach ihrem Tod sollte der Hof ganz an den Altar fallen, dessen Mitstifter sie waren. Dies scheint 1450 eingetreten zu sein, denn in diesem Jahr ist Hans Haug als Grundholde hinter der Messe der 10 000 Märtyrer und dem hl. Achaz zu St. Peter verzeichnet. Auf diesem St. Peter zu München gehörigen Hof saß etwa 1574 – 1743 die Familie Frimmer.

Erst als die Frimmer im Mannesstamm ausstarben, heiratete die Frimmertochter Maria das Gut 1787 dem Jakob Ballauf aus Feldmoching an. Der Hausname Frimmer aber blieb. Der letzte Nederlinger Ballauf veräußerte ab 1861 laufend Grundstücke an die seit 1836 in Nymphenburg ansässigen »Englischen Fräulein«, womit die Zertrümmerung der Nederlinger Gründe einsetzte. Am 24. 10. 1887 verkaufte Georg Ballauf schließlich das Restgut mit 147,92 Tgw. (1812 waren es noch 198,11 Tgw.) an den Kaufmann Leonhard Schreiber aus Elberfeld. Doch der gab das Ganze zum selben Preis schon am 21. 4. 1888 weiter an den auch in Moosach (Riegerhof) und Ludwigsfeld begüterten Oberst a. D. Max von Lutz. Er verkaufte am 20. 5. 1893 37,12 Tgw. für den geplanten Westfriedhof. Vor allem die Friedhofs-Erweiterungen nach Westen ab 1910 gingen dann weitgehend zu Lasten der Nederlinger Äcker.

Bei der Volkszählung am 1.12.1875 wurden in Nederling 28 Einwohner, 9 Pferde und 43 Stück Rindvieh festgestellt. Wiewohl zur Gemeinde Moosach gehörig, gingen die Kinder damals in Nymphenburg zur Schule, wo auch die zuständige Post war. Nach wie vor aber gehörte der Weiler noch zur Pfarrei und zum Kaminkehrerbezirk Feldmoching.

Als München um 1900 eine Pferderennbahn bekommen sollte, war kurze Zeit auch Nederling als möglicher Standort im Gespräch. 1913 erwarb der Bankier Salomon Gutmann den Frimmerhof, ergänzte seinen Besitz 1914 durch Zukauf des Dießener Hofes und vereinigte beide Anwesen zum Gut Nederling. Hier entstand 1920 das Staatl. Versuchsgut Nederling für Pflanzenbau und Pflanzenschutz der Technischen Hochschule München. 1937 wurde das Gut als jüdisches Eigentum von den Nazis konfisziert und am 15. 3. 1937 von der Stadt München für 1 033 887 RM erworben. 1939 gab die Versuchsanstalt einen Teil der landwirtschaftlichen Flächen auf und verlegte die Verwaltung vom Frimmerhof in den Dießener Hof.

Im Herbst 1939 zog auf dem Frimmerhof Nikolaus Mühling auf, der dort bis zum 1. 12. 1958 eine Schweinezucht betrieb. Nach dem II. Weltkrieg, in dem u.a. am 7. 1. 1945 eine Luftmine im Dießener Hof erheblichen Sachschaden verursachte, mussten die Liegenschaften im Wiedergutmachungsverfahren von der Stadt noch einmal abgelöst werden. Seit 1962 dienen die Wohn- und Betriebsgebäude Baldurstr. 64 der Stadtgartendirektion als Außenstützpunkt.

Als Ersatz für die am Hirschgarten in Wegfall kommenden Kleingärten wurde 1941 nordwestlich des Guts auf dem ehem. Versuchsfeld eine Ersatzfläche für 325 Gärten ausgewiesen und gleich mit dem Bau der ersten 100 Gärten begonnen. Die Fertigstellung der gesamten heutigen städt. Kleingartenanlagen NW 12 und 19 in dem Bogen Nederlinger Straße/Wintrichring dauerte jedoch bis in die 50er Jahre. Südwestlich davon befinden sich auf einst Nederlinger Flur die Anlagen des Postsportvereins e.V. als Ersatz für den Postsportplatz in Neuhausen. Südlich daran anschließend (Wintrichring 84/In den Kirschen 1) war von 1967 bis zum Ende des Schuljahres 2000/01 auf einer Fläche von 33.000 m2 die 1826 von König Ludwig I. ins Leben gerufene Bayer. Landesschule für Blinde untergebracht.

An der einstigen Straße von Neuhausen nach Moosach steht Ecke Nederlinger Straße die über 600 Jahre alte, 1980 eingehend sanierte, ca. 20 m hohe Röth-Linde mit einem Kronendurchmesser von bis zu 25 m, unter der der in Gern wohnhafte Landschaftsmaler Philipp Röth (1841-1921) auf seinen Malstreifzügen durch die Gerner und Nederlinger Gegend gern saß und die er auch mehrfach zeichnete und malte.

Artikel vom 28.05.2003
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...