Letzten Donnerstag war der letzte Ausleihtag in der Stadtbibliothek in der Au

»Keine Lust auf Gasteig«

Gerlinde Zimmermann (r.) und ihre Mitarbeiterinnen wollen sich mit einem Fest verabschieden.	Fotos: ms

Gerlinde Zimmermann (r.) und ihre Mitarbeiterinnen wollen sich mit einem Fest verabschieden. Fotos: ms

Au · Sanft lockend dringt die Aprilsonne an diesem Nachmittag durch die großen Glasfenster.

Doch trotz idealer Bedingungen: Vanessa (7), Jessica (8), Ruth (8) und ihre Schwester Martha (11) haben gerade keine Lust auf »draußen«, auch wenn Martha die Rollschuhe schon angeschnallt hat. Tief stecken sie alle gemeinsam ihre Nasen in ein Bilderbuch. »Etwa dreimal die Woche« besuchen die Freundinnen die Stadtbibliothek an der Ohlmüllerstraße in der Au, um zu schmökern, zu ratschen, zu spielen und Bibi-Blocksberg-Cassetten oder Comics auszuleihen. Vergangenen Donnerstag vorerst das letzte Mal. Denn am 17. April war in der Auer Stadtteilbücherei der letzte Ausleihtag. Wie berichtet, wird sie aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom 2. April zum 31. Mai geschlossen. Seit Dienstag ist bei gekürzten Öffnungszeiten nurmehr die Rückgabe möglich. Gerlinde Zimmermann, seit neun Jahren Leiterin der Stadtbibliothek, wird dann mit ihren sechs Mitarbeitern Bücherkisten packen. Was gut erhalten ist, wandert in andere Filialen, der Rest wird am Bücherflohmarkt bei der großen »AU-Weh«-Abschiedsparty am 17. Mai verkauft. Doch noch läuft der Betrieb. »Heute ist letzter Ausleihtag« macht Zimmermann eher beiläufig einen jungen Mann an der Theke aufmerksam. »Ja, dann schau ich lieber nochmal«, murmelt der und verschwindet wieder zwischen den noch prall gefüllten Bücherregalen, wo Schilder wie »Nervenkitzel« oder »Rund ums Wohnen« den Weg weisen – leserfreundlich sortiert. Doch neben 32.000 Medien aller Art gab es auf den 250 Quadratmetern seit Jahren regelmäßig Veranstaltungen für Groß und vor allem Klein: das »Wundertütchen« mit Vorlesen und Basteln, auch auf Englisch oder gar eine Kriminacht mit Übernachten in der Bücherei. Mehr als nur Sammelstelle für Lesestoff war sie – fungierte »traditionell als kulturelles Zentrum«, so der Bezirksausschuss (BA) Au-Haidhausen in seiner Sitzung am 19. März. Weiteres BA-Argument im Kampf gegen Schließung der Stadtteilbücherei: Ihr Einzugsbereich reiche weit über die Au hinaus, das belegten auch die guten Ausleihzahlen. Bestes Beispiel: Harald Ortner. Seit Jahren radelt der Postbeamte von seiner Wohnung in der Klenzestraße in die Au. So wie heute sitzt der 28-Jährige meist in der Presseecke und durchforstet in aller Ruhe die Zeitungen. Hier gehe es eben persönlich zu, außerdem müsse er hier seine Tasche nicht abgeben. Im Gegensatz zum Gasteig. »Zu unübersichtlich« findet er die Zentralbibliothek, mit dessen Nähe zur Auer Filiale die Schließung begründet wurde. Der Gasteig ist für Ortner kein Ersatz: »Darauf habe ich keine Lust!« ms

Artikel vom 23.04.2003
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