1. Kulturabend der Tagesstätte an der Herrnstraße

Geballte Kreativität

Altstadt · Hana Minutillo ist die Mutter von Marco. Und sie ist eine in ganz Europa gefeierte Opernsängerin.

Diese beiden »Jobs« miteinander zu verbinden, ist ihr wahrscheinlich selten so leicht gefallen wie heute, beim Kulturabend der Kindertageseinrichtung an der Herrnstraße. Hier steht die Mezzosopranistin nämlich einmal »ganz speziell« für ihren fünfjährigen Sohn auf der Bühne – und natürlich auch für die 150 anderen Kinder, die wie Marco die Tagesstätte besuchen.

Ihnen allen soll der Erlös des Kulturabends zugute kommen, bei dem die Mitwirkenden eben »nicht nur« Künstler, sondern zugleich auch Eltern sind. »Als es im letzten Jahr hieß: ›Die städtischen Kassen sind leer‹, da haben wir uns gedacht: ›Jammern nützt jetzt nicht viel, wir müssen selber was unternehmen‹ «, erklärt Judith Collier, die Leiterin der Tagesstätte. »Uns ist damals aufgegangen, welches enorme künstlerische Potential wir hier unter den Eltern haben«, schwärmt sie. »So etwas muss man einfach nutzen.«

In der Tat scheint die Elternschaft der Kindertagesstätte eine wahre »Künstler-Fundgrube« zu sein: Während Hana Minutillo mit ihrer vollen, dunklen Stimme als »Carmen« bezaubert, begeistert die Musicalsängerin Katrin Weiher zusammen mit ihrem Kollegen Georg Thaller durch ein komödiantisch-spritziges Operetten-Feuerwerk. Leisere, aber sehr humvorvolle Töne schlagen die Lyriker Ludwig Steinherr und Neftel Cumart an, die Kostproben aus ihren Werken zum Besten geben. Michael Rieber, der im Orchestergraben der Staatsoper als Solo-Kontrabassist agiert, entlockt seinem wuchtigen Instrument ungewohnt zarte Töne und tänzerische Weisen, während die Jazz- und Chanson-Sängerin Julia von Miller zusammen mit der Band »Big Escape« für eine erotisch-kokette Abrundung des Abends sorgt. »Ich kannte die anderen Eltern bisher hauptsächlich vom Spielplatz«, gesteht sie. »Dass es hier so viele Künstler gibt, habe ich gar nicht gewusst. Aber es ist toll, sie endlich persönlich kennenzulernen«.

Woran liegt‘s, dass gerade in dieser Tagesstatte so viel künstlerisches Potential vorhanden ist? »Reiner Zufall«, meint Vincenzo Minutillo, der federführend an der Organisation des Kulturabends beteiligt war. Doch Ludwig Steinherr hat da noch eine andere Theorie: »Die Tagesstätte liegt eben sehr günstig für Eltern, die in der Oper oder im Theater beschäftigt sind.«

Zudem werde hier besonders großer Wert auf die musische Erziehung und die kreative Entfaltung der Kinder gelegt, ergänzt Judith Collier. Dazu tragen vor allem phantasieanregende Themenschwerpunkte wie »Mittelalter« oder »Steinzeit« bei, mit denen sich die je 3 Kindergarten- und Hortgruppen über mehrere Wochen oder sogar Monate hinweg beschäftigen.

»Das ist hier einfach keine Aufbewahrungsstätte«, fasst Ludwig Steinherr die Vorzüge der Städtischen Einrichtung zusammen. Dann klemmt er sich seine Aktentasche unter den Arm und erklimmt die Bühne. Er liest aus einem noch nicht veröffentlichten Gedichtzyklus »Vor aller Zeit«, entstanden vor 6 Jahren während der »Erwartung und Ankunft« seines Sohnes Ludwig junior.

Der träumt zu Hause in seinem Bettchen vermutlich gerade süße Träume, ebenso wie all die anderen Kinder »von der Herrnstraße«. Dass zumindest einige dieser Träume von unbeschwertem Spielen, Basteln und Singen in Erfüllung gehen können, dafür sorgen die Eltern mit diesem ersten Kulturabend. – Und so begeistert, wie die Reaktionen des Publikums sind, wird es sicher nicht der letzte Abend sein... rme

Artikel vom 20.03.2003
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