Narrenpredigt von Pfarrer Ulrich Haberl-Wieberneit ging den Besuchern nahe

Christ mit Narrenkappe

»Zwar fand ich keine Narrenkappe, jedoch das Hütchen hier aus Pappe. Zur Narrenpredigt passt’s grad recht, ergänzt auch den Talar nicht schlecht«, fand Pfarrer Ulrich Haberl-Wieberneit in seiner Predigt.	Foto: Privat

»Zwar fand ich keine Narrenkappe, jedoch das Hütchen hier aus Pappe. Zur Narrenpredigt passt’s grad recht, ergänzt auch den Talar nicht schlecht«, fand Pfarrer Ulrich Haberl-Wieberneit in seiner Predigt. Foto: Privat

Lerchenauer See · »Herr Pfarrer, jetzt wird’s zu bizarr! Ein Christenmensch ist doch kein Narr!« Doch Pfarrer Ulrich Haberl-Wieberneit, aus dessen Feder dieser Vers stammt, sieht da keinen Widerspruch.

Deshalb hat er seine Predigt am letzten Sonntag in der Kapernaumkirche am Lerchenauer See mal ganz anders gestaltet: in Form einer Narrenpredigt. »Er hat sich sehr viel Mühe gegeben«, ist Claus Vogdt aus Fasanerie-Nord begeistert. »Mühe, die sich fast niemand mehr macht.« Eine Mühe, die sich aber lohnt. Vogdt schätzt, dass mehr als doppelt so viele Gottesdienstbesucher in der Kirche waren als an normalen Sonntagen. Aufmerksam verfolgten sie die teils ernste, teils heitere Predigt, die Haberl-Wieberneit vollständig in Reimform verfasst hat. Gertraud Heinze aus der Lerchenau hat für sich die Aussage erkannt, aber: »Man muss da schon ein kleines bisschen mitdenken.«

Die Botschaft hat Haberl-Wieberneit nicht hinter Floskeln versteckt, sondern klar in seine Predigt eingebaut. Demnach sind Christen und Narren einander ähnlicher, als man auf den ersten Blick vermuten mag. »Warum man oft nicht gleich die beiden / kann klar und deutlich unterscheiden / das liegt wohl hauptsächlich daran / dass man sie Träumer nennen kann«, hob der Pfarrer in seiner Predigt hervor. Beide würden sie davon träumen, Neues zu versuchen und Bekanntes kritisch zu hinterfragen.

Die Narren würden sich dabei der Parodie und der Maskerade bedienen. So würden sie sich über die Obrigkeit lustig machen, die ja auch nicht immer so handele, wie es sich die Christen wünschen würden. Auch auf die aktuelle Situation ging der Pfarrer in seiner durchaus ernsten Predigt in Versform ein: »Von Bismarck bis George Double-U / hält man nur Stärke für den Clou.« Närrische Worte mit völlig unnärrischem Inhalt. Zugleich warnte er vor jeder Art militärischer Auseinandersetzung: »Im Krieg trifft ja die größte Qual / die kleinen Leute ohne Zahl.«

»Ich war persönlich sehr berührt«, stellte Vogdt nach der Predigt fest, und das ging auch vielen anderen Gottesdienstbesuchern so. Jeder hat seine ganz persönliche Botschaft aus der Narrenpredigt gezogen. Für Kerstin Dülp aus Feldmoching war eine zentrale Aussage, dass Menschen, die in irgendeiner Form anders sind, oft einfach nicht dazugehören. Auch die Jugend wird oftmals als »anders« empfunden. Umso schöner, dass die Narrenpredigt auch bei ihr gut angekommen ist. So steht für die 17-Jährige Heike Hennrich aus der Siedlung Lerchenauer See, die öfters den Sonntagsgottesdienst besucht, schon jetzt fest: »Nächstes Jahr bin ich bei der Narrenpredigt wieder dabei.« cr

Artikel vom 05.03.2003
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