Hörende und hörbehinderte Schüler lernen gemeinsam am Gisela-Gymnasium

»Stille Welten«

Auch Hörbehinderte können Abitur machen, wenn man ihnen entsprechende Arbeitsbedingungen ermöglicht. Liona, Ines und Ireneusz machen es vor.	Foto: aw

Auch Hörbehinderte können Abitur machen, wenn man ihnen entsprechende Arbeitsbedingungen ermöglicht. Liona, Ines und Ireneusz machen es vor. Foto: aw

Schwabing · Liona, Ines und Ireneusz sind Schüler des Schwabinger Gisela-Gymnasiums. Eigentlich nichts Besonderes. Und doch gibt es etwas, das die drei von ihren Mitschülern unterscheidet: Die beiden 12.-Klässlerinnen und der 10.-Klässler sind hörbehindert.

Bereits seit 1984 gibt es sogenannte Integrationsklassen am Gisela-Gymnasium: »Damals kamen Eltern von Hörgeschädigten mit der Bitte an das Ministerium, Übertrittsklassen zu schaffen«, erzählt der Lehrer Johannes Netter. Bis dahin gab es für Hörbehinderte nur die Möglichkeit die Mittlere Reife zu absolvieren. Der Weg zum Abitur blieb ihnen versperrt.

Für das Gisela-Gymnasium war dies eine »Herausforderung«, wie Netter betont. Und bis heute ist es bundesweit das einzige Gymnasium, das solche Integrationsklassen anbietet. Nach der 10. Klasse können nun hörbehinderte Realschüler hierher wechseln und werden dort zusammen mit »hörenden« Jugendlichen unterrichtet.

Die Räume hierfür sind schallisoliert und mit Kopfhörern ausgestattet. Zudem bestehen die »Integrationsklassen« aus maximal 12 Schülern, von denen alle im Halbkreis sitzen, um sich gegenseitig von den Lippen ablesen zu können. Zwei der Lehrer, Eva Hirschl und Max Dimpflmeir, sind selbst hörgeschädigt und kennen daher die Problematik ihrer Schüler aus eigener Erfahrung. Dimpflmeir war sogar einer der ersten Schüler, der eine Integrationsklasse des Gisela-Gymnasiums besuchte.

Um nun den »hörenden« Schülern ihre Hörbehinderung näher zu bringen, haben Liona, Ines und Ireneusz das Projekt »Stille Welt« ins Leben gerufen. Es gab unter den Giselanern immer wieder die Fragen »Was ist Schwerhörigkeit?« – »Woher kommt sie« – »Wie wird der Unterricht abgehalten«, erzählen die Drei.

So entstand vor etwa einem Jahr die Idee, in die einzelnen Klassen der Schule zu gehen, um den Schülern all diese Fragen zu beantworten. »Dabei erzählen wir, wie wir zu unserer Hörbehinderung gekommen sind und wie wir damit leben«, sagt die 17-jährige Ines.

Die bisherige Resonanz ist sehr gut. »Die Mitschüler sind viel freundlicher und offener geworden und sie gehen sicherer auf uns zu, weil sie wissen, worum es geht«, betonen die Drei. Auch Schulleiterin Marianne Achatz ist begeistert. »Daran sieht man: Wir am Gisela-Gymnasium gehören zusammen.«

Erschwert wird die Arbeit der Integrationsklassen lediglich durch finanzielle Probleme. »Wir leiden immer unter Geldnöten«, erzählt Frau Achatz. Das Gisela-Gymnasium ist deshalb auf Spenden dringend angewiesen, um die veralteten technischen Anlagen, die für den Unterricht benötigt werden, zu erneuern. aw

Artikel vom 21.11.2002
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