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Was junge Leute aus der Maxvorstadt von Politik und Bundestagswahl halten
Und wer denkt an uns?
Unterschiedliche Erwartungen an Politik (1. Reihe v.l.n.r.): Michael, Jounes, Tina, Ana und Ivana. Foto: rme
Maxvorstadt · »Der ideale Politiker müsste grundsolide, ehrlich und ungekünstelt sein«, meint Tina (19), Stammgast im Internet-Café »Netzwerk« des Kreisjugendrings an der Luisenstraße.
Und sie fügt achselzuckend hinzu: »Aber solche Leute gibt es ja leider nicht. Die kämpfen doch alle nur um Macht, nicht darum, dass es den Menschen besser geht.« Deshalb will Tina am Sonntag nicht zur Wahl gehen. Enttäuschung und Verbitterung sind herauszuhören, als sie mit hochgezogenen Brauen erklärt: »Das ganze falsche Gelabere interessiert mich nicht.« Michael (17), der am PC nebenan gerade einige Fabelwesen auf dem Bildschirm abschießt, sieht das anders.
Er würde einiges darum geben, schon ein Jahr älter zu sein und wählen zu dürfen. »Man muss sich auf jeden Fall informieren«, sagt er, während er »nebenbei« ein paar grüne Männchen in den Abgrund befördert.
Doch dann stoppt der Lockenkopf mit dem schwarzen Leder-Schlapphut das Bildschirm-Bombardement und erklärt mit ernster Miene: »Das wichtigste für Deutschland ist doch die Jugend. Und trotzdem fängt man genau da mit dem Streichen an.« Dabei wäre es umgekehrt notwendig, gerade in die Bildung mehr zu investieren, findet er.
Vor allem in die pädagogische Ausbildung der Lehrer, durch deren unerbittlichen, langweiligen »Frontalunterricht« viele Schüler auf der Strecke bleiben. »Außerdem sollten die Politiker lieber bei sich selbst und beim Wahlkampf sparen als an den Jugendeinrichtungen«, ärgert sich Michael. Ana und Ivana (beide 15) stimmen ihm zu. Auch sie würden sehr gerne wählen gehen, wenn sie dürften. »Ich glaube, wir wissen mehr über Politik als viele Erwachsene«, erklärt Ana, »denn wir lernen das ja alles in der Schule. Aber wir dürfen nicht mitentscheiden.«
Wenn sie in der Politik etwas zu sagen hätten, dann würden Ana und Ivana auf jeden Fall mehr Freiheiten für Jugendliche durchsetzen: Mitsprache bei der Zulassung von Computerspielen zum Beispiel, oder bei der Festsetzung von Altersgrenzen für Filme. Und natürlich müsste es in München viel mehr Jugendeinrichtungen wie das »Netzwerk« geben.
Jounes (28), der gerade seine Bewerbungsunterlagen ausdruckt, hat dagegen ganz andere Sorgen: Er möchte vor allem eine gerechte Familienpolitik und eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die ihn selbst massiv bedroht. Gerade wegen seiner arabischen Abstammung ist ihm aber auch das Thema Irak sehr wichtig. Einen Angriff gegen Sadam Hussein hält er für »vollkommen falsch und sinnlos«, und will von dieser Frage auch seine Wahlentscheidung abhängig machen.
Es ist das erste Mal, dass Jounes, der seit über 10 Jahren in Deutschland lebt, auch hier wählen darf. »Seit ich vor einem Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen habe, beschäftige ich mich noch mehr mit Politik«, beteuert er. »Ich halte das für meine Pflicht als Bürger, genauso wie das Wählen selbst.« Und ein zustimmendes Nicken von allen Seiten zeigt, dass die meisten Jugendlichen im »Netzwerk« das ähnlich sehen... rme
Artikel vom 19.09.2002Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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