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Haidhausen gestern, heute & intim: Spaziergang durch das frühere Straßendorf
Guter Platz zum Leben
Nette Ecken gibt es zu entdecken in Haidhausen. Fotos: ms
Haidhausen · Ein schwarzer Hund blinzelt versonnen, Leute sitzen bei einem Glas Wein auf zierlichen Eisenstühlchen am Straßenrand, Akkordeonklänge – ein wenig dörflich, ein Hauch von Süden, das ist das Haidhauser Gefühl.
Idylle und Realität ist auch Thema von Regina Schmidt. 10 Leute haben sich trotz Triefwetters am Max-Weber-Platz versammelt, um sich von der freiberuflichen Fotografin auf eine Reise in Vergangenheit und Gegenwart Haidhausens mitnehmen zu lassen: von den Anfängen als Lehmabbaugebiet für Ziegel im Mittelalter bis zu den Veränderungen der letzten 30 Jahre, vom »Glasscherbenviertel« bis zum »In«-Viertel.
Doch was heute so hübsch daherkommt mit niedrigen Häuschen, efeuberankten Durchgängen und Buckelpflaster, war früher eines der ärmsten Gegenden Münchens. Die 52-Jährige unternimmt seit Jahren Spaziergänge durch »ihr« Stadtviertel für »Stattreisen«, Motto: »Statt zu verreisen, die eigene Stadt entdecken mit Stattreisen«. Das dachte auch Michael Hofsäss.
Der ist nicht nur dabei wegen des Besuchs aus Berlin: »Ich wohn’ seit zwei Jahren hier. Wird Zeit, das Stadtviertel besser kennenzulernen«. Oder wem ist es schon aufgefallen, das »Städtische Brause- und Wannenbad« in der Schlossstraße? Heute ist es ein Kindergarten, doch bis in die 70er Jahre war es Anlaufstelle. »Weil die Badezeit begrenzt war, hieß es Tröpferlbad«, informiert uns Regina. Wir biegen in die Kirchenstraße.
Im Friedhof um die alte Kirche treffen wir auf typische Vertreter des Viertels, wenn auch längst verblichen: da ist ein »Stadtziegelmeister« oder ein »Knopf- und Schnallenmacher« und »die tiefbetrübten Hinterbliebenen«. Immer wieder zeigt Regina Schmidt alte Aufnahmen und Stadtansichten, Fotos von Ziegelarbeitern oder eine alte Zeichnung. Dazu gibt´s Anekdoten und witzige Zitate. In der Preysingstraße ducken sich die »Herbergsanwesen« schmuck aneinander.
Tritt man durch die niedrige Tür des »Üblacker-Häusls«, wird die »gute, alte Zeit« lebendig. Für die Arbeiterfamilien, die hier in den ehemaligen Lehmgruben hausten, eher elende Zeiten. »Und ist dein Reich auch noch so klein, das Sonnenlicht dringt doch herein«, steht auf ein Wandbild gestickt. Heute bieten die Häuser einigen Glücklichen die pure Idylle.
Gabriele aus der Gruppe ist auch »Haidhauserin«, und eines interessiert die Schwäbin dringend: Gab es hier nicht ein berüchtigtes Hausfrauenbordell...? Auch diese Frage bleibt nicht offen. Nicht nur Wissenswertes, auch Skurriles erfährt man also auf so einer Führung. Zudem weiß ich jetzt, wo es hier die besten Nudeln gibt – denn man kommt nett ins Gespräch beim Stadtteilspaziergang.
Gar eine Hausbesetzung gab es. Dort, wo 1939 im Bürgerbräukeller Hitler nur knapp Georg Elsers Bombe entging, steht nun der Gasteig mit Ziegel bestückt. Sie erinnern an die Geschichte Haidhausens – denn trotz des Wandels vom Straßendorf zur Wohnidylle, Relikte aus der Vergangenheit gibt es hier überall zu entdecken. ms
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