E-Scooter sind für viele eine Gefahr

München · "Machen Sie Fotos!"

Am Laimer Platz erklärt Stefan Unterstraßer, warum auf dem Gehweg zurückgelassene Roller für blinde Mitbürger wie ihn gefährliche Stolperfallen sind. Foto: job

Am Laimer Platz erklärt Stefan Unterstraßer, warum auf dem Gehweg zurückgelassene Roller für blinde Mitbürger wie ihn gefährliche Stolperfallen sind. Foto: job

München · In Bayern ist es 2022 zu einem massiven Anstieg von Unfällen mit E-Scootern gekommen. Bis Ende Oktober registrierte die Polizei 1.097 Unfälle mit den "Elektrokleinstfahrzeugen". Im Vorjahreszeitraum waren es erst 762 gewesen. Auch die Zahl der dabei Verletzten stieg von 663 auf 1.040. Noch gefährlicher sind die Roller, wenn sie auf Gehwegen zurückgelassen werden. Oft sind sie dort Hürden für Fußgänger, denen nicht jeder gut ausweichen kann.

"Beinahe täglich muss ich mich über achtlos und gefährlich abgestellte E-Scooter auf dem Gehweg ärgern", erzählt Stefan Unterstraßer. "Menschen mit Rollatoren, auf Krücken oder mit Kinderwägen verzweifeln an den achtlos die Gehwege versperrenden Fahrzeugen."

Gerade für blinde und sehbehinderte Fußgänger sind diese Hürden sehr gefährlich, erklärt Unterstraßer, der selbst blind ist: "Wir können die E-Scooter im Gegensatz zu Fahrrädern mit dem Langstock nicht richtig erfassen. Wir orientieren uns ja z.B. an Hauswänden bzw. bestimmten Merkmalen wie Briefkästen, Türen, Schaufenstern, Hauseingängen mit und ohne Stufen." Das bedeutet für ihn: Wenn die Gehwege und Hauswände mit Rollern verstellt sind, verliert er eine wichtige Möglichkeit der Orientierung. "Wie soll ich zum Beispiel ein Geschäft finden, wenn ich einem E-Scooter nach dem anderen ausweichen muss?" fragt er.

Achtlos auf Gehwegen zurückgelassene Roller sind für Menschen wie ihn höchst gefährliche Fallen. "Ich selbst bin im September 2021 auf meinem Weg zur Arbeit über einen auf der U-Bahn-Treppe liegenden Scooter gefallen", berichtet er. Bei dem Sturz über die Stufen wurde er so schwer verletzt, dass er mehr als zwei Monate arbeitsunfähig war. Bis heute hat er deshalb gesundheitliche Probleme. Noch immer macht ihm dieser Unfall zu schaffen, da er immer wieder, wenn er auf einen im Weg liegenden Scooter stößt, an seinen schweren Unfall erinnert wird.

Die Stadt München setzt auf die E-Roller. "Sie leisten erwiesenermaßen ihren Beitrag zur Verkehrswende", glaubt Mobilitätsreferent Georg Dunkel. Die Abstell-Probleme sind gleichwohl bekannt. Doch nur in der überschaubaren Altstadt haben Stadt und Anbieter sich zum Reagieren bewegen lassen. Dort können gemietete E-Tretroller seit August nur noch auf eigens markierten Flächen zurückgegeben werden. "Die Situation mit wahllos abgestellten E-Tretrollern musste dringend verbessert werden", meinte Oberbürgermeister Dieter Reiter damals. "Die Regelung soll verhindern, dass E-Tretroller dort abgestellt werden, wo sie Fußgängerinnen und Fußgänger, insbesondere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, behindern oder gar gefährden."

Außerhalb des Altstadtrings behindern und gefährden E-Scooter Fußgänger indes nach wie vor. Stefan Unterstraßer fühlt sich im Stich gelassen. "Wenn ich die Gefahrenstellen melde, erhalte ich mittlerweile keine Antwort mehr", ist er von den Behörden enttäuscht. "Viele blinde und sehbehinderte Fußgänger melden glimpflich verlaufene Unfälle nicht, wodurch sie nicht in einer Polizeistatistik erscheinen und sich somit offiziell nicht zugetragen haben. Schon ein dadurch verursachter schmerzhafter blauer Fleck nervt und ein Blutfleck auf einem Kleidungsstück ist ein Problem, da wir ihn nicht sehen können."

Orientierung wird erschwert

Auch die Anbieter mauern oder verstecken sich hinter für ihn nicht nachvollziehbaren Rechtsauffassungen, ist seine Erfahrung. An manchen E-Scootern ist mittlerweile auch eine Telefonnummer des Verleihers in Brailleschrift angebracht. Unterstraßer sieht darin keine taugliche Kontaktmöglichkeit: "Glauben die ernsthaft, dass ich nach einem Unfall, wo ich erst mal die aktuelle Situation erfassen muss, in der Lage bin, dort anzurufen, und den Fall schildern kann? Nein, dies klingt fast wie Hohn für mich." Hier seien die Stadt und der Verleiher in der Pflicht, dass die Probleme gar nicht erst entstehen.

Helfen Sie mit!
Das städtische Mobilitätsreferat habe ihm nahegelegt, für gefährlich abgelegte Roller Fotos als Belege zu schicken, erzählt Stefan Unterstraßer. Das ist ein wenig hilfreicher Rat für einen blinden Bürger. Darum rufen wir Sie, werte Leserinnen und Leser, auf: Machen Sie diese Bilder und schicken Sie uns Fotos von Stolperfallen, die achtlos auf Gehwegen zurückgelassene Roller ja nun einmal sind, an leser@muenchenweit.de Nennen Sie dazu bitte Ort und Zeit der Aufnahme. Wir veröffentlichen Ihre Bilder in unseren nächsten Ausgaben und in unseren Online-Kanälen.

Artikel vom 20.01.2023
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