Historische Kriegs- und Einmarschberichte zum Nachlesen

Bayern · Frieden ist alles

Oberbürgermeister Thomas Wimmer bei einer Schutträumaktion im Oktober 1949. Foto: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv/Georg Fruhstorfer

Oberbürgermeister Thomas Wimmer bei einer Schutträumaktion im Oktober 1949. Foto: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv/Georg Fruhstorfer

Bayern · Am 24. Februar begann der Krieg in der Ukraine. Die Bilder von zerbombten Häusern, sterbenden Menschen, die täglich über unseren Bildschirm flimmern, sind zur schrecklichen "Normalität" geworden. Friede, Sicherheit, Wohlstand sind Begriffe, die im Nachkriegsdeutschland selbstverständlich geworden und durch diesen Krieg in Frage gestellt worden sind.

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Artikel vom 05.11.2022: Redaktionsleitung Heike Woschée zum Thema: Kriegsberichte online gestellt

Dabei ist der Krieg in Deutschland erst seit 77 Jahren vorüber. Wie es damals im Raum München, dem Landkreis sowie Ebersberg und Freising ausgesehen hat, welche Opfer der Krieg gefordert und welche Zerstörung er in der jeweiligen Gemeinde/Stadt hinterlassen hatte, darüber geben die „Kriegs- und Einmarschberichte“ von Geistlichen des Erzbistums München und Freising Auskunft.

Einer der wichtigsten Quellenbestände zum Ende des Zweiten Weltkrieges im südlichen Bayern wurde vom Erzbistum für Jedermann frei zugänglich online gestellt. Die 2005 in Buchform erschienene Edition der Berichte aus dem Besitz des Archivs des Erzbistums ist seit langem vergriffen. Um allen die Möglichkeit zu geben, sich darüber zu informieren, wie es damals genau vor seiner Haustüre ausgesehen hat, wurde der Bericht online gestellt. Zu finden ist der Bericht unter www.erzbistum-muenchen.de

Als im Gebiet des Erzbistums der Zweite Weltkrieg in den letzten April- und ersten Maitagen 1945 mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen zu Ende ging, hatten die Behörden des nationalsozialistischen Regimes ihre Tätigkeit bereits eingestellt; die Wehrmacht befand sich in Auflösung. Die kirchlichen Verwaltungsstrukturen funktionierten dagegen weiterhin. Dies war die Voraussetzung dafür, dass die Ereignisse vor 77 Jahren heute noch fast unmittelbar nachverfolgt werden können: Am 7. Juni 1945 forderte der Münchner Generalvikar Ferdinand Buchwieser alle Seelsorgestellen auf, über die Kriegsereignisse und speziell das Kriegsende in der jeweiligen Pfarrei zu berichten.

Die so entstandenen, zwischen August 1945 und Juni 1946 im Ordinariat eingegangenen, „Kriegs- und Einmarschberichte“ bieten eine Fülle von Informationen zum Kriegsende an fast jedem Ort des Bistumsgebiets. Sie beruhen größtenteils auf eigenem Erleben der Geistlichen und wurden sehr bald nach den Ereignissen niedergeschrieben, auch wenn man bei der Auswertung natürlich stets den subjektiven Blickwinkel der einzelnen Berichterstatter berücksichtigen muss.

Entsprechend oft wurden und werden die Berichte genutzt, seitdem das Archiv sie 2005 erstmals vollständig in Buchform veröffentlicht hat. In vielen Ortsgeschichten sind sie zitiert. Zahlreiche Schülergruppen haben mit ihnen gearbeitet, um das Kriegsende in ihrer Heimatregion zu erforschen und mit Dokumenten von amerikanischer Seite sowie mit Berichten noch lebender Zeitzeugen zu vergleichen. Sie wurden genutzt, um die Vergewaltigung deutscher Frauen bei Kriegsende zu dokumentieren und sogar um Blindgänger auf Baugrundstücken aufzuspüren. Vor allem aber bieten sie den einzelnen Pfarrgemeinden die Möglichkeit, diesen einschneidenden Moment ihrer Geschichte besser kennenzulernen und die Erinnerungen ihrer früheren Seelsorger, etwa bei Gedenkveranstaltungen, zum Kriegsende einzubeziehen.

So schreibt beispielsweise Stadtpfarrvikar P. Constatin Freytag am 28. Dezember 1945 über seine Pfarrei München-St. Antonius Folgendes: "Namenloses Elend brachte der Pfarrei St. Anton der Krieg 1939–1945. Bei den Fliegerangriffen wurden 120 Häuser der Pfarrei total zerstört. Viele andere sind leichter oder schwerer beschädigt worden. Viele Häuser wurden mehrere Male leichter oder schwerer beschädigt. Erschütternd waren die Straßen- und Wohnungsbilder, besonders in den ersten Tagen nach den Angriffen. Die Leute, die ihre Wohnungen räumen mußten, brachten zum Teil noch in der Nacht (bei nächtlichen Angriffen) ihre wenige Habe auf die Straße; und da standen sie nun, zwischen drinnen: dieses oder jenes suchend oder auf Hilfe wartend. ... Ein total fliegergeschädigter schwer kranker Mann äußerte dabei: „Jetzt wäre es das Beste, in’s Wasser zu gehen.“

Geschichte zum Nachlesen und Nachdenken

Die anhaltende Nachfrage nach den Berichten hat das Archiv des Erzbistums veranlasst, den gesamten 1.498 Seiten umfassenden Buchtext der Edition mit Einverständnis des Verlags Schnell & Steiner (Regensburg) in seinem Internetangebot online zu stellen. Mit Hilfe des Ortsregisters können alle gesuchten Einzelberichte schnell aufgefunden und dann heruntergeladen oder ausgedruckt werden. Die Texte sind mit kurzen Angaben zu den berichtenden Geistlichen versehen. In einer ausführlichen Einleitung werden Entstehung und Quellenwert der Berichte sowie der Verlauf des Kriegsendes im Erzbistum dargestellt.

Artikel vom 04.11.2022
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