Handwerk muss um Lehrlinge kämpfen

Wo sind die Lehrlinge?

München · Das Handwerk muss künftig noch stärker als bisher auf die Jugendlichen zugehen.

Wie der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Bernd Lenze, vor der Vollversammlung der Handwerkskammer am 24. Juni in München mitteilte, konnten im vergangenen Jahr von insgesamt 15.700 angebotenen Lehrstellen im oberbayerischen Handwerk nur 10.200 besetzt werden.

Die Besetzungsquote betrage damit, so Lenze, nur noch 65 Prozent. Die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge sei gegenüber dem Jahr 2000 um 5,7 Prozent zurückgegangen. Mit Ausnahme der Handwerksgruppe Bekleidung verzeichneten alle anderen Handwerksbranchen rückläufige Neuabschlusszahlen.

Die stärksten Rückgänge hätten die Handwerksgruppen Bau mit 8,4 Prozent und Holz mit 8,0 Prozent verzeichnen müssen, was sicher mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage am Bau insgesamt zusammenhänge, so Lenze. 1900 Lehrstellen seien trotz Zusage nicht angetreten worden. Diese Zahl habe sich seit 1997 verdoppelt. Insgesamt bilde das oberbayerische Handwerk derzeit 29.000 Lehrlinge aus. Lenze: »Es ist schwerer geworden, junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Wir müssen zunehmend um jeden Lehrling kämpfen.« Der Hauptgeschäftsführer machte deutlich, dass die Handwerkskammer bereits seit Jahrzehnten eine branchenübergreifende Nachwuchswerbung betreibe.

In den letzten Wochen habe die Kammer wichtige zusätzliche Akzente gesetzt. Durch Umstrukturierungen im Bereich der Abteilung für berufliche Bildung habe man das Engagement in der Nachwuchswerbung für das Handwerk gestärkt. Die Handwerkskammer habe zwei zusätzliche Ausbildungsberater eingestellt, die an den Schulen über die Ausbildung im Handwerk informieren sollen.

Die beiden Berater werden ihren Sitz in Ingolstadt und in Mühldorf haben. Laut PISA-Studie habe jeder vierte Schüler in Deutschland aufgrund von Leistungsschwächen mit massiven Schwierigkeiten beim Berufseinstieg zu kämpfen. Das Handwerk sei durch den hohen Hauptschüleranteil besonders betroffen, bemühe sich aber intensiv, auch leistungsschwächere Jugendliche auszubilden, so Lenze. Dies sei mit ein Grund, dass letztendlich »nur« 14 Prozent ohne Berufsabschluss blieben.

Doch das Handwerk könne nicht auf Dauer die Rolle des Reparaturbetriebs im Bildungssystem spielen, wenn es wettbewerbsfähig bleiben wolle. Lenze: »Wir brauchen junge Leute mit einer soliden schulischen Grundbildung, mit Leistungswillen, Schwung und Initiative.«

Im Bereich der beruflichen Bildung müssten neue Akzente gesetzt werden. Die demographische Entwicklung, der wachsende internationale Konkurrenzdruck und der technische Fortschritt stellten erhöhte Anforderungen an das Qualifikationsniveau aller Mitarbeiter. Lenze: »Eine Nivellierung nach unten mit Mitarbeitern, die schwach im Rechnen und Lesen sind, wäre für uns tödlich.«

Das Handwerk müsse sein Augenmerk in Zukunft verstärkt auch auf Jugendliche mit mittlerem Schulabschluss legen, betonte der Hauptgeschäftsführer. Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten müssten professionell und gezielt angesprochen werden, und dabei dürften die Eltern und Lehrer nicht vergessen werden.

Von der Politik fordere das Handwerk eine gezielte Aufwertung der beruflichen Bildung durch die direkte Zulassung von Meistern zum Studium an den Fachhochschulen. Andere Bundesländer seien diesen Weg bereits mit Erfolg gegangen.

Artikel vom 26.06.2002
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