U-Bahn-Bauarbeiter müssen tauchen dürfen / Erhöhter Luftdruck im Tunnel

Nächster Halt: Garching

Garching von unten – Reinhard Binder wusste einiges über die Beschaffenheit des Erdreichs zu erzählen, durch das sich die Vortriebsmaschinen zurzeit wühlen.	Fotos: cr

Garching von unten – Reinhard Binder wusste einiges über die Beschaffenheit des Erdreichs zu erzählen, durch das sich die Vortriebsmaschinen zurzeit wühlen. Fotos: cr

Garching · Der Abstieg in die Garchinger Unterwelt vollzieht sich langsam. Schritt für Schritt kommen wir dem Ziel näher.

Provisorisch und doch stabil sind die Holz- und Metalltreppen auf unserem Weg durch die U-Bahn-Baustelle. Ein langgezogener künstlicher Krater beherbergt schwere Baumaschinen und Baracken. Ein endloses Gewirr an Kabeln und Drainagen folgt seiner eigenen Ordnung. Und mittendrin emsig agierende Arbeiter, die jetzt im Großen das machen, was wir früher alle im Sandkasten versucht haben: Sie bauen einen Tunnel.

Langsam und lautlos öffnet sich die hermetisch abriegelnde Schleuse und gibt den Blick in den Stollen frei. Die Bauarbeiter schaffen ihr präzises Werk gut zehn Meter unter Tage – »eingesperrt« dort, wo in einigen Jahren die U6 aus München durchrauschen soll.

»Während der Bauarbeiten herrscht hier unten ein künstlich erzeugter Überdruck von 0,8 bar. Nur so können wir den Tunnel von ständig drängendem Grundwasser freihalten.« Reinhard Binder von der Bauüberwachung kennt sich aus. Man sieht auf den ersten Blick, dass der Mann zupacken kann. Doch wenn nicht jedes Detail bedacht wird, kann es beim Bau zu Komplikationen kommen. Das hohe Grundwasser im Garchinger Boden ist ein solches Detail. Jetzt, wo wir hier stehen, ist die Pumpe, die den Überdruck erzeugt, für wenige Stunden abgeschaltet.

Wenngleich im Tunnel selbst kein Wasser ist, so müssen doch alle Bauarbeiter den so genannten Taucherschein haben. »Damit schließen wir gesundheitliche Risiken aus«, betont Binder, während er uns Laien in den 135 Meter langen Tunnel führt. Der Überdruck – vergleichbar mit dem Druck unter Wasser – könne Kreislaufprobleme hervorrufen, erklärt er uns.

Eine riesige Vortriebsmaschine weist auf das derzeitige Ende des Tunnels hin und plötzlich stehen wir vor einer Betonwand. Wenn die Arbeiten fortgesetzt werden, rollen wieder die Loren über das erste Gleis und transportieren das abgetragene Erdreich ab. Von oben tropft es, der weiche Boden ist bis auf einige Pfützen staubig. In meinen Gedanken rollen schon die ersten blauen Waggons durch die Garchinger Unterwelt.

Gegen die »Fahrtrichtung« geht es wieder hinaus aus dem sieben Meter breiten Tunnel, raus aus dem fahlen Neonlicht. Fasziniert bestaunen wir die wenig attraktiven Betonwände. Das Licht am Ende des Tunnels – oder am Anfang? – bedeutet: Hier ist der Ausgang aus der Sackgasse, in der wir uns befinden und die trotz ihrer Größe beklemmend wirkt.

Mit höchster Präzision und Zielstrebigkeit bewegen sich schon bald wieder die »tauchenden Maulwürfe« vorwärts, Meter um Meter. Sie arbeiten auf den Moment hin, an dem es erstmals heißen wird: »Nächster Halt: Garching!« cr

Artikel vom 12.06.2002
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...