Historischer Verein für den Landkreis Ebersberg lädt zu Vortrag ein

Ebersberg · Schuld und Sühne eines NS-Beamten

Im Mittelpunkt, aber nie in Uniform: Regierungsrat Fritz Ortmann (weißes Sakko) bei einem Aufmarsch in Markt Schwaben. Foto: Verein Heimatmuseum Markt Schwaben

Im Mittelpunkt, aber nie in Uniform: Regierungsrat Fritz Ortmann (weißes Sakko) bei einem Aufmarsch in Markt Schwaben. Foto: Verein Heimatmuseum Markt Schwaben

Ebersberg · „Es gibt kein Ende des Erinnerns, keine Erlösung von unserer Geschichte“. Unter dieser von Bundespräsident Steinmeier formulierten Prämisse steht eine Vortragsveranstaltung des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg am Mittwoch, 13. Oktober, um 19.30 Uhr, im Ebersberger Rathaus.

Der Referent Peter Maicher berichtet über einen von 1939 bis 1942 leitenden Beamten im Landratsamt Ebersberg: Regierungsrat Fritz Ortmann. Er stellt dessen Leben, Wirken und spätere Strafe dar und geht anhand zahlreicher Dokumente der Frage nach, wie es geschehen konnte, dass die Lebensbahn des blutjungen Juristen ruiniert wurde durch das Agieren des hassgetriebenen, verführungsmächtigen Adolf Hitler und seiner Anhänger – und durch Ortmanns eigene Fehlerhaftigkeit. Es geht Maicher darum zu verstehen, wobei für ihn „verstehen keineswegs verzeihen bedeutet“.

Was Maicher in den Entnazifizierungsakten im Staatsarchiv und anderen Zeugnissen vorgefunden hat, zeigt viel Widersprüchliches. Er hält es nicht geeignet für simple Schwarz-Weiß-Zeichnung. „Gerechtigkeit bedarf der Grautöne“, sagt er und zeichnet das Bild eines Mannes, der als gläubiger Katholik und sorgender Familienmensch erscheint, gleichzeitig in maßlosem Ehrgeiz seiner Karriere zuliebe Ausbrüche von „braunem“ Hass und NS-Gewalt duldet, ja fördert und persönlich als Vertreter des Landrats Menschen Leid und Schaden zufügt. Nur seine Pflichten als Beamter habe er erfüllt, rechtfertigt sich Ortmann später. Maicher weist nach, dass dies nicht stimmt.

Nach Ortmanns Amtsphase schildert der Referent die Sühnephase: Seine Entnazifizierung läuft über fünf Jahre, davon ist er über zwei Jahre interniert im Arbeitslager. Zweimal flieht er, wird aber bald wieder gefasst. Dargestellt wird auch die schwere Aufgabe der Ebersberger Spruchkammer, die zwischen gehässigen Denunziationen einerseits und hemmungslos entlastenden „Persilscheinen“ andererseits versuchen muss, die Wahrheit vor dem Versinken in einem Meer der Lügen zu retten.

Zwei Jahre im Arbeitslager

Fritz Ortmann war nach dem Schuldspruch nie mehr als Beamter tätig, er starb 40 Jahre später, 85 Jahre alt, in München. Wir kennen nicht die Umstände seines weiteren Lebens, wissen nicht, was er über die NS-Zeit gedacht hat, nach Aussage eines Sohnes hat er nie darüber gesprochen. Über seinem Bild bleibt viel Schatten, der überdeckt, was licht und gut war.

Ortmann ist ein bedrückendes Beispiel für ein deutsches Beamtenschicksal in schwierigster Zeit. Er hat schwer gebüßt für seine Schuld. Doch dadurch wurde nichts an Leid ungeschehen, kein Erinnern Betroffener leichter gemacht. Er hat Menschen Leid und Schaden zugefügt und seine eigene angestrebte Lebensbahn ruiniert durch eine giftige Mischung von fremdem Einwirken und eigenem Zutun. Diese Mischung im Einzelnen zu erkennen und zu verstehen, fällt, wie Maicher einräumt, auch nach intensiver Befassung schwer.

Zu der Veranstaltung, bei der die 3G-Regel gilt, ist eine Voranmeldung bei der Schriftführerin des Vereins, Ingrid Golanski, erforderlich unter Tel. 08092/854515 (mit Anrufbeantworter) oder der E-Mail-Adresse ingrid@golanski.de

Artikel vom 08.10.2021
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