Alt St. Georg erinnert an längst vergangene Zeiten in Milbertshofen

Milbertshofen · Die Kirche im Dorf

Kleinod in der Stadt: Alt St. Georgskirche. "Milbertshofen ist nicht nur ein Arbeiterviertel, sondern hat eine ungefähr tausend Jahre alte Geschichte.", sagt Georg Schneid, 1. Vorsitzender des Fördervereins Alte St. Georgskirche. F.: Tanja Beetz

Kleinod in der Stadt: Alt St. Georgskirche. "Milbertshofen ist nicht nur ein Arbeiterviertel, sondern hat eine ungefähr tausend Jahre alte Geschichte.", sagt Georg Schneid, 1. Vorsitzender des Fördervereins Alte St. Georgskirche. F.: Tanja Beetz

Milbertshofen · Es hat etwas von einer Zeitreise, wenn man durch das eiserne Tor tritt und plötzlich vor diesem kleinen Kircherl steht. Grad wie in einem Dorf könnte man sich hier fühlen, wäre da nicht der nahe Lärm der Autos, die im täglichen Stadtstress zu tausenden vorbeirauschen.

Wo früher Felder waren

Die Kirche Alt St. Georg liegt eingebettet zwischen Wohnblöcken in Milbertshofen, begrenzt von Moosacher Straße und Motorstraße im Norden und Süden sowie Riesenfeldstraße und Altem-St.-Georgs-Platz im Westen und Osten. Wo früher Bauern ihre Arbeit verrichteten und Kinder über die Felder liefen, suchen heute Anwohner nach Parkplätzen, hetzen zum Bus oder schnell noch zum Supermarkt. Das Gesicht der Stadt hat sich verändert, immer wieder. Die Kirche erinnert an die alten Zeiten, als Milbertshofen noch ein Vorort von München war. Wahrscheinlich wäre das alles längst in Vergessenheit geraten, gäbe es nicht Menschen wie Georg Schneid. Seit 1993 engagiert er sich gemeinsam mit seiner Frau Anna im Förderverein Alte St. Georgskirche Milbertshofen e.V., 2004 übernahm er das Amt des 2. Vorsitzenden, seit 2018 ist er 1. Vorsitzender, nachdem sein Vorgänger Anton Peter verstorben war. 74 Mitglieder zählt der Verein derzeit. Ihnen allen liegt die Erhaltung des Milbertshofener Kleinods am Herzen.

Umfangreiches Wissen

Georg Schneid sitzt auf einer der Gambionen (dazu später mehr) vor der kleinen Kirche. Eigentlich könnte der 82-Jährige ausgelastet sein. Zwei Kinder hat er, fünf Enkel und drei Urenkel. "Da ist immer etwas los", sagt er und lacht. Aber die Geschichte, die interessiert ihn eben auch. "Schon immer", so der gebürtige Kemptener. "Ich hatte in der Schule einen sehr guten Geschichtslehrer, der uns viel erzählt hat." Das macht Georg Schneid auch. Mit Begeisterung und umfangreichem Wissen. Jahreszahlen haut er raus wie andere die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga. Er berichtet von der Georgenschwaige und vom Kurfürsten Karl Theodor, macht einen Abstecher zu Napoleon und der Schlacht von Hohenlinden und weiß wie lange es gedauert hat, bis die Milbertshofener Kinder endlich ein eigenes Schulhaus hatten.

Bombenangriff 1944

Und dann die alte St. Georgskirche. Ihre Erbauungszeit wird auf das Jahr 1507 datiert. Sie ist der einzig verbliebene Rest des ehemaligen Ortskerns von Milbertshofen. Am 13. Juni 1944 wurde die Kirche durch eine Fliegerbombe stark beschädigt und nach dem Krieg nur notdürftig als Gedenkstätte wieder aufgebaut. Wie durch ein Wunder blieben der Altarraum, der Grabstein des Andre Keferloher aus der Mitte des 15. Jahrhunderts sowie ein Teil des Kirchturms vor der Vernichtung verschont. Der spätgotische Flügelaltar war vorher in Sicherheit gebracht worden. Ein kompletter Wiederaufbau des Gotteshauses scheiterte an den Finanzen.

Der Flügelaltar

Der Altarraum beherbergt heute wieder den Flügelaltar. Ein Kleinod im Kleinod sozusagen. Als sein Künstler gilt ein anonymer Meister aus dem Umfeld von Jan Polack und Erasmus Grasser. Seit seiner letzten Restaurierung ist der Altar in seinem Originalzustand von 1510 zu sehen. Auf der Werktagsseite, also in geschlossenem Zustand, sind links das Gemälde des Drachenkampfes und rechts die Räderung des heiligen Georg dargestellt. Die geöffnete Festtagsseite zeigt links das Gemälde der Vierteilung des heiligen Georg, rechts dessen Enthauptung. Im Zentrum ist der Drachenkampf in Form eine Reliefs abgebildet. "Wir durften den Altar hier behalten. Voraussetzung dafür war, dass wir für eine gleichbleibende Klimatisierung sorgen und eine Alarmanlage installieren", so Georg Schneid.

Die Außenanlage

Alt St. Georg steht unter Denkmalschutz. So ein Gebäude will gepflegt werden. Das gilt auch für die Außenanlage. Genau diesen Zweck verfolgt der Förderverein Alte St. Georgskirche Milbertshofen e.V., der am 25. November 1981, also vor 40 Jahren, gegründet wurde. Neben der Renovierung des Kirchenturmes im Jahr 1997 und der Sanierung des Altars von 1998 bis 2003, wurde vor sechs Jahren die Neugestaltung der gesamten Außenanlage in Angriff genommen. Immer wieder sei die Frage nach den Dimensionen der Kirche aufgekommen, sagt Georg Schneid. Wo war der Haupteingang? Wie groß war die Kirche? Wo standen die Bänke? Also wurde mit Hilfe von Gabionen, diesen mit Steinen gefüllten Drahtkörben, der Grundriss der Kirche nachgestellt. Eine aufwändige Bodengestaltung weist zudem darauf hin, wo die Bänke standen.

Wer gerne selbst einmal vorbeischauen möchte, hat jeden ersten Sonntag im Monat von 11 bis 12.15 Uhr die Gelegenheit dazu. "Wir sind fünf Mann, die sich hier mit den Führungen abwechseln", so Georg Schneid.

Das Grabkreuz

Am Volkstrauertag, Sonntag, 14. November, wird außerdem von 11 bis 12 Uhr ein ganz besonderes Grabkreuz aufgestellt: es wurde bei einer Inventur im Turm der neuen St. Georgskirche gefunden. "Es stammt mit Sicherheit aus dem ehemaligen Gottesacker, der sich bis Juli 1900 an der Alten St. Georgskirche befand", betont Georg Schneid. Eine Tafel am Grabkreuz soll mit dem Text "Zum Gedenken der auf diesem Friedhof bestatteten Milbertshofener Bürger" versehen werden.

Weitere Infos gibt es unter www.st-georg-milbertshofen.de Der Verein freut sich immer über Unterstützung. tab

Artikel vom 29.09.2021
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