Caritas-Begegnungszentrum D3 am Hauptbahnhof sind in der Corona-Pandemie wichtige Anlaufstelle

München · Ein Segen für Wohnungslose

Corona-bedingt mit den wichtigsten Kooperationspartnern/-innen im kleinen Rahmen: Arnold Tolnai, Augustinus Bauer, Winfried Gehensel, Verena Dietl, Margot Wagenhäuser, Gabriele Stark-Angermeier, Bettina Spahn und Harald Bachmeier. F: Caritas München

Corona-bedingt mit den wichtigsten Kooperationspartnern/-innen im kleinen Rahmen: Arnold Tolnai, Augustinus Bauer, Winfried Gehensel, Verena Dietl, Margot Wagenhäuser, Gabriele Stark-Angermeier, Bettina Spahn und Harald Bachmeier. F: Caritas München

München · „Das Begegnungszentrum D3 ist ein Zufluchtsort für Menschen, die oft mehr Probleme haben als den Alkohol“, resümierte Gabriele Stark-Angermeier, Vorständin des Caritasverbands der Erzdiözese München-Freising, anlässlich der Corona-bedingt verspäteten Einweihung der Räume an der Dachauerstraße. Unerwünschte Menschen zu vertreiben löse die Probleme nicht.

Ein Ort zum Da-Sein „nicht für die Jungen, Schönen und Reichen, sondern für Alte, Kranke und Obdachlose am Rande unserer Stadtgesellschaft,“ ergänzte Caritas-Stadtgeschäftsführer Harald Bachmeier. Die Dritte Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München Verena Dietl dankte Einrichtungsleiter Winfried Gehensel und seinem Team für die Aufbauarbeit: „Wir brauchen diese Einrichtung als einen Ort der Begegnung, um die Menschen mit Suchterkrankung und ohne Wohnung gut zu versorgen. Melden Sie sich, wenn etwas fehlt!“

„Wir konnten das D3 während der Pandemie offenhalten“, unterstrich Einrichtungsleiter Winfried Gehensel. Und die Nachfrage war groß: Im ersten Halbjahr 2021 kamen insge- samt 14.195 Besucher/-innen, das sind durchschnittlich 84 am Tag, davon waren 15 Pro- zent Frauen. „Wir konnten bereits drei Besucher auf Entgiftungs- und Therapieplätze ver- mitteln, was vor dem Hintergrund der schwierigen Lebenssituationen ein ganz besonderer Erfolg ist“, erklärte Gehensel stolz. Das niederschwellige Beratungsangebot wurde 1.064 Mal genutzt, 351 Beratungen dauerten länger als zehn Minuten.

Das D3 am Münchner Hauptbahnhof sei neben Bahnhofsmission und Teestube einer der wenigen Orte gewesen, an dem sich wohnungslose Menschen ein wenig ausruhen oder aufwärmen konnten. „An vielen kalten Tagen stehen Besucher/-innen draußen Schlange, weil sich drin aufgrund der Abstandsregeln nur 23 Personen aufhalten dürfen“, erläuterte Diplom-Soziologe Gehensel. Seit Oktober 2020 ist die im Dezember 2019 wegen des Al- koholverbots rund um den Münchner Hauptbahnhof eröffnete Einrichtung an sieben Ta- gen pro Woche geöffnet: täglich von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis 16.30 Uhr, mittwochs durchgehend von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr.

Gabriele Stark-Angermeier dankte Verena Dietl stellvertretend dafür, dass die Landes- hauptstadt das Begegnungszentrum mit jährlich 1,4 Millionen Euro für Personal- und Sachkosten bezuschusst, verlangte jedoch mit Blick auf die besonderen Anforderungen und den Fachkräftemangel: „Wir benötigen einen besseren Personalschlüssel und unser vorhandenes Personal muss besser bezahlt werden.“

Die Auszahlung von Prämien und Zulagen sei bisher am Argument des sogenannten Besserstellungsverbots gescheitert. „Aber wem gegenüber soll D3 denn bessergestellt sein?“ Der zukunftsfähige Betrieb des D3 dürfe nicht an bürokratischen Hindernissen scheitern. Als weiteren Auftrag gab die Caritas-Chefin der Dritten Bürgermeisterin die immer noch ungelöste Sanitärfrage mit. Verena Dietl hatte in ihrer Funktion als Stadträtin bereits bei der Konzeption der Anlaufstelle mitgewirkt.

Die Arbeit erfordere vom Personal hohe Resilienz und Professionalität im Umgang mit den oft mehrfach belasteten Menschen betonte Gehensel. Mindestens drei Caritas-Mitarbei- ter/-innen des D3-Teams seien notwendig, um die Grundbetreuung der Gäste zu gewährleisten. „Es ist wichtig in Kontakt zu kommen. Erst wenn die Menschen Vertrauen gefasst haben, beginnen sie, von ihren Problemen zu erzählen und nehmen Hilfe an.“ Ein spezielles Angebot für wohnungslose Frauen sei geplant, denn diese hätten vielfach traumatische Erlebnisse und mieden Orte, an denen sie sich nicht sicher fühlten.

Das Fachpersonal stellt mit 9,5 Vollzeitstellen die Caritas und mit einer halben Stelle die katholische Bahnhofsmission über den Trägerverband INVIA, derzeit sind alle besetzt. An eine wie ursprünglich geplante Öffnung von zehn Stunden täglich sei aufgrund der herausfordern- den und anstrengenden Arbeit mit dem gegebenen Personalplan trotzdem nicht zu denken, erklärte Gehensel mit Blick auf den Alkohol- und Nikotinkonsum der Besucher/-innen sowie erhöhter Kontrollarbeit und möglicher Aggressivität. Insbesondere dann, wenn wie- der mehr Personen gleichzeitig im D3 sein dürften.

Neben ihrer Fachkompetenz hätten alle D3-Mitarbeiter/-innen eine akzeptierend-respektvolle Grundhaltung mit Herz, Verstand und Geist. „Wir begegnen den Menschen, die zu uns kommen, mit Würde und helfen ihnen damit, sich selbst wieder in Würde zu begegnen“, hob Gehensel hervor.

Die Menschen bräuchten Unterstützung dabei, offizielle Briefe zu verstehen, Formulare auszufüllen, Arbeitslosen- oder Rentenanträge zu stellen. Die Mitarbeiter/-innen führten psychosoziale Gespräche oder hülfen bei gesundheitlichen Problemen. Sie klärten Fra- gen zur Krankenversicherung oder begleiteten zum Arzt. Zudem müssten die Mitarbeiter/- innen des D3-Teams darauf achten, dass die Besucher/-innen die Corona-Regeln einhalten, auch wenn im Juli erst eine Lüftungsanlage eingebaut worden sei. Bei Streit deeskalierten die Mitarbeiter/-innen und die beiden stets anwesenden Kollegen der Security. Im D3-Team arbeiten Sozialpädagogen/-innen, eine Pflegewissenschaftlerin und eine Fachpflegerin zusammen.

Gabriele Stark-Angermeier dankte der Stadt München für die unbürokratische Zusam- menarbeit sowie allen Kooperationspartnern von Bahnhofsmission, Teestube, Schiller25, St. Bonifaz, den Rettungsdiensten und allen anderen beteiligten Akteuren. Der Caritas- verband der Erzdiözese München und Freising bringt Eigenmittel von etwa 90.000 Euro ein. Die Caritas und ihr Therapieverbund Sucht arbeiten im D3 über die Fachberatungsstelle eng mit der Bahnhofsmission zusammen. Caritaspräses Augustinus Bauer segnete im Anschluss die Räume samt der darin Zuflucht suchenden Gäste und Mitarbeitenden mit der Erinnerung an die Worte Jesu Christi: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Artikel vom 17.08.2021
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