Lebendiges Totholz

Ungewöhnliche Ausgleichsfläche im Erdinger Stadtgebiet

Im Totholzbiotop in Eichkofen wurden vom BN neue Stämme aufgestellt. Die alten Stämme sollen und dürfen im Gelände verrotten.  Foto: kw

Im Totholzbiotop in Eichkofen wurden vom BN neue Stämme aufgestellt. Die alten Stämme sollen und dürfen im Gelände verrotten. Foto: kw

Erding · Die wohl kreisweit ungewöhnlichste Ausgleichsfläche, die die Stadt Erding hat anlegen müssen, um andernorts einen Eingriff in den Naturhaushalt zu kompensieren, wie es das Gesetz vorschreibt, liegt nahe dem Sportplatz im Erdinger Ortsteil Eichenkofen. Es ist ein „Totholzbiotop“ angelegt worden.

Dort sind einfach abgestorbene Bäume oder auch gefällte Bäume aufgestellt worden. Die Idee kommt, wie jetzt bei einer Versammlung des Bund Naturschutz herausgestellt worden ist, von dem Holzbildhauer Wolfgang Fritz aus Oberding, bekennender Naturschützer und eben immer wieder damit beschäftigt, ganze Bäume so wie sie sind in Kunstwerke zu verwandeln. Er ist auch der Initiator der Holzbildhauersymposien, die an mehreren Orten im Kreis Erding schon stattgefunden und zu großen Kunstwerken geführt haben.

Hier in Eichenkofen „arbeiten“ andere an den Stämmen: Insekten, die Totholz als bevorzugten Lebensraum haben. Naturschutzverbände und -behörden haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Totholz als Lebensraum enorm wertvoll ist. Die Deutsche Wildtierstiftung etwa schreibt: „Vor allem für die Gruppe der Käfer mit ihren vielen bedrohten Arten ist Totholz sehr wichtig: rund 25 Prozent aller in Deutschland lebenden Käferarten sind auf Holz verschiedener Zerfallsstadien angewiesen, rund die Hälfte der totholzbewohnenden Käfer werden als bedroht eingestuft.“

Damit ist die ökologische Aufwertung der Fläche, was gesetzlicher Zweck von Ausgleichsmaßnahmen ist, dokumentiert: Wolfgang Willner, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz in Freising und Naturfilmer, hat 2019 eine Erhebung dessen gemacht, was in den langsam verwitternden Stämmen denn so alles kreucht und fleucht. Und das ist dermaßen viel, dass sogar der Bund Naturschutz im Kreis Erding bei der jüngst online durchgeführten Jahreshauptversammlung von „erfreulichen Ergebnissen“ dieses Monitorings sprach. „Kopfhornschröter“ und „Gemeine Goldwespe“ sind unter anderem hier zuhause, und Willner hat diese Tiere nicht nur genau bestimmen, sondern auch fotografieren können. Der schwarze Käfer mit dem auffälligen Horn steht dabei auf der roten Liste und wird als „gefährdet“ eingestuft. 2019 noch wurden die Ergebnisse in einem öffentlichen Vortrag im Museum Erding vorgestellt.

Die Insekten „arbeiten“ an den Stämmen, und sie haben im Laufe der Jahre diese Stämme dann auch „aufgearbeitet.“ Sie mussten ersetzt werden. Das ist, wie bei der Versammlung öffentlich wurde, geschehen, und zwar von der unteren Naturschutzbehörde aus. Eschen, die aus Sicherheitsgründen bei Heilig Blut gefällt werden mussten, stehen jetzt in eben dieser Biotopfläche, wobei die „alten“ Stämme liegen gelassen worden sind. Es wird wohl andere Insekten und auch Pilze geben, die ihnen den Rest geben werden. Das Ganze sieht jetzt auf den ersten Blick natürlich sehr unaufgeräumt aus und wird möglicherweise auch den einen oder anderen Ordnungsfanatiker auf den Plan rufen, aber das stört nicht. Wo Insekten sind, da sind Vögel nicht weit, und auch diese sind den Berichten zufolge beobachtet worden. Am 26. Juni soll es übrigens um 10 Uhr ab Bahnhof Erding eine Fahrradtour geben, bei der die verschiedenen Biotopflächen angefahren werden. Veranstalter ist der Bund Naturschutz in Erding. kw

Artikel vom 18.06.2021
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...