In China ein Star, in der Welt ein Reisender, in Bogenhausen ein Besucher: Tiancai

Sanftmütiger Kampfsportler

»Meister, Lehrer oder einfach Herr Zhu werde ich genannt«, so beginnt Zhu Tiancai seine Erzählung.

Er ist weltweit einer der bekanntesten Großmeister des Taiji Quan und hat so gar nichts mit dem Kino-Kampfsport-Helden gemeinsam.

Der 57 Jährige Mann wirkt eher so, wie sich der Durchschnitts-europäer wahrscheinlich den Durchschnittsasiaten vorstellt: Ruhig und zurückhaltend. So sitzt er auch eher unscheinbar, in einen einfachen Jogginganzug gekleidet, in der Küche seines Bogenhausener Gastgebers Andreas Graf und trinkt bedächtig eine Tasse Tee.

Diese Unscheinbarkeit fällt aber in dem Augenblick völlig von ihm ab, in dem er über »seinen« Sport spricht: »Aus der Tradition heraus habe ich in der Provinz Hinan, unweit des Shaolinkloster, mit sechs Jahren das Training begonnen« erklärt Zhu den Beginn seines Weges. »Am Anfang war ich in der Dorfschule noch als Lehrer für Chinesisch und natürlich für Taiji Quan tätig. Die Regierung in China hat mich immer sehr unterstützt und zu einem Hüter der Traditionen im Taiji Quan gemacht.« So konnte der ganz dem Taiji zugewande Tiancai seine Kunst zum Beruf machen. Mittlerweile lebt er in Singapur und bereist die ganze Welt.

»Die Jugend in China ist immer noch sehr an den alten Traditionen interessiert und die jungen Menschen in Europa werden auch immer neugieriger darauf.« Vor allem den jungen Menschen gilt das große Interesse des vierfachen Vaters. »Schliesslich war das Leben sehr gut zu mir. (...) Ich habe alle Söhne selber in Taiji ausgebildet« erzählt der Vater. Und mit sichtlichem Stolz fügt er hinzu: »Zwei von ihnen sind jetzt auch als Taiji Quan Lehrer tätig.«

Wenn er über die wirtschaftliche und auch menschliche Situation in China spricht, wird der Großmeister sehr ernst. »Die Öffnung nach aussen hin finde ich sehr gut. Auch können die Menschen frei sagen was sie möchten. In den letzten Jahren hat sich in der Welt viel getan, aber in China ist die Entwicklung am rasantesten.« Optimistisch der Zukunft zugewandt ist der frühere Beamte in jedem Fall.

Beim Training ist Zhu ganz und gar der ruhige und verständige Meister. Fließend erklärt er die Übungen und führt selbige genauso vor. Immer noch entspricht der Chinese nicht dem Klischee der asiatischen Kampfsportfilme. Kein Anzug mit flatternden Ärmeln und Hosenbeinen, sondern immer noch der selbe Jogginganzug.

Seine Meinung zu Kampf-sportfilmen: »Die Darstellung in den Jacki Chan Filmen ist gar nicht so schlecht und hilft viel bei der Verbreitung unserer Kampfkünste. Nur sind die Filme oft zu gewalttätig. Es zeigt sich die große Phantasie der Regisseure.« Sein eigenes Kampfsport- und Lebensmotto: »Ein offenes Herz.«

Artikel vom 29.05.2002
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