Bewegende Gedichte am Bahnhof

Giesing · Fünfte Online-Lesung aus dem Projekt „Gedicht des Monats“

Birgit Knoblach und Sebastian Wuttke lesen auch in der Gleiswirtschaft. Foto: poesiebriefkasten.de

Birgit Knoblach und Sebastian Wuttke lesen auch in der Gleiswirtschaft. Foto: poesiebriefkasten.de

Giesing · Ende Mai sitzen die ersten Sonnenhungrigen auf den Stufen des Kulturzentrums Giesinger Bahnhof. Andere genießen in der Außengastro kühle Getränke. Nur im Gebäude selbst ist es noch still. Die Geschäftsführerin Birgit Knoblach schreibt in ihrem Büro die geplanten Veranstaltungen auf Post-Its – so kann sie sie leichter auf ihrem Wandkalender verschieben, was wegen der Corona-Maßnahmen häufig nötig ist.

Heute stehen die vielen charmanten Räumlichkeiten des denkmalgeschützten Stationshauses ganz im Dienste der Poesie, allerdings nur für ein virtuelles Publikum. Abwechselnd mit Sebastian Wuttke, dem ersten Vorstand der Freunde Giesings, Trägerverein des Kulturzentrums, liest Knoblach Gedichte aus dem Poesiebriefkasten vor. Diese sind aktuell zur Aktion „Gedicht des Monats“ eingegangen.

Die Vorleser sind dabei oft ganz erstaunt: Die Gedichte scheinen direkt auf den Giesinger Bahnhof zugeschnitten. Das „Lebenslied“ könnte direkt auf der Bühne in der Gepäckhalle vorgesungen werden. Die Ballade von der im Bus vergessenen Brotzeit könnte sich an der Busstation am Bahnhofplatz abgespielt haben. Das Frühlingspoem „Wiederkehr“ steht bestimmt symbolisch für das wiederkehrende Publikum.

Ein Haiku von der Postkarte

Draußen am Gleis zwischen den geräuschvoll ein- und abfahrenden S-Bahnen kommen noch einige kurze Gedichte zum Zug. So ein Haiku, der auf einer Postkarte geschickt wurde. Wobei im Eifer des Lesegefechts aus einem „taubenetzten“ ein „taubenbenetztes Gras“ wird. Das romantischste Werk hat ein zehnjähriges Mädchen verfasst, in dem sie voller Sehnsucht auf ihren Freund wartet. Und das Warten gehört natürlich zu einem richtigen Bahnhofsaufenthalt.

Oben im Vereinszimmer, in der von Sebastian Wuttke so bezeichneten, „linken Herzkammer“ des Gebäudes sucht er aus der dort verwahrten kunterbunten Giesinger Devotionaliensammlung sein Lieblingsstück: ein dicker Brocken Glas aus einem ausrangierten Aquarium des Tierparks Hellabrunn. Birgit Knoblach dagegen hat es ein poppiger Faschingsorden angetan: „Love Giesing“ steht in fetten 70er Jahre Lettern darauf. Zum Abschluss geht es in den schönen Wintergarten der Gleiswirtschaft.

Die Lesung, die genauso Lust auf Poesie wie auf einen Besuch des Giesinger Bahnhofs macht, kann über die Internetseiten https://www.giesinger-bahnhof.de/ und www.poesiebriefkasten.de aufgerufen werden. In natura können die Passanten einige Gedichte auch in den Fenstern des Bahnhofsgebäudes bewundern, wo sie zur Zeit ausgestellt sind.

Gedicht des Monats
Alle, die sich an der Aktion beteiligen möchten, können ihre eigenen Werke bis zum jeweils 25. des Monats an den Poesiebriefkasten, Stichwort „Gedicht des Monats“, Wirtstraße 17, 81539 München, schicken. Das Gedicht kann gereimt oder ungereimt sein, Hauptsache, die Werke sind selbstverfasst und passen auf eine DIN A4-Seite.

Artikel vom 08.06.2021
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