Neubiberg · "Der Vollstrecker" - historischer Vortrag

Das Leben von Johann Reichart war tragisch, „aber vor allem löste es Tragik aus“. Über ihn findet ein Vortrag in Neubiberg statt. Foto: Allitera Verlag

Neubiberg +++ wegen Krankheit muss der Vortrag, der am 10. Juni hätte stattfinden sollen, auf Herbst verschoben werden - Die Karten behalten ihre Gültigkeit. Geschichtsinteressierte warten schon lange auf den Vortrag des Historikers Roland Ernst, der nun endlich am Donnerstag, 10. Juni stattfinden kann: Wer war der Mann, der als Bayerns letzter Henker die Geschwister Scholl köpfte und sogar eine Zeit lang in Neubiberg ansässig war? Der Historiker Roland Ernst hat auf Basis bislang unveröffentlichter Dokumente und Akten eine umfassende Biografie geschrieben.

Sie wirft Fragen nach dem verantwortlichen Handeln eines Individuums in der Verstrickung politischer Zeitläufe auf.

Hans und Sophie Scholl werden am 22. Februar 1943 zum Tode verurteilt und noch am gleichen Tag hingerichtet. Die Exekution lässt Staatsanwalt Walter Roemer anberaumen, enthaupten wird sie Johann Reichart. Wer war dieser Mann, der mehr als 3.000 Menschen richtete. Zunächst Mörder in der Weimarer Republik, dann Nazi-Gegner und Widerstandskämpfer im Dritten Reich und schließlich nach dem Krieg zum Tode verurteilte Nationalsozialisten.

Reichhart, aufgewachsen in der Nähe von Regensburg, entstammt einer bayerischen Scharfrichter-Sippe in der die meisten männlichen Angehörigen seit dem 18. Jahrhundert ihren Lebensunterhalt als Henker verdient hatten - verachtet und gefürchtet von ihren Mitmenschen. Er erlernt das Metzgerhandwerk und geht auf die Walz. Anfang der 1920er Jahre kehrt er nach Bayern zurück, heiratet und betreibt eine Bahnhofswirtschaft in Neubiberg. 1924 übernimmt er das Amt des Scharfrichters für den bayerischen Staat von seinem Onkel.

Zu Beginn seiner Laufbahn finden Hinrichtungen nur äußerst selten statt, deshalb war er auch als Handelsvertreter tätig. Die Lage änderte sich schlagartig unter dem NS-Regime. Schuld und Verantwortung hat er nicht empfunden. Er sah sich als Vollstrecker, der kein Urteil sprach, sondern nur ausführte. Die letzten Jahre seines Lebens verbringt er verarmt und vereinsamt in einem Pflegeheim.

Roland Ernst hat auf der Basis vieler bislang unveröffentlichter Dokumente und Akten eine umfassende Biografie geschrieben. Sie wirft die Frage nach dem verantwortlichen Handeln eines Individuums in der Verstrickung politischer Zeitläufe auf. Das Leben von Johann Reichart war tragisch, „aber vor allem löste es Tragik aus“. Ernst studierte Geschichte und Psychologie, arbeitet als Autor und psychologischer Coach, insbesondere für gesellschaftliche Randgruppen. Zudem ist er Gastdozent an der Georg-August- Universität Göttingen zum Thema Todesstrafe.

Die Autorenlesung findet am Donnerstag, dem 10. Juni um 19.30 in der Aula der Grundschule Neubiberg, Rathausplatz 9, statt. Der Eintritt für Erwachsene an der Abendkasse beträgt 14 Euro, im Vorverkauf 12 Euro, für MMB 7 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist der Eintritt frei.

Zur Sicherheit für die Zuhörer vor Ort

Ein fundiertes Schutz- und Hygienekonzept regelt Kulturveranstaltungen: Kontaktpersonennachverfolgung im Falle einer Infektion, Beschränkung der Publikumszahl zur Einhaltung des Mindestabstandes, Zuordnung fester Sitzplätze, regelmäßiges Lüften und Reinigen von Kontaktflächen. Besucherinnen und Besucher müssen nach aktuellem Stand während der Veranstaltungen FFP2-Masken tragen und bei einer 7-Tage-Inzidenz über 50 einen negativen Corona-Test nachweisen. PCR-Tests gelten dabei für 48 Stunden, von offizieller Stelle durchgeführte Antigen-Schnelltests (also keine Selbsttests) für 24 Stunden. Für vollständig Geimpfte entfällt die Testpflicht nach 14 Tagen, für Genesene nach 28 Tagen. Ein schriftlicher Nachweis ist auch hier erforderlich.

Vorverkaufsstellen sind die Gemeindebibliothek, die Buchhandlung Lentner, das vhs-Infozentrum und München Ticket. Info-Tel. 089/600 12-964. Veranstalter: Gemeinde Neubiberg/Bibliothek und Archiv.

Artikel vom 19.05.2021
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