Blick auf ein bewegendes Leben

Im Februar war der 120. Geburstag des Erdinger Tiermalers Franz Xaver Stahl

Franz Xaver und Josef Stahl, aufgenommen im Fotoatelier Weiss. Bild rechts:  Eine Postkarte mit einem Werk von Franz Xaver Stahl. Fotos: VA

Franz Xaver und Josef Stahl, aufgenommen im Fotoatelier Weiss. Bild rechts: Eine Postkarte mit einem Werk von Franz Xaver Stahl. Fotos: VA

Erding · Vor 120 Jahren, am 11. Februar 1901, kam Franz Xaver Stahl zur Welt. Das elterliche Haus in der Landshuter Straße 31, damals Hausnummer 304, beherbergte den Maler-Betrieb seine Vaters Franz Stahl, zudem waren Räume im Erdgeschoß immer wieder an Photografische Ateliers vermietet und neben einigen Lehrlingen, wohnten noch Familienangehörige im Haus.

Die Großeltern von Franz Xaver Stahl wohnten in Dachau und so durfte Franzl zusammen mit seinem jüngeren Bruder Josef die Sommerferien bei der geliebten Dachauer Großmutter verbringen. In Dachau waren die in den Sommermonaten gerne die Professoren der Münchener Kunstakademie mit ihren Studenten zu Gast. Sie malten im Freien und nahmen die Herausforderung des sich wechselnden Wolkenspiels, des farbigen Himmels, der schimmernden Sonnenflecken und der sich stets ändernden Atmosphäre an, um all diese Eindrücke auf die Leinwände zu bannen. Mitten unter ihnen saß alsbald der kleine Franzl mit Malstiften und einem Skizzenblock, den ihm die Großeltern geschenkt hatten.

Professor Hermann Stockmann war es, der erkannte, dass der Bub ein grandioses Talent besitzt. Seine Tierbilder fielen dem Kunstprofessor auf und so schrieb er an die Erdinger Familie, dass man den jungen Burschen doch unbedingt künstlerisch fördern möge. Gleiches Talent bestätigte auch der Erdinger Grundschullehrer Max Wild dem Buben. Für Franz Xaver Stahl war ganz klar, dass er in keinem Falle von seinem Berufswunsch Tiermaler abrücken würde; auch nicht als er zunächst eine Lehre als Anstreicher, Maler und Vergolder antreten musste.

Im ersten Weltkrieg zog Vater Stahl in den Krieg, der Bub musste seine Lehre daheim unterbrechen und wird in Dachau zu Malermeister Albin Huber in die Lehre geschickt; dort lernte er dessen Sohn, den um ein Jahr jüngeren Richard Huber kennen. Richard Huber sollte später selbst ein berühmter Kunstmaler werden, die Freundschaft der beiden Maler hielt ein Leben. Nach dem Besuch der Schule für Dekorationsmalerei, arbeitete Stahl – weil Lehrherr Albin Huber nun auch in den Krieg eingezogen wurde - von 1915 bis 1919 als Lichtpauser in der Militärbauleitung Dachau. Ein Stipendium, zu dem ihm der Münchener Kunstprofessor Stockmann schließlich verhalf, ermöglichte Stahl den Besuch der Kunstgewerbeschule ab dem Wintersemester 1919.

Julius von Diez, dessen Onkel Kunstprofessor Wilhelm von Diez immer nach Erding an die Sempt zum Malen kam, wurde sein Lehrer. Illustrationen für Wochenzeitungen, Zeichnungen für die „Jugend“, Plakat- und Buchkunst interessierte Franz Xaver Stahl nicht so sehr. Sein Wunsch an der Kunstakademie große Tiergemälde zu schaffen, war ungebrochen. Er machte sich im Wintersemester 1921 auf um an der Akademie dem dort lehrenden berühmten Kunstprofessor Heinrich von Zügel einige seiner Werke vorzulegen. Zügel nahm den talentierten Stahl noch an.

Unermesslicher Fleiß zeichnete Stahl sein Leben lang aus: tausende Skizzen zeichnete er als Übungen; in der Natur, im Tierpark München und im Schlachthof studierte er die Anatomie der Tiere- genaue Beobachtung im Verhalten der Tiere wurden notiert. Es folgten erste Erfolge in Form von Preisen bei Akademieausstellungen, ein Stipendium für einen Hollandaufenthalt, Belobigungen an der Kunstakademie.

Der ganz große Erfolg stellte sich 1924 ein: Stahl nahm als junger Student an der Ausstellung im Glaspalst teil; die bayerische Staatsregierung erwarb das Gemälde „Herde im Wald“ am ersten Ausstellungstag für 900 Mark. Die Presse berichtete, die Professoren schickten Glückwunschkarten und die Erdinger Familie und Bekanntschaft gratulierten sich gegenseitig – die Schreiben befinden sich noch immer im Nachlass Stahls. Spätestens 1925 als der Staat für ein Stahl-Gemälde 1800,- Mark bezahlte, war Franz Xaver Stahl berühmt.

Nach Beendigung des Studiums 1927 arbeitete Stahl als freischaffender Künstler, muss aber auch Schüler unterrichtet haben, wie aus Briefen im Nachlass hervorgeht. Bis 1931 beteiligte er sich an den Ausstellungen im Glaspalst und konnte an den Staat sowie an private Käufer hochpreisig verkaufen. Die Presse widmete ihm stets lobende Worte. Beim verheerenden Brand des Glaspalastes wurde auch sein Ausstellungsgut vernichtet.

Im Jahr 1931 zog Franz Xaver Stahl nach München. Ein Bewunderer seiner Kunst, hatte Stahls Gemälde einst im Glaspalast gesehen und nun dem 30jährigen Künstler eine kleine Atelierwohnung in der Nymphenburger Straße angeboten. Max Kammerer aus Wartenberg wurde Stahls Hausherr und ließ sich ab und zu auch Gemälde statt Miete übereignen. Kammerer war NSDAP-Mitglied, später dann kurzzeitig Bürgermeister in Wartenberg.

Im Jahr 1939 trat auch F.X.Stahl der Partei bei – als Parteianwärter seit 1937 entrichtet er den Beitrag von 3 Reichsmark als Aufnahmegebühr. Er wird später in seinem Spruchkammerverfahren den Beitritt als Antwort auf „das ständige Drängen des Hausherrn“ erklären. Nachfolgebau für die verlorene Ausstellungsbühne, den abgebrannten Glaspalast, wird das Haus der Deutschen Kunst, das 1937 die erste von insgesamt acht Großen Deutschen Kunstausstellungen präsentiert. In den Jahren bis 1944 werden 12.250 Kunstwerke für die Besucher in der Großen Deutschen Kunstausstellung, der Leistungsschau des Dritten Reiches zu betrachten sein.

Stahl bewirbt sich jedes Jahr mit einigen Gemälden; nicht alle seiner Kunstwerke werden angenommen, doch kann er jedes Jahr in der Prinzregentenstraße ausstellen. Seine Gemälde werden teilweise von Politikern der Zeit angekauft – Bormann, Goebbels und Hitler sind im Käuferverzeichnis vermerkt -, teilweise von Privatpersonen. Die Themenwelt der Tierdarstellung verlässt er auch in dieser Zeit nie. Im Jahr 1937 wird Stahl angefragt ob er in der Nachfolge seines Lehrers Angelo Jank die Tiermalklasse an der Akademie übernehmen will. Der Beitritt zur Partei muss auch in diesem Zusammenhang zu sehen sein.

1941 wird er Leiter der Tiermalklasse und ein Jahr später „um neben den anderen Lehrern mit Professur nicht hintanzustehen“ mit dem Professorentitel belehnt. Seine Schüler beschrieben den ruhigen Lehrer als gerecht, freundlich und gewissenhaft. Als allerdings im Jahr 1944 die Kunstakademie durch Bomben zerstört wurde, gab es keinen Unterricht mehr und Stahl wurde im gleichen Jahr zum Heeresdienst eingezogen. Er kam als Sanitäter nach Schliersee. In seinen Ausbildungsbüchlein finden sich neben Skizzen zum Verband-Anlegen, Zeichnungen von Kühen und Pferden auf der Weide. Die Entnazifizierung beleuchtete die Vergangenheit und klassifizierte Franz Xaver Stahl als „Mitläufer“.

In Erding richtete sich Stahl nach dem Krieg ein Atelier im Elternhaus ein. Seine Schaffenskraft und der Drang zu malen waren ungebrochen: Pferde auf der Weide, grasende Kühe, Schafe im Pferch, Landleben und die bayerische Heimat war nach wie vor sein Thema! Die Verkäufe gingen sehr gut und die Preise waren hoch; dennoch trennte sich der Künstler nur ungern von seinen Bildern, malte sie oft zweimal um eins dann an Sammler abzugeben.

Die Frühjahrs- und Herbst-Ausstellungen im Haus der Kunst bestückte er ab 1950 bis zu seinem Tod gerne, Ausstellungen in Erding, eine große Schau ihm zu Ehren im Jahr 1967 in Prien und Beteiligungen an vielen Gemäldeschauen zogen viele Besucher und Käufer an. Am 16. November 1977, mitten in den Vorbereitungen zu einer Ausstellung anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt Erding starb Franz Xaver Stahl. Seine Witwe Margarete betreute seinen Nachlass um ihn nach ihrem Tod 2014 an die Stadt Erding zu vererben. Seit Herbst 2014 kann man nun das Wohn- und Atelierhaus Stahls und viele seiner Tiergemälde besichtigen.

Museumsleiterin Dr. Heike Kronseder konnte bisher über 14000 Besucher empfangen. „Das Haus mit seinem umfangreichen Nachlass ist ein großer Schatz“, weiß Heike Kronseder; „da Franz Xaver Stahl alles aufgehoben, nichts weggeworfen hat, kann man die schriftlichen Unterlagen und Dokumente als zeitgenössische Quellen für Forschungen zu vielen Bereichen der Kunst- und Kulturgeschichte verwenden.

„Hätten wir Corona nicht, dann wären sicher diverse Führungen im Haus des Tiermalers angeboten worden – ich freue mich, wenn endlich wieder Museumsbesucher das Haus bevölkern“, so Heike Kronseder.

Artikel vom 19.02.2021
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