Gedanken zum Fest von Pfarrer Thomas Kratochvil aus Taufkirchen

Advent heißt Ankommen

Pfarrer Thomas Kratochvil lädt zu einem Besuch der beiden Pfarrkirchen in Taufkirchen, St. Johannes und St. Georg herzlich ein. Foto: Privat

Pfarrer Thomas Kratochvil lädt zu einem Besuch der beiden Pfarrkirchen in Taufkirchen, St. Johannes und St. Georg herzlich ein. Foto: Privat

Taufkirchen · Liebe Leserinnen und Leser, Intimität und Nähe – das sind wesentliche Grundbedürfnisse im Leben von uns Menschen. Lebensgeschichtlich machen wir erste, wichtige Erfahrungen von Intimität als Säuglinge in der Beziehung zu den Menschen unserer nächsten Umgebung, vor allem zur Mutter, zum Vater und zu Geschwistern.

Für das Neugeborene sind es lebenswichtige Erfahrungen. Die Erfahrung von Intimität zeigt sich hier in körperlicher Nähe, wenn das Kind geherzt, geküsst und liebkost wird. Sie zeigt sich in Zärtlichkeit, in Sorge und Fürsorge. Sie ist Ausdruck von Liebe, bedingungsloser Liebe, die bei dem Kind das Gefühl hinterlässt: „Ich werde geliebt, weil ich bin.“

Diese Grunderfahrung der frühen Kindheit ist tief prägend für unser ganzes Leben. Wenn sie ganz oder teilweise vorenthalten wurde, werden wir vielleicht später ein Leben lang die Erfahrung machen, dass es schwerfällt, sich selbst als geliebt, wertvoll und angenommen zu empfinden. Die Aussage von Psalm 139 „Ich danke dir, dass du mich so wundervoll gestaltet hast“ wird nur schwer in der Tiefe des Herzens ankommen.

Gott sei Dank lassen sich versäumte Erfahrungen zu späteren Zeitpunkten im Leben nachholen, wenn ich mich meinen Defiziten bewusst stelle und mir meiner Sehnsucht bewusst werde. Intimität und Nähe: Grundbedürfnisse unseres menschlichen Daseins. Grundgelegt in der Kindheit müssen sie ein Leben lang immer wieder wahrgenommen und bewusst gestaltet werden.

Die Monate, in denen nun die Corona-Pandemie andauert, haben bewusst gemacht, wie wichtig Intimität und Nähe in unserem Alltag sind: Besuchsverbote in den Altenheimen, allgemeine Kontaktbeschränkungen, lange Phasen, in denen die Familie nicht oder nur „online“ zusammen kommen konnte, wenig Kontakt zu Freunden und Menschen meines Vertrauens. Viele Menschen haben gespürt, wie sehr uns die Nähe zu lieben Menschen fehlt und wie „arm“ unser Leben ist ohne Gemeinschaft zu anderen.

Intimität und Nähe: Darum geht es immer wieder auch in unserer Gottesbeziehung. Im Blick auf Jesus Christus erleben wir einen Gott, der sich uns Menschen ganz nahe macht: Gerade an Weihnachten feiern wir diesen Gott, der in Jesus Christus bei uns ankommen will: In dem kleinen Kind in der Krippe macht er sich uns „begreifbar“.

Früher kannte man den Brauch des „Kindlein-Wiegens“, in dem das Christuskind in den Arm genommen und nahe am Herzen gehalten wurde, um so die Nähe zu Christus zu suchen. Im Blick auf das Leben Jesu sehen wir: Jesus berührt Menschen und lässt sich berühren. Er legt Kranken die Hände auf, er segnet die Kinder, vor seinem Leiden lässt er die Berührung durch eine stadtbekannte Sünderin zu: Sie küsst Jesus die Füße, „wäscht“ sie mit ihren Tränen, trocknet sie mit ihren Haaren und salbt das Haupt Jesu mit kostbarem Öl. Jesus weint am Grab seines Freundes Lazarus. Im Abendmahlsaal lehnt der Lieblingsjünger Jesu an seiner Brust. Ich kann mir vorstellen, dass Johannes den Herzschlag Jesu nicht nur gehört, sondern auch gespürt hat. Was für ein intimer Moment, in dem Jesus sein Leben für uns hingibt und sich uns schenkt.

Gemeinsam mit dem Pfarrgemeinderat haben wir in unserem Pfarrverband überlegt, wie wir gerade in diesem Advent, der geprägt ist von der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen, ein besonderes Zeichen setzen können. Wir haben uns entschieden, an den Wochenenden, samstags und sonntags, sowie auch an den kommenden Feiertagen Zeiten der „Offenen Kirche“ anzubieten.

Während unsere Kirche St. Georg täglich geöffnet ist, ist unsere Kirche St. Johannes üblicherweise außerhalb der Gottesdienste geschlossen. Im Rahmend er „Offenen Kirche“ laden nun beide Kirchen zu einem kleinen Besuch ein. In dem extra bereit gestellten Kerzenständer können bereitliegende Vigilkerzen aufgesteckt werden. Zusammen mit einem Gebet oder liebevollen Gedanken an Menschen, deren Nähe wir vermissen, können wir uns und unser Leben so Gott anvertrauen. Wer will kann ein „Kraftwort“ aus der Heiligen Schrift ziehen und mit nach Hause nehmen.

Advent: das heißt „Ankommen“: In einem Moment der Stille bei mir sein, die Begegnung mit Gott suchen, seine Kraft und seinen Segen spüren, das kann eine Quelle für mein Leben sein. Vielleicht lässt sich das bei der „Offenen Kirche“ in einem stillen Moment auch in besonderer Weise erfahren.

Intimität und Nähe spielen in unserem Glauben eine große Rolle. Gott ist für uns kein Gott der Ferne, sondern immer wieder will er uns ganz nahe sein. Er lässt sich von uns anrühren und will auch selbst unser Leben berühren und mit seiner Nähe und Gegenwart erfüllen. Er ist kein Gott der Distanz, sondern möchte uns und unser Leben begleiten, bei uns sein, sich schenken und uns bereit machen, dass auch wir uns verschenken können. In der Nähe zu ihm kann unsere Sehnsucht nach Intimität und Nähe tiefe Erfüllung finden und unsere Defizite können in ihm heil werden. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich gesegnete Weihnachtstage. Auch an den Feiertagen werden unsere Kirchen offen sein!

Pfarrer Thomas Kratochvil

Artikel vom 23.12.2020
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