Kreativ & neu definiert

München · Wie die Kulturhäuser mit der Corona-Zeit umgehen

Das Pelkovenschlössl ist ein beliebtes Kulturhaus im Münchener Norden. Auch dies muss sehr zum Leidwesen der Moosacher vorerst geschlossen bleiben. Foto: Michael Müller-Riesenkönig

Das Pelkovenschlössl ist ein beliebtes Kulturhaus im Münchener Norden. Auch dies muss sehr zum Leidwesen der Moosacher vorerst geschlossen bleiben. Foto: Michael Müller-Riesenkönig

München · Es ist ein bitteres Déjà-vu: Der Lockdown hat uns wieder, allerdings noch nicht ganz so fest, wie im Frühling diesen Jahres. Im Rahmen des "Lockdown light", der seit Montag, 2. November bundesweit in Kraft getreten ist, ist wieder Vieles, vor allem im Freizeitbereich, verboten. Veranstaltungen aller Art werden - mit wenigen Ausnahmen - untersagt.

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Davon sind mal wieder die Kultureinrichtungen in den Stadtteilen als Erstes betroffen. Wie gehen sie mit diesem Hin und Her um? Das Münchner Wochenblatt hat bei zwei Kulturhäusern nachgefragt, was denn die Gedanken der Beteiligten sind und welchen Stellenwert die Kultur denn überhaupt in der Pandemie hat: über die Herausforderungen in Zeiten von C.

Julia Schönfeld-Knor ist Geschäftsleiterin des Kultur- und Bürgerhauses Pelkovenschlössl in Moosach. Vor dem Hintergrund des Corona Lockdowns und der allgemeinen Corona-Richtlinien hatte sich das Schlössl am Moosacher St. Martins-Platz auf die neue und noch nie da gewesene Situation innerhalb kürzester Zeit eingestellt. "Das Kulturprogramm wurde komplett durch neue Ideen und kreative Ansätze umgestellt", berichtet Schönfeld-Knor. "Nur so war es möglich, das kulturelle Leben hochzuhalten und Künstler in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dabei galt es immer, die sehr hohen Corona-Auflagen einzuhalten: Wir haben umgestellt auf Livestreaming oder Veranstaltungen im Freien. Das Livestreaming wurde überwältigend gut angenommen und wir haben sehr viele Clicks verzeichnet", freut sich die Moosacherin.

Ende August hat das Pelkovenschlössl am Programm „Sommer in der Stadt“, initiiert von der Landeshauptstadt München, teilgenommen und die Wanderbühne am Moosacher St. Martins-Platz konnte ein breites Publikum unterhalten. Herausforderungen gab es auch im Frühherbst, so das Kulturhaus: "Lange war nicht klar, wie das Format der Moosacher Musiknacht, das federführend vom Pelkovenschlössl und dem Kulturverein 'DIE LINIE 1' gestaltet und vom Moosacher Bezirksausschuss finanziell unterstützt wird, im Corona-Jahr umgesetzt werden kann. Es hat sich aber eine kreative Lösung gefunden und ein Moosacher Musiknach(t)mittag am 12. September erfreute an zehn Plätzen im Freien, in zwei Kirchen und einem Kinderprogramm ein begeistertes Publikum."

Die Resonanz war durchwegs positiv: "Viele Besucher haben sich während des Lockdowns gemeldet, ihre Solidarität bekundet und gefragt, wie es weitergeht. Über unser kreatives Angebot haben sich sehr viele gefreut, bedankt und uns ermuntert, weiterzumachen. Zur Unterstützung der Künstler, die per Livestream aufgetreten sind, haben wir um Spenden in Form eines freiwilliges Eintritts gebeten. Dem kamen viele nach: Wir konnten dadurch die Gagen aufstocken! Die Besucher und Schlössl-Freunde haben auch uns die Treue gehalten", freut sich die Geschäftsführerin.

Den Künstlern waren von jetzt auf gleich ihre Auftrittsmöglichkeiten weggebrochen. "Absagen über lange Zeiträume und keine oder kaum neue Engagements waren bei ihnen an der Tagesordnung", sagt Schönfeld-Knor. "Viele Künstler sind von Existenzängsten bedroht. Die Künstler, die dann bei unserem digitalen Kulturprogramm mitgemacht haben, konnten mit der Gage, die wir ihnen gezahlt haben, etwas Geld dazuverdienen."

Kultur sei wichtig im Leben der Menschen, resümiert sie schließlich. "Wir haben unseren Auftrag, Stadtteilkultur zu machen, kreativ umgesetzt und neu definiert. Und wir haben immer weiter gemacht, was möglich war. Kulturschaffende müssen kreativ sein und eben auch bereit sein, neue Wege zu gehen." Kurzgesagt: "Kultur ist immer wichtig! Das wurde durch die Pandemie sehr deutlich, wie es ist, wenn sie nicht mehr da ist. Die Seele fehlt. Und sowohl die Künstler als auch die Kulturinteressierten lernen, neue Wege zu gehen. Das ist dem Pelkovenschlössl hoffentlich gut gelungen. Für den Winter wird uns bestimmt wieder viel einfallen, wie wir die Stadtteilkultur auch in Corona-Zeiten lebendig halten können."

Auch Julia Schmitt-Thiel, Geschäfstführerin der Mohr-Villa in der Situlistraße 73, findet, Kultur ist und bleibt stets wichtig: "Kunst berührt uns im Innersten. Jeder kennt das Gefühl, wie eine Melodie einen in eine andere Zeit versetzen kann. Wie ein Buch, ein Film oder Theaterstück Tränen in die Augen drückt. Gerade in Zeiten der Unsicherheit und Isolation ist Kunst ein wichtiges Ventil und kann uns helfen, uns in diesen verrückten Zeiten selbst besser zu verstehen."

Die größte Herausforderung seien die ständig wechselnden Vorgaben aus der bayerischen Staatsregierung, sagt die Freimannerin. "Lange gab es große Unsicherheiten, was überhaupt wieder möglich ist, dann kamen im Juni die Änderungen im 3-Tage-Takt. Jetzt im Herbst kommen die Einschränkungen noch willkürlicher und gipfelten in der Schließung sämtlicher Kultur-Orte!", lässt sie ihren Frust aus.

"Die Stimmung kippt"

Dass die Künstlerinnen und Künstler zum Teil existenzielle Sorgen haben, weiß auch sie. "Sie suchen nach kreativen Wegen, ihrem Broterwerb weiter nachzugehen, aber es war auch unter den Lockerungen im Sommer sehr, sehr schwierig. Wirtschaftlich arbeiten war so gut wie unmöglich. Jetzt mit dem erneuten Lockdown kippt die Stimmung. Viele verstehen nicht, warum wieder die Kunst und Kultur als Erstes zurückstecken muss, obwohl es wenig bis keine Hinweise gibt, dass Theater, Lesungen und bestuhlte Konzerte Infektionen gefördert hätten. Im Gegenteil, die sorgfältigen Konzepte haben vielleicht sogar zu mehr Abstand und damit mehr Sicherheit geführt!", fügt sie hinzu. Ob die aktuellen Radikal-Maßnahmen den erhofften Erfolg mit sich bringen, damit die Kulturhäuser bald wieder öffnen können, und wie viel Kreativität diese noch an den Tag legen müssen, bleibt abzuwarten.

Von Daniel Mielcarek

Artikel vom 06.11.2020
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