Kultur auf Sparflamme

Mohr-Villa wieder geschlossen: Julia Schmitt-Thiel im Interview

Die Geschäftsleiterin Julia Schmitt-Thiel berichtet von den Herausforderungen während der Corona-Zeit.. Foto: Privat

Die Geschäftsleiterin Julia Schmitt-Thiel berichtet von den Herausforderungen während der Corona-Zeit.. Foto: Privat

Freimann · Das Schreckensszenario der Kulturhäuser hat sich wiederholt. Die Mohr-Villa in der Situlistraße ist als Kulturhaus eine der Einrichtungen, die im "Lockdown light" als Erstes die Türen für die Öffentlichkeit schließen mussten. Die Geschäfstleiterin Julia Schmitt-Thiel blickt in einem digitalen Interview mit der Münchener Nord-Rundschau auf diese schwierige Zeit zurück, aber auch nach vorne.

Weiteres zum Thema
München · Wie die Kulturhäuser mit der Corona-Zeit umgehen
Artikel vom 06.11.2020: Kreativ & neu definiert

Corona (COVID-19) in München und den Landkreise
Hier finden Sie aktuelle Regelungen und Infos zu Teststationen, Nachbarschaftshilfe, Einkaufsnotdienste u.v.m.

Julia Schmitt-Thiel: Das Schreckensszenario der Kulturhäuser hat sich wiederholt. Die Mohr-Villa in der Situlistraße ist als Kulturhaus eine der Einrichtungen, die im "Lockdown light" als Erstes die Türen für die Öffentlichkeit schließen mussten. Die Geschäfstleiterin Julia Schmitt-Thiel blickt in einem digitalen Interview mit der Münchener Nord-Rundschau auf diese schwierige Zeit zurück, aber auch nach vorne.

Frau Schmitt-Thiel, wie haben Sie die Zeit während der Schließung genutzt?

Julia Schmitt-Thiel: Wir sind im ersten Lockdown bereits am 13. März ins Home Office gegangen und haben den ungeplanten Leerstand genutzt und im April und Mai lange geplante Renovierungsarbeiten im Treppenhaus vorgezogen. Jetzt sind die Wände und Decken frisch gestrichen und nach fast 20 Jahren im Einsatz wurde das Lichtsystem ausgewechselt. Es ist endlich hell und freundlich im Eingangsbereich der Villa. Ein echter Willkommensraum entsteht.

Im Rahmen unseres interkulturellen Öffnungsprozesses haben wir die Renovierung nämlich gleich genutzt, um neue Akzente zu setzen. Die Offenheit und Vielfältigkeit der Mohr-Villa soll jetzt auch beim ersten Betreten der Villa spürbar werden. Durch helle warme Farben und klare Formen und bald auch einem Begrüßungstresen im 1. Stock. Wir sind sehr glücklich, dass unser Partner im Handwerk so flexibel reagiert hat.

Außerdem haben wir während der Schließung ein Hygiene- und Sicherheitskonzept für die Mohr-Villa entwickelt und in den Sommermonaten sehr erfolgreich angewendet. Wir hatten im Sommer den Spielbetrieb wieder aufgenommen und bis zur erneuten Schließung heute keine Corona-Fälle in unserem Team und bei unseren Gästen. Wir haben vernünftige Regelungen mit unseren verschiedenen Nutzergruppen gefunden und freuten uns, das jede Woche eine weitere Gruppe wieder angefangen hatte: jede mit einem eigenen Hygiene-Konzept, angepasst an die ganz individuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse. Nun mussten wir alle Veranstaltungen absagen und alle Nutzergruppen wieder heim schicken!

Wie spontan müssen Sie sein?

Julia Schmitt-Thiel: Sehr! Wenn das Wetter wechselte und wir verschieben mussten oder zwei Konzerte statt einem drinnen gespielt haben. Auch müssen wir uns immer wieder an die wöchentlich neuen Regeln aus der Staatskanzlei anpassen. Gerade so ein hybrides Haus wie wir, dass sowohl Kunst und Kultur, aber auch sehr viele soziale Projekte und Bildungsangebote ermöglicht, muss hier immer wieder zwischen den Zeilen lesen.

Wie sind bisher die Veranstaltungen in Zeiten von Corona abgelaufen?

Julia Schmitt-Thiel:Alles lief über vorherige Anmeldung - spontane Besuche versuchten wir zu ermöglichen, aufgrund der Abstandsregeln, waren die Plätze aber sehr begrenzt. Alle Gäste mussten sich in unsere Gästelisten eintragen und dort Namen und Kontakt hinterlassen.

Bei uns in der Mohr-Villa konnte im Sommer zum Glück sehr viel im Park und Garten stattfinden. Wir hatten Sommerkonzerte mit festen Sitzplätzen, immer zwei Stühle zusammen, dann mindestens zwei Meter Abstand zur nächsten Sitzgelegenheit; Maske tragen, bis man am Platz war. Genauso lief auch unser Theater "Grenzenlos". Hier konnte man schon im Internet die Karten vorbestellen und hat dann einen festen Sitzplatz zugeteilt bekommen. Für die Wege zur Toilette oder Bar haben wir Markierungen auf dem Boden und an den Wänden angebracht, damit sich die Wege der Gäste nicht unnötig kreuzten. Und natürlich haben wir die Villa mit Seife, Papierhandtüchern und Desinfektionsmittel ausgerüstet. Auf klassische Bewirtung haben wir komplett verzichtet. Getränke haben wir wenn überhaupt, nur Flaschenweise ausgegeben.

Wie war die Resonanz seitens der Besucher?

Julia Schmitt-Thiel: Unsere Gäste waren großartig! Du merkst richtig, wie alle es genossen haben, wieder gemeinsam Kunst zu erleben. Sei es beim Besuch einer Ausstellung oder im Konzert. Die Menschen haben die Auflagen selbstverständlich hingenommen und waren entspannt und geduldig, wenn es bei den Besucherlisten mal etwas länger gedauert hat...

Besonders berührt hat mich, dass gerade Menschen aus den sogenannten Risiko-Gruppen sehr stark auf uns zugekommen sind. Viele suchten die Möglichkeit für Begegnung im geschützten und sicheren Rahmen der Mohr-Villa. Denn wir haben Platz, viele Fenster und den wunderbaren Garten und Park.

So haben wir zum Beispiel ermöglicht, einen 80. (!) Geburtstag in der Mohr-Villa zu feiern. Denn der Freimanner Jubilar hätte in der eigenen Wohnung zu wenig Platz gehabt für seine 18 Gäste - bei uns gabs viel frische Luft und den Raum für großzügigen Abstand. Auch Menschen mit geschwächtem Immunsystem wollten und wollen auf ihre Kurse in der Mohr-Villa nicht verzichten. Die Gäste des Ateliers für Menschen mit Krebs waren mit die Ersten, die nach dem ersten Lockdown sich wieder in der Villa treffen wollten.

Ich glaube, dass gerade Menschen, die eh schon zurückgezogen Leben, durch die Pandemie noch isolierter sind. Gerade für diese Zielgruppe, haben wir versucht, Angebote zu machen. So zum Beispiel ein Begegnungs-Café mit kulturraum münchen und auch das Reparatur-Café - ohne Café - war hier ein wichtiger Anker.

Danke für das Interview, Frau Schmitt-Thiel! Wir wünschen Ihnen und dem Kulturhaus alles Gute. dm

Artikel vom 06.11.2020
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...