Handchirurgie der Kreisklinik Ebersberg leistet mehr als nur Symptome lindern

Ebersberg · Was tun bei einem Karpaltunnelsyndrom?

Handchirurg Dr. Timm Engelhardt untersucht eine Hand. Foto: Alexander Zettl

Handchirurg Dr. Timm Engelhardt untersucht eine Hand. Foto: Alexander Zettl

Ebersberg · Einer der häufigsten operativen Eingriffe in der Handchirurgie ist die Beseitigung von Nervenengpässen. Dabei steht das Karpaltunnelsyndrom an oberster Stelle. Im Grunde genommen ist es ein von unterschiedlichen chirurgischen Fachdisziplinen vorgenommenen Routineeingriff.

Warum es in manchen Fällen empfehlenswert ist, bei diesem Krankheitsbild einen spezialisierten Handchirurgen aufzusuchen, erläutert Dr. Timm Engelhardt, Chefarzt der Plastischen Chirurgie und Handchirurgie der Kreisklinik Ebersberg.

Dr. Engelhardt, bitte erklären Sie, was ein Karpaltunnelsyndrom ist.

Dr. Engelhardt: Der sogenannte Karpaltunnel ist eine anatomische Engstelle an der Handwurzel, durch den Beugesehnen, Sehnengleitgewebe und der Mittelnerv der Hand (Nervus medianus) verlaufen. Letzterer verzweigt sich in der Hand zu mehreren Nerven, die bis in den Daumen, den Zeige- und Mittelfinger sowie zur Hälfte in den Ringfinger reichen. Das sorgt dafür, dass wir über den wichtigen Tastsinn verfügen und feinmotorische Bewegungen ausführen können, etwa mit Daumen und Zeigefinger etwas Spitzes aufheben. Auf der Hohlhandseite wird der Karpaltunnel durch ein straffes Band begrenzt, das sogenannte Karpaldach, auf der anderen Seite durch die Handwurzel. Entsteht Druck auf den Mittelhandhandnerv, etwa durch eine Entzündung und damit verbundene Schwellung des umgebenden Bindegewebes oder vermehrtes Sehnengleitgewebe im Karpaltunnel, kann es zu Taubheitsgefühlen in den genannten Fingern und zu nächtlichen Ruheschmerzen, die in die Schulter ausstrahlen, bis hin zu Funktionsstörungen der Hand kommen. Dies nennt man Karpaltunnelsyndrom.

Was kann man dagegen tun?

Dr. Engelhardt: Bei milden Formen und einer kurzen Krankheitsdauer reicht es oft schon, die Hand zu schonen und gegebenenfalls nachts eine Handgelenksschiene zu tragen. Bei einer Entzündung können abschwellende und entzündungshemmende Medikamente helfen. Wenn diese Maßnahmen erfolglos bleiben, empfehlen wir eine Operation. Das Ziel hierbei ist eine dauerhafte Druckentlastung des Nervus medianus.

Wie sieht dieser Eingriff konkret aus?

Dr. Engelhardt: In der Regel wird bei dem Eingriff durch einen kleinen Schnitt in der Hohlhand das straffe Band in Längsrichtung durchtrennt, im Fachjargon nennen wir das „Karpaldachspaltung“. Das hat keinerlei negative Auswirkungen auf die Hand, sie bleibt trotzdem stabil. Aber wir schaffen dadurch sofort mehr Platz im Karpaltunnel. Die Durchblutung und der Stoffwechsel des Mittelnervs und damit die sensomotorischen Funktionen der Hand werden wieder hergestellt.

Das hört sich einfach an. Kann es auch Komplikationen geben?

Dr. Engelhardt: Bei einem erfahrenen Operateur sind diese eher selten. Aber mit dieser Operation werden lediglich die Symptome gelindert, nicht jedoch immer die Ursache bekämpft. Wir Handchirurgen arbeiten sozusagen ganzheitlich, das heißt, wenn die Ursache zum Beispiel keine altersbedingte Vermehrung des Sehnenbegleitgewebes ist, sondern eine krankhafte, ausgelöst durch eine Beugesehnenscheidenentzündung, wird bei der Operation gleichzeitig dieses Gewebe über mehrere Zentimeter hinweg entfernt.

Wie diagnostizieren Handchirurgen mögliche Ursachen?

Dr. Engelhardt: Vor der Operation findet eine ausführliche Untersuchung der oberen Extremitäten inklusive einer elektrischen Messung der Nervenfunktion durch unsere kooperierenden Neurologen statt. Zu Beginn der Operation nehmen wir dann die gesamte Hand wortwörtlich genau unter die Lupe. Der Arm wird „ausgewickelt“, eine Manschette am Oberarm hemmt für eine kurze Zeit die Blutzufuhr zur Hand, so dass wir mithilfe einer Lupenbrille oder unter dem Mikroskop eine hervorragende Übersicht über die Nerven- und Sehnenstrukturen der Hand gewinnen können. Das ist wichtig, denn bei langer Krankheitsdauer oder entzündlichen Veränderungen kann es auch zu einer Verengung der Nervenhülle kommen, die wir dann zusätzlich lösen. Oft sind jedoch Schmerzen am Handgelenk oder Daumen nicht nur auf ein Karpaltunnelsyndrom zurückzuführen, sondern auf andere degenerative Erkrankungen, die insbesondere den Daumen, das Daumensattelgelenk und Teile des Handgelenks betreffen. Seltenere Ursachen für eine Druckschädigung des Nervs können auch Tumore in der Hand oder ein ausgekugeltes Gelenk sein. Kurz gesagt: Die Expertise eines Handchirurgen geht weit über die operative Therapie eines Karpaltunnelsyndroms hinaus. Wir begleiten den Patienten so lange, bis die Ursache gefunden ist, um diese dann gegebenenfalls operativ zu beheben.

Welche Folgen kann eine langanhaltende Druckschädigung des Mittelnervs haben?

Dr. Engelhardt: Bei einem schweren und lange anhaltenden Verlauf des Karpaltunnelsyndroms oder einer Verletzung des Nervs kommt es zu Schädigungen der Daumenballenmuskulatur, einhergehend mit Muskelschwund und deutlichen Bewegungseinschränkungen.

Kann das wieder rückgängig gemacht werden?

Dr. Engelhardt: Aufgrund seiner hohen Spezialisierung – neben der Facharztausbildung zum Plastischen- und Ästhetischen Chirurgen, Orthopäden oder Allgemeinchirurgen ist das eine dreijährige Weiterbildung zum Handchirurgen – hat der Handchirurg die Möglichkeit, durch rekonstruktive Operationen die Funktion des Daumens wiederherzustellen, etwa durch das gezielte Umlagern intakter Nerven und Sehnen. Doch soweit sollte man es gar nicht erst kommen lassen.

Sybille Föll

Artikel vom 03.09.2020
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