Kein "Kinderspiel" mehr

Mittagsbetreuung in Bogenhausen in Corona-Nöten

Als Mittagsbetreuung noch ein Kinderspiel war: Schülerinnen der Mittagsbetreuung im Kindertreff Bogenhausen vor der Corona-Pandemie. Foto: KJR

Als Mittagsbetreuung noch ein Kinderspiel war: Schülerinnen der Mittagsbetreuung im Kindertreff Bogenhausen vor der Corona-Pandemie. Foto: KJR

Bogenhausen · Die Hygiene- und Abstandsregeln zum Infektionsschutz stellen Mittagsbetreuungen in München vor kaum überwindbare Probleme. Sie brauchen mehr Räume, mehr Personal und vor allem klare Vorgaben, an die sie sich halten können.

Doch leider fehlt es an allen dreien. Regina Moninger ist eine zupackende Frau. Seit 12 Jahren leitet sie den Kindertreff Bogenhausen, im letzten Herbst hat sich die Zahl der Kinder in der Mittagsbetreuung verdreifacht.

Moninger managte die zusätzliche Arbeit mit sechs neuen Mitarbeitenden souverän. Doch wie sie jetzt die Kinder unter den geltenden Hygieneregeln betreuen darf und soll, weiß sie nicht. Weil sie nicht weiß, was genau für ihre Mittagsbetreuung gilt. Anderthalb Meter Mindestabstand? Oder mehr? Maskenplicht? Desinfektion? Festes Personal bei der immer gleichen Gruppe? Weitere Vorkehrungen?

„Wir haben bisher nur ein einziges Schreiben vom Kultusministerium erhalten“, sagt Moninger, „und das war unkonkret und wenig hilfreich.“ 91 Schülerinnen und Schüler der benachbarten Grundschule an der Stuntzstraße betreut sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen jeden Tag, normalerweise. Vor Corona waren die Kinder auf drei Standorte verteilt. Ein Klassenzimmer im Schulgebäude, Gruppenräume im benachbarten Pfarrheim St. Johann von Capistran und die beiden Räume im Kindertreff Bogenhausen selbst.

Jetzt aber, mit Corona, steht Moninger vor einem unlösbaren Problem. Wie soll sie die Kinder auf Sicherheitsabstand halten? Der Kindertreff ist klein, der Eingangsbereich gerade so anderthalb Meter breit. Steht nur ein Kind im Flur, kann niemand mehr vorbei. Selbst im Tobezimmer, es misst 30 Quadratmeter, ist das nicht besser. Darin stehen ein fest eingebautes Kletterhäuschen und, es ist ja ein Tobezimmer, ganz viele Matratzen. „Hier können wir das Abstandhalten nicht gewährleisten“, sagt die Pädagogin, „deshalb kann auch dieser Raum immer nur von einem Kind alleine genutzt werden.“

Der Gruppenraum ist nur zehn Quadratmeter größer, hier stehen kleinere Tische, Kicker, Billardtisch, zwei kleine Sofas für die Ruheecke und eine kleine, offene Küche. Wo sich normalerweise bis zu 30 Kinder um die Tische scharen, dürfen jetzt höchstens 15 hinein. Genau genommen hat das Kultusministeriums diese Maximalzahl nur für den Unterricht erlassen, für Mittagsbetreuungen gibt es dazu keine Aussage. Aber der Kindertreff übernimmt sie. Um die größte Not zu lindern, stellt die Schule bis zu den Pfingstferien ein zusätzliches Klassenzimmer bereit.

Die Raumnot ist nur eins der Probleme

Dabei ist die plötzliche Raumnot nur eins der Probleme. Ebenso fordernd ist die Gruppenaufteilung. Die Schule hat zwei erste und zwei vierte Klassen und aus allen gehen Kinder zur Mittagsbetreuung. Die vier Klassen wurden jetzt wie überall geteilt. Im Sinne des Infektionsschutzes wäre es, Kinder, die in der Schule in getrennten Gruppen lernen, hinterher nicht zusammenzuwürfeln. Dafür bräuchte Moninger pro Gruppe einen eigenen, ausreichend großen Raum und Personal, das nur für diese Kinder zuständig ist. Oft sind es jedoch Kolleginnen mit nur wenigen Stunden pro Woche, die auch nicht spontan aufstocken können oder wollen. „Eine komplette Woche lang eine Gruppe mit täglich den gleichen Personen zu betreuen, die auch möglichst nicht in einer der anderen Gruppen eingesetzt werden sollen, das ist extrem schwierig“, sagt sie.

„Zum Glück hat sich die Schule bemüht, alle Viertklässler, die zur Mittagsbetreuung gehen, in die gleiche Gruppe einzuteilen“, berichtet Moninger, und „zum Glück haben einige Eltern entschieden, ihre Kinder zunächst weiterhin zuhause zu betreuen. Sonst wäre das für uns kaum machbar gewesen.“ Letzte Woche kamen nur fünf Viertklässler, angemeldet sind 16. „Ich kann nur hoffen, dass nicht alle kommen!“, sagt sie.

Weniger Glück hatten sie und ihr Team bei den ersten Klassen, die vorletzte Woche hinzugekommen sind. Die 21 Kinder verteilen sich auf alle vier Klassenhälften. Theoretisch müsste sie diese in vier getrennten Räumen betreuen – so viele stehen Moninger normalerweise insgesamt zur Verfügung, und zwar gemeinsam für alle Jahrgangsstufen. Gekommen sind nur 13 Erstklässler, aber das kann sich jeden Tag ändern.

Ganz ähnlich ist das auch am anderen Ende der Stadt, im Jugendtreff Neuaubing. Rund 30 Fünft- bis Neuntklässler kommen von der Mittelschule an der Wiesentfelser Straße hierher zur Offenen Ganztagsschule mit Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung. Statt der 30 Plätze ist das Kontingent derzeit auf 15 begrenzt, um den Abstandsregeln gerecht zu werden. In den letzten Tagen kamen höchstens fünf Kinder, denn die neunten Klassen schreiben gerade Quali und die sechsten und siebten dürfen noch nicht zur Schule. „Ich sehe uns aber noch ganz weit entfernt davon, dass wir bald wieder auf 20 oder mehr rauffahren“, sagt Pädagoge Stefan Hoppe.

Zusätzlich sind da ja auch noch die Kinder der Notbetreuung. Im Kindertreff Bogenhausen werden sie schon seit Wochen in zwei Gruppen an zwei getrennten Standorten betreut. Insgesamt bräuchte Regina Moninger acht Räume und mindestens zehn Mitarbeitende, die sie nicht hat.

„Die Maskenpflicht ist für uns nur bedingt umsetzbar“

Aber bräuchte sie das wirklich? Das weiß die Leiterin immer noch nicht. „Verbindliche und konkrete Anweisungen erhalten wir derzeit überhaupt nicht“, klagt sie. „Die meisten Informationen haben wir aus den Medien oder von der Schulleitung.“ Auf konkrete Vorgaben des Kultusministeriums wartet sie bislang vergeblich.

Und Masken? Wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln, sind die ja empfohlen oder gar Pflicht. „Das ist für uns nur bedingt umsetzbar“, sagt Moninger. „Das hieße für die Kinder ja, eine Maske aufzusetzen, sobald sie nicht am Tisch sitzen“. Dass die Grundschulkinder damit sachgerecht umgehen, kann sie sich nicht vorstellen.

Das ist auch für ältere Schülerinnen und Schüler schwierig, berichtet Stefan Hoppe aus Neuabing. Bei seinen 5.-Klässlern muss er permanent an das Hygiene- und Abstandsgebot erinnern. „Man kann sich sicher sein, dass die Kids draußen engen Kontakt halten“, sagt er. Da sei es für sie drinnen sehr schwierig, nachvollziehen, warum sie Masken aufziehen müssen, sobald sie nicht an ihrem festen Platz sitzen.

Die Alternative wäre, während des gesamten Aufenthalts eine Maske zu tragen, also bis zu sechs Stunden. „Das kann ich den Kindern nicht zumuten“, sagt Regina Moninger. Ganz davon abgesehen, dass dafür ausreichend Masken fehlen. Andererseits ist es illusorisch, Kinder stundenlang an Einzeltischen sitzen zu lassen. Das müssen sie schon in der Schule, hier haben sie so viel Platz gar nicht. Und außerdem ist da ja der berechtigte Bewegungsdrang der Kinder nach dem Unterricht.

Zum Glück hat der Kindertreff eine Freifläche, „wir bemühen uns, die Kinder möglichst viel im Freien zu beschäftigen, da an der frischen Luft das Ansteckungsrisiko geringer ist“. Ein Glück auch, wenn es trocken ist wie derzeit. Und wenn die Kinder wieder gehen, müssen die Pädagoginnen und Pädagogen hoffen, dass sie mehr mitnehmen als nur gemachte Hausaufgaben.

Denn für sie selbst bedeutet ihre Arbeit auch ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. „Weil die Kids sich schwertun, sich an die Regeln zu halten“, sagt Hoppe. Das funktioniert schon immer mal wieder. „Aber neulich standen sie bei uns zu dritt vorm Eingang und wollten zu zweit aufs Fahrrad.“

Artikel vom 02.06.2020
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