Im Einsatz für das Bier

Bayern · Selbstversuch: Redakteur hilft mit beim Hopfenandrehen

Wochenanzeiger-Redakeur Stefan Dohl berichtet von seinen Erfahrungen beim Hopfenanleiten in der schönen Hallertau. Im Juni/Juli bilden sich dann die Hopfendolden aus. Nun ist es nicht mehr weit bis zur Ernte im Spätsommer. Fotos: Privat / CC0

Wochenanzeiger-Redakeur Stefan Dohl berichtet von seinen Erfahrungen beim Hopfenanleiten in der schönen Hallertau. Im Juni/Juli bilden sich dann die Hopfendolden aus. Nun ist es nicht mehr weit bis zur Ernte im Spätsommer. Fotos: Privat / CC0

Bayern/München · Der Monat Mai ist für die bayerischen Hopfenbauer traditionell der Monat, in dem der Hopfen "angeleitet" wird. Aus jedem Stock in den Hopfengärten wachsen 40 bis 60 Triebe der wertvollen Hopfenpflanzen. Für eine normale Entwicklung werden allerdings nur 4 bis 6 der Triebe benötigt. Die übrigen werden abgeschnitten. Die benötigten Triebe werden "angeleitet", dass heißt sie werden im Uhrzeigersinn um den Aufleitdraht gewickelt.

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Dies ist eine Hilfestellung für die Hopfentriebe, damit sie anschließend leichter weiterwachsen können. Eine jedes Jahr besonders arbeitsintensive Zeit. Vor allem in der Hallertau. Im weltweit größten Hopfenanbaugebiet werden über 80 Prozent des deutschen Hopfens produziert. Doch durch die Corona-Pandemie ist seit März in ganz Europa die Reisefreiheit eingeschränkt. Das führt dazu, dass auch den Hopfenbauern zahlreiche Arbeitskräfte aus Osteuropa abgehen.

Gleichzeitig können viele Menschen, die etwa in der Gastronomie beschäftigt sind, nicht arbeiten. Andere, wie Studenten, sind zum Zuhause bleiben verdammt. Außerdem sind viele derzeit in "Kurzarbeit". Für all diese Menschen wurde die Aktion "Das Land hilft" gestartet.

Auf der Jobbörse unter daslandhilft.maschinenring.de haben zahlreiche Landwirte inseriert, die aktuell nach Helfern suchen. Auch ich habe über diese Plattform einige Landwirte in der nahen Hallertau angeschrieben, um meine Hilfe anzubieten. Da ich derzeit in Kurzarbeit bin und dementsprechend "mehr Zeit" habe, war dies als "Bier-Enthusiast" eine Ehrensache für mich. Als Bergfex und Naturliebhaber sah ich mich auch konstitutionell für diese Arbeit gewappnet.

Zusagen bekam man erfreulicherweise ziemlich schnell. Erst per E-Mail, dann per WhatsApp. Letztendlich traf die Wahl auf den Hopfenbauern Stefan Goldbrunner in Au in der Hallertau. Doch erstmal hieß es abwarten. Der Hopfen wuchs wegen der kalten Nächte Ende April nicht so schnell wie erhofft, teilte mir Goldbrunner mit. So hat sich der Start um einige Tage verzögert. Meine Vorfreude steigt.

Wann hat man schon mal als "normaler" 40-Stunden-Vollzeitler die Möglichkeit, in der Landwirtschaft mitzuhelfen. Nach zwei weiteren Tagen in der Redaktion kam nun der "Einsatzbefehl". Endlich konnte es los gehen. Um pünktlich um 6.30 Uhr am Hof zu sein, stellte ich mir den Wecker auf 5 Uhr. Eine wertvolle halbe Stunde mehr Zeit für Kaffee und Joghurt. Und für die 30 Kilometer über Landstraße von Neufahrn bis in Au ist man fast 40 Minuten unterwegs. Doch an diesem Tag erreichte Bayern der lang ersehnte Regen nach wochenlanger Trockenheit.

Der "Kick-Off" wurde in der Früh per Whatsapp auf die Mittagsstunden verlegt. Also kurz wieder ins Bett, nochmal Kaffee und Brotzeit, dann sollte es endgültig losgehen. Sogar der Regen hatte nun ein Einsehen und verzog sich allmählich gen Süden. Nach Au kommt man über Freising und die B301 - die Deutsche Hopfenstraße.

Eine Fahrt in einen ursprünglichen Teil Bayerns. Ländlich, ursprünglich, griabig und vor allem hopfig. Bei Attenkirchen tauchen bereits die ersten Hopfenfelder auf. Nun war es nicht mehr weit bis zum Goldbrunner Hof in Haarbach. Die meisten der ungefähr 15 Helfer hatten sich bereits eingefunden - eine bunte Mischung aus Freisinger Studenten, Menschen in Kurzarbeit, Leuten aus der Gmoa und einige der wenigen Profi-Hopfenanleiter aus Polen.

Dann hieß es Regenhose, Gummistiefel und Regenponcho an, Hut aufgesetzt und schon ging es auf dem Bulldog-Anhänger aufs Feld. Hier wies Stefan Goldbrunner die Neuankömmlinge in die Kunst des Hofenanleitens ein. Wie bereits erklärt, werden an jedem Hopfenstock jeweils drei Triebe im "Uhrzeigersinn" an die beiden Aufleitdrähte angedreht. Außer zwei Reservetriebe, wird der Rest mit einem Spezialmesser weggeschnitten. Was einfach klingt, erfordert doch einiges an Geschick und Ausdauer. Es gilt immer möglichst gleich lange Triebe anzudrehen.

Doch nicht selten brechen diese aber auch ab oder es gibt kaum Triebe die gleichlang sind. Für all diese Probleme hatte der Hopfenbauer eine solide und einleuchtende Lösung. Mit jeder Stunde gewinnt man an Selbstsicherheit und so manche anfängliche Hürde wurde mit ein paar Schnitten aus der Welt geschafft.

Vor allem für "Schreibtischtäter" wie mich ist die Arbeit im Feld ungewohnt. "Knie- und Rückenschmerzen merkt man nach drei Tagen nicht mehr", hieß es hierzu von einem der Helfer. "Dann passt's ja", dachte ich mir. Auch wenn ich mir das nach dem ersten Tag bei bestem Willen nicht vorstellen konnte. Einfach alles tat weh. Denn das Arbeiten findet die meiste Zeit im Knien statt. Nach mehreren Stunden wurde das Knien bei manchen auch zum Liegen. Hauptsache mal die Beine kurz ausstrecken. So arbeitete man sich von Trieb zu Trieb und war ganz erstaunt, was man an einem Tag alles schaffen kann. Bis abends waren zwei komplette Hopfenfelder fertig. Profis benötigen im Schnitt übrigens nur zwei Minuten für das "Anleiten" eines Triebes. Für absolute Anfänger wie mich erstmal unvorstellbar. Hatte man einen schönen Trieb vor sich, brachte ich es auf minimal drei Minuten. Sehr positiv geschätzt.
Gearbeitet wurde auf dem Goldbunner Hof in der Regel von 6.30 bis ca 18.00 Uhr.

Dazwischen gab es eine Stunde Mittag mit Brotzeit und Getränken. War ein Feld "erledigt", konnte man sich ebenfalls eine Trinkpause gönnen. Die Arbeiten auf den Hopfenfeldern der Hallertau laufen noch den ganzen Mai auf Hochbetrieb. Da die Triebe vom Wind während des Wachstums gelegentlich wieder abgetrieben werden, muss freilich auch noch einige Male "nachgeleitet" werden.

Nun hat die Pflanze bis Johanni (23. Juni) Zeit, die Gerüsthöhe von knapp sieben Metern zu erreichen. Mit dem Landregen und reichlich Sonnenschein beginnt die Pflanze dann zu blühen und bildet nach ca. drei bis vier Wochen Dolden aus. Nach weiteren zwei bis drei Wochen kommt es dann zum Hopfenzupfen. Auch die Erntezeit für Hopfen hängt stark von der Witterung und dem Standort ab. Meist ist es Ende August oder im September so weit. Dann werden wahrscheinlich wieder fleißige Helfer benötigt. Zum "Hopfazupfa" werde auch ich mich wieder ins Arbeitsgewand werfen. Natürlich auch um zu schauen, ob die Triebe aus dem Mai etwas "Gscheits" geworden sind.

Von Stefan Dohl

Artikel vom 15.05.2020
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