„Landwirtschaft im Landkreis Erding

Sind Milchkühe im Landkreis Erding ein Auslaufmodell?

Wie fast überall in Bayern unterliegt auch im Landkreis Erding die Landwirtschaft rückläufigen Entwicklungen. Foto: Stefan Dohl

Wie fast überall in Bayern unterliegt auch im Landkreis Erding die Landwirtschaft rückläufigen Entwicklungen. Foto: Stefan Dohl

Erding/Landkreis · Die Landwirtschaft im Landkreis ist seit je her geprägt durch die Milchviehhaltung. Der Erhalt unserer schönen Kulturlandschaft vor unserer Haustüre ist möglich, weil das Grünland sinnvoll für die Verfütterung an Rinder eingesetzt werden kann. Aktuell läuft die Ernte des ersten Schnittes, der i.d.R. als Grassilage einsiliert wird.

Wir haben im Landkreis 646 Betriebe mit Milchkühen, die einen durchschnittlichen Tierbestand von 41,5 Kühen vorweisen können (Quelle: Bayer. Landesamt für Statistik 1.3.16). Aktuell stehen diese Betriebe, wie auch viele ihrer Berufskollegen aufgrund der Corona Problematik unter Druck. Der Absatz für die erzeugten Produkte bricht weg, die Preise für landwirtschaftliche Produkte fallen, Betriebsmittel müssen aber gekauft und die Tiere versorgt werden.

Die Erdinger Milchbauern liefern ihre erzeugte Milch an das Milchwerk Jäger in Haag und an die Molkerei Meggle in Wasserburg. Auf unserer Facebook Seite berichteten wir über einen Beitrag vom 3. April 2020 in der Sendung „Unser Land“ im Bayerischen Rundfunk beim Milchwerk Jäger, das auf die Herstellung von Mozzarella spezialisiert ist. Damals boomte das Geschäft noch, von April auf Mai sind die beiden Molkereien dann mit dem Milchpreis um 2 Cent nach unten gegangen, Meggle machte mit seinen Lieferanten nur einen Vertrag für Mai, Jäger legte diesen Preis für Mai bis August fest. Der vereinbarte Abschluss nähert sich sehr stark an den Preis bei der Milchkrise 2008/09 an. Inzwischen sind aber die Gestehungskosten für die Milch stark angestiegen (z.B. Löhne, Futter, Energie, Inflation). Mit den aktuellen Milchauszahlungspreisen wird es für die Landwirte zunehmend eine Herausforderung, rentabel zu wirtschaften.

Erfahrungsgemäß geht die Absatzmenge der Molkereien durchschnittlich zu einem Drittel in die Gastronomie. Dieser Markt ist durch die Schließung von Volksfesten und Gaststätte weg gebrochen. Molkereien, die ihre Produktion auf diesen Bereich ausgerichtet haben, bekamen folglich Absatzprobleme. Daher ist es für die Milchbauern sehr wichtig, dass die Gaststätten jetzt wieder öffnen. Der Effekt wird aber sicher nicht sofort spürbar sein, weil die Plätze nur etwa zur Hälfte belegt werden dürfen und die großen Volksfeste sind für dieses Jahr bereits ersatzlos gestrichen. Nun sind auch die Molkereien gefordert, sich neue Absatzmöglichkeiten zu erschließen. Manche unserer Bauern haben sich bereits umgestellt und bieten den Verbrauchern Milchautomaten an, wo jederzeit frische, regionale Milch in bester Qualität selbst gezapft werden kann, auch eine Hofmolkerei gibt es bereits im Landkreis.

Die Szenario-Studie des Institute of Brand Logic, bei der 200 Entscheider im deutschsprachigen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) befragt wurden, zeigt: Die meisten Unternehmen rechnen damit, dass die Folgen der Pandemie auf ihr Geschäft noch einige Monate anhalten und zum Teil langfristig nachwirken werden. Die EU bietet zur Marktentlastung des Milchmarktes aktuell ein Programm an, das die private Lagerhaltung unterstützt. Seit dem 7. Mai und bis voraussichtlich 30. Juni können Anträge auf Beihilfen zur privaten Einlagerung von Butter, Magermilchpulver und Käse und damit zur schnellen und kurzfristigen Marktentlastung gestellt werden.

Für die Erzeugung von 1 kg Butter werden ca. 18 Liter Mich, für die Erzeugung von 1 kg Käse ca. 10 Liter Milch und für die Erzeugung von 1 kg Magermilchpulver ca. 7 Liter Milch benötigt.

Die Bayern MEG (Dachorganisation der Milcherzeugergemeinschaften) warnt eindringlich, dass alle betriebsindividuellen Möglichkeiten genutzt werden sollten, um die Milchmenge kurzfristig deutlich einzuschränken. Der Selbstversorgungsgrad in der BRD beträgt aktuell 111%. Nach den Vorstellungen der Bayern MEG muss die Produktion dem aktuellen Bedarf angepasst werden. Eine andere Strategie hat der BDM (Bundesverband der deutschen Milchviehhalter), der eine europaweite Regelung mit dem Ziel einer Reduzierung der Milchmenge bei allen Milchviehbetrieben einfordert. Die neu gegründete Kuhgewerkschaft, die hauptsächlich im Norden Deutschlands aktiv ist, fordert einen finanziellen Ausgleich für jeden nicht gelieferten Liter Milch, um die Futter- und Tierarztkosten zu decken und um Kühe nicht zum Schlachthof bringen zu müssen.

Erreicht werden solle dies durch eine um ein paar Wochen längere Trockenstehperiode, was aber in der Umsetzung für die Betriebe aufgrund fehlenden Platzangebotes nicht sehr praktikabel ist. Der Bayerische Bauernverband (BBV) fordert in der Corona-Krise, dass Molkereien mit Absatzschwierigkeiten gemeinsam mit ihren Landwirten die erzeugten Milchmengen vorübergehend freiwillig senken und diese Maßnahme durch Bund und Länder finanziell unterstützt wird.

Kürzlich berichtete die Bayerische Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber sehr positiv über Aldi, der die Preise für Milchprodukte als einziger Partner im LEH erhöht hat. Wir hoffen dass auch die anderen Marktakteure ihrer Verantwortung gerecht werden nach der Devise „Leben und leben lassen“. Die aktuell stattfindende Wertevernichtung in der Krise bringt niemanden etwas, beschleunigt nur den Strukturwandel in der Landwirtschaft und macht den familiengeführten, kleinstrukturierten Betrieben bei uns im Landkreis das Überleben schwer.

gez. Michael Hamburger, Landwirtschaft im Landkreis Erding

Artikel vom 14.05.2020
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