"Auf unserer grünen Wiese"

Trudering · Gelungenes Politiker-Derblecken beim 20. Truderinger Ventil

Die Doubles und die Originale: Kristin Sikder und Kristina Frank, Ventil-Chef Winfried Frey, Elisabeth Grünebach und Katrin Habenschaden, Werner Hartmann und Dieter Reiter (von links nach rechts). Foto: Carolin Haßlberger

Die Doubles und die Originale: Kristin Sikder und Kristina Frank, Ventil-Chef Winfried Frey, Elisabeth Grünebach und Katrin Habenschaden, Werner Hartmann und Dieter Reiter (von links nach rechts). Foto: Carolin Haßlberger

Trudering · Kurz vor der Kommunalwahl ließen es sich die Oberbürgermeister-Kandidaten Dieter Reiter (SPD), Kristina Frank (CSU) und Katrin Habenschaden (Grüne) nicht nehmen zum 20. Truderinger Ventil – Starkbierfest zu kommen. Im bis auf den letzten Platz besetzten Kulturzentrum warteten die Truderinger gespannt auf das diesjährige Politiker-Derblecken im Münchner Osten.

Unter dem Motto „Auf unserer grünen Wiese“ zeigte in gewohnter und gekonnter Weise Ventil-Chef Winfried Frey, das der Wahlkampfendspurt wie die Klimaerwärmung ist, nämlich heiß und gefährlich. Mit der Frage: „Wer wird für die nächsten sechs Jahre der Ober-Boss der Insektengemeinschaft?“ füllte sich beim Singspiel nach und nach die grüne Wiese mit den potenziellen Kandidaten. Im vermeintlichen grünen Idyll trafen sich ein gemütlicher Marienkäfer als Dieter Reiter (gespielt von Werner Hartmann), eine stylische Spinne als Kristina Frank (gespielt von Kristin Sikder) und ein hopsenden Grashüpfer als Katrin Habenschaden (gespielt von Elisabeth Grünebach) sowie eine alte behäbige Rentner-Schnecke (gespielt von Petra Auer), die immer wieder zwischendurch die anwesende Insektengemeinschaft vor den menschlichen Gefahren, wie den Kieswerk-Bombern aus Salmdorf oder naherholungssuchende Radler aus dem Riemer Park, Hunden sowie den lautlosen E-Scootern warnen musste, um zu überleben. Die übrigens sehr froh war, dass sie bei den nicht idyllischen Zukunftsaussichten der Wohnungsknappheit in München, immer ihr eigenes Haus dabei hat. Auch Ilse Aigner als Landtagsfliege (gespielt von Michaela Heigenhauser) flog zum Wiesen-Treffen ein. Sie gab den Rat doch eine Quotenfrau wie sie zu wählen und stand ihren beiden OB-Kandidatinnen gewohnt bodenständig und helfend zur Seite, als der Marienkäfer zappelnd von einem Crossbiker niedergestreckt wurde. Sowohl die Frank, als auch Habenschaden und Aigner schafften es nicht mit viel Gerede und hin und her Getue, den außer Gefecht gesetzten Oberbürgermeister auf die Beine zu helfen. Erst die Schnecke, die Rentner-Lobby, gab dem Marienkäfer den richtigen Schubser, um wieder auf die Beine zukommen. Bei dem ganzen Malheur verlor er auch noch seine kleine rote Gitarre, die er ab jetzt immer brauche und sehr liebe, seitdem er Liedermacher Roland Hefter auf die Stadtratsliste gesetzt hat. Aber aus der Ruhe brachte ihn das Ganze nicht wirklich. Auch auf die Anspielung, dass das Tischtuch mit der Haarer Bürgermeisterin bezüglich des Stadtratsbeschlusses zum LKW-Fahrverbot in der Bahnstraße nun einen Riss habe, reagierte der rote Käfer mit viel Gelassenheit und „...das sitzen wir mit der Gabi einfach aus.“

Die modebewusste Spinne, gekonnt mit Gestik und Mimik perfekt nachgemacht, positioniert sich erst einmal klar mit: "Ich will auf den Balkon, alles andere kenn ich schon." Alle Lacher zog sie auf ihre Seite, als ihre Augen groß wurden und ihr Wahl-Slogan ertönte "Wieder München werden". Auch der fränkisch sprechende Grashüpfer will ins Rathaus und singt: „Geht alle wählen in 14 Tagen, ich mach mein Kreuzchen bei Habenschaden." Und belohnt wird der Wähler mit der hüpfenden Aussicht, dass dann jeden Tag Friday for Future in München ist. Zu einer Entscheidung wer nun Ober-Boss wird kam es auf der grünen Wiese nicht mehr, da eine Abgaswolke das Insekten-Ensemble zu Nichte machte. Nur eine Schabe aus dem Untergrund überlebt das CO2-Disaster. Was für eine Aussicht! Im Anschluss an das Singspiel trat Fastenprediger Winfried Frey passend als Bienen-Mann ans Rednerpult, aber nicht um der gesamten Politprominenz Honig um den Mund zu schmieren, sondern um ihnen ordentlich einzuschenken.

Auch wenn er die Stadtfarben stolz trage und die Schönheit mit noch vorhandenen Wäldern und Wiesen lobte, rügte er zugleich den Größenwahnsinn nach immer mehr Arbeitsplätzen, gefolgt von Wohnungsbau, den immer mehr werdenden Messe-Events und pfefferte zeitgleich den Politikern eine Zahl nach der anderen um die Ohren, das einem ganz schwindelig wurde. Er betitelte die SPD als „Schwindende Partei Deutschlands“ aufgrund ihrer konstanten Personalflucht. „Hat doch Ex-SPD-Fraktionschef Alexander Reissl den Farbwechsel schneller hinbekommen als Michael Jackson“. Aber kein Wunder, sind die SPDler doch gerade eher mit ihrer eigenen Außendarstellung beschäftigt. Zum Beispiel SPD-Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend, die auf einem Gruppenbild alle CSUler gerne mal wegretuschiere oder der Vizepräsident des Landtages Markus Rinderspacher der ein Essensbild nach dem anderen posten müsse. Oder OB Dieter Reiter, der momentan jung, schlank und fit von den Wahlkampfplakaten strahlt. "Da hat man ja das Gefühl, der jüngere Bruder kandidiert."

"Ich bin zwar kein Rad, aber für viele der einzige Weg. Die Leute so damisch zu reden, dass sie zustimmen hat in Amerika funktioniert." Die BlaBla-Mentalität sei allerdings nicht gerade die Stärke der CSU. Und der Vergleich-Szenario-Wahlkampf „Für Haltung statt Spaltung“ von den Grünen macht es für den Bienen-Mann auch nicht besser. Empfiehlt er doch es mit seiner Gattung gleichzutun anstatt zu jammern und zu schimpfen. „Nur wenn man zusammenhält, kann man was bewegen. So ist es bei uns Bienen!“ Dies und mehr nahmen die Politiker mit einem Lachen hin. Und kleine Abschiedsworte gab es auch noch. Winfried Frey verabschiedete und bedankte sich von Stadtrat Hans Podiuk „der uns schon Nerven gekostet hat“, aber nicht mehr zur Wahl antritt. Bei Wiesn-Stadtrat Helmut Schmid, „der sich in Themen wie eine Zecke festgebissen hat und damit so manchen Kampf gewonnen hat“. Bei Herbert Danner, der ebenfalls nicht mehr zur Wahl antritt, aber dem Bezirksausschuss erhalten bleibt. „Seine Wiesen sind ihm halt wichtig!“ Und ein leises Servus gab es an Stadtrat Ingo Mittermaier, dem es sichtlich nicht leicht fällt die Segel zu streichen. Eine gelungene Jubiläumsausgabe vom "Truderinger Ventil", die mit viel Applaus vom Publikum belohnt wurde. ar

Artikel vom 06.03.2020
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