Auf dem Wasser, zu Lande & in der Luft war er unterwegs

München · Ein Bayer auf großer Fahrt

Bald 80 Jahre wird Gangerl Clemens, die Lust am Segeln hat der Weltenbummler noch lange nicht verloren.

Bald 80 Jahre wird Gangerl Clemens, die Lust am Segeln hat der Weltenbummler noch lange nicht verloren.

München · Noch zwei Jahre bis zum runden 80. Geburtstag, doch seine Weltumsegelung will der ehemalige Münchner Gangerl Clemens niemals beenden. Seit 1988 ist der Aussteiger mit selbstgebauter Yacht unterwegs, hat deutlich über 100.000 Seemeilen im Kielwasser und kann bändeweise von seinen Abenteuern erzählen.

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Piratenüberfälle bei den Philippinen, Gefängnisaufenthalte von den Salomonen bis Afrika, wütende Stammeskrieger mit Giftpfeilen in Neuguinea oder der Jahrhundertsturm „Zyklon Polly“ auf dem Weg in die Antarktis – Dank starkem Willen hat der Einhandsegler bisher alles gemeistert. Seine Passion sind Primitivkulturen und indigene Stämme, die er in so manch gefährlichem Trip besucht hat. „Immer abseits des Tourismus“, so Gangerl Clemens. Zudem hat er bisher schon 180.000 Kilometer mit dem Rucksack durch über 100 Länder zurückgelegt und rund 6.000 Tauchgänge auf dem Konto.

Abwechslung zum Wies'n-Alltag bietet Gangerl am Mittwoch, 2. Oktober, um 19.30 Uhr im Wirtshaus zum Isartal (Brudermühlstraße 2) und zeigt mit humorvollen Kommentaren den zweistündigen Filmvortrag „Zauberhafte Südsee“. Dabei nimmt er die Zuschauer mit in die entlegensten Gebiete der Erde. Ob einsame Inseln und traumhafte Strände, farbenreiche Unterwasserwelten und gefährliche Tauchgänge oder tropische Dschungel und von der Außenwelt komplett abgeschieden lebende Stämme, „die Besucher bekommen hautnah mit, wie es mir damals ergangen ist“, verspricht Gangerl Clemens. Passend dazu feiert sein erstes Buch „Der Paradiesjäger“ Premiere und handelt ebenso wie der Vortrag von den ersten Jahren seines erlebnisüberladenen Aussteigerlebens.

Tickets für 13,50 Euro für den Vortrag gibt es an der Abendkasse sowie über die Webseite www.gangerlclemens.de weitere Informationen stehen auch auf Facebook unter „Gangerl Clemens“. Einlass ist ab 18.30 Uhr.

Alles verkauft und den Ausstieg ins Paradies gewagt

1975 entschloss sich der erfolgreiche Rodinger Kunstschmied und begeisterte Segler für den Ausstieg aus dem zivilisierten Leben. Auf dem Hof seiner Firma begann er mit dem Bau der später 18 Tonnen schweren und 15 Meter langen Stahlsegelyacht, um planmäßig nach etwa fünf Jahren zur Weltumsegelung aufzubrechen. Jedoch musste er einige Rückschläge hinnehmen, die den Start deutlich verzögerten. So sorgte 1981 ein Gefängnisaufenthalt in Griechenland für ein großes Politikum und trieb den Unternehmer beinahe in die Insolvenz. Das Thema beherrschte wochenlang die Tagespresse. Zusammen mit zwei Freunden und einer Freundin wurde Gangerl nach einem Charterurlaub verhaftet, da er einige auf dem Meeresgrund gefundene Tonscherben nach dem Tauchen mit nach Hause nehmen wollte. Das Gutachten zu den mutmaßlich antiken Fundstücken stellte sich als falsch heraus, jedoch sollte ein Schauprozess durch die griechische Regierung stattfinden. Als Ergebnis wurde den vier Freunden 20 Monate Gefängnis aufgebrummt. Beim Rücktransport vom Gericht packte einen von ihnen die Verzweiflung, er flüchtete in einem günstigen Moment aus dem Polizeiwagen und tauchte bei Obdachlosen unter. Auf spektakuläre Weise gelang dem Verurteilten dank der Hilfe seiner Frau und griechischer Freunde die Flucht nach Deutschland.

Die drei Übrigen erhielten später Unterstützung namhafter deutscher Politiker, die dem untätig gebliebenen Auswärtigen Amt Druck machten. Insgesamt 72 Tage mussten sie unter unsäglichen Bedingungen einsitzen, ehe ihre restliche Strafe in einem erneuten Prozess zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gangerl tut es noch heute Leid, seine Freunde in diese Situation gebracht zu haben. Er bekannte sich vor Gericht als einziger Schuldiger, was allerdings nicht überzeugen konnte.

Für weitere Verzögerungen beim Schiffsbau sorgten auch Gangerls Abstürze beim Drachenfliegen. Zweimal machte er den Fehler, sich nicht am Fluggerät einzuhaken. Im Altmühltal stürzte er dabei aus etwa 35 Metern Höhe an einem bemoosten Hang in die Bäume und auf Lanzarote aus etwa 20 Metern einen felsigen Hang hinab. Insgesamt mehr als ein Jahr war er im Krankenhaus und musste anschließend monatelang zur Reha.

Start erst nach 12 Jahren

Erst 1988, nachdem er all sein Hab und Gut verkauft hatte, konnte er die Reise mit Freundin und Yorkshire-Terrier an Bord antreten. Die Donau hinab, durch die damals kritischen Balkanländer, gelangte der Aussteiger mit seiner Yacht namens „King of Bavaria“ unter Schwierigkeiten über das Schwarze Meer ins Mittelmeer.

Nach einigen Maschinenschäden, zwei starken Stürmen und 17-tägiger Atlantiküberquerung erreichte Gangerl die Karibik. Zum ersten Mal erlebte er mit seiner Crew traumhafte Buchten, Paradiesstrände und artenreiche Tauchgründe. Nach knapp einem Jahr machte er sich jedoch tief enttäuscht von den unfreundlichen und diebischen Einheimischen davon. Durch das vom Krieg geplagte Panama ging es weiter nach Cocos Island, der Schatzinsel, auf der er vergebens nach dem berühmten Piratenschatz suchte. Über Galapagos führte sein Weg in die Südsee. Sein erster Stopp nach 32 Tagen Überfahrt waren die Marquesas-Inseln.

Bei einem Drachenflug vor den Augen der begeisterten Einheimischen stürzte er beinahe wieder ab. Viele Monate verweilte er anschließend im größten Atollgebiet der Erde bei den Tuamotu-Inseln. Er widmete sich hauptsächlich dem Tauchsport, lebte und fischte mit den Einheimischen und fand den Weg in die eigene Tiefe. Über Tonga ging die Reise weiter nach Neuseeland. Nach heftiger Überfahrt angekommen verstärkte er seine Yacht, da sein Plan war, nach Auckland Island zu segeln. In der Subantarktis ist der Tierreichtum vielfältig, große Herden von Gelbaugenpinguinen sind dort beheimatet. Doch es blieb beim Versuch, da ein horrender Sturm an der Westseite Neuseelands ihn zur Umkehr zwang. Auf Fidschi angekommen segelte er von Insel zu Insel und besuchte auch Gebiete, deren Anlaufen für Yachten verboten war.

Als die nächste Zyklonsaison nahte und seine Freundin eine stürmische Überfahrt nach Neuseeland fürchtete, entschloss er sich in die andere Richtung zu segeln. Zwei weitere Yachten hatten sich angeschlossen und so kreuzten sie im Atoll Nanumea als erste Segler auf. Sie wurden mit großem Hallo von den Einheimischen empfangen und waren ein halbes Jahr in die 200-Seelen-Dorfgemeinschaft integriert. Wieder zurück in Fidschi verließ seine Freundin das Schiff und so war Gangerl ab diesem Moment Einhandsegler. Der Kapitän steuerte seine mittlerweile in schlichtes „Bavaria“ umgetaufte Segelyacht nach Australien.

Bei seinem zweiten Versuch nach Auckland Island zu segeln geriet er in den Jahrhundertsturm „Zyklon Polly“. Ein Sturm mit 80 Knoten Windgeschwindigkeit und 20 Meter hohen Wellen. Sechs Tage dauerte das Inferno, das Schiff wurde etliche Male mit dem Mast unter Wasser gedrückt. „Ich habe an den Tod gedacht und ließ es einfach über mich ergehen“, gesteht Gangerl. Segel waren zerfetzt, der Bugkorb eingedrückt, ein Stahlwant gerissen und einer seiner zwei Motoren nur noch an zwei Lagerböcken befestigt. Wieder zurück in Neuseeland, wohin sich der gebeutelte Weltumsegler machtlos treiben lassen musste, begab er sich in ärztliche Behandlung. Resultat: Drei gebrochene Rippen und eine Platzwunde am Knie.

Diese und noch mehr Abenteuer findet man auch in seinem Buch: "Der Paradiesjäger" von Gangerl Clemens, erschienen im styx media-Verlag. Rainer-M. Ramisch

Artikel vom 27.09.2019
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