Ein Kommentar von Alfons Seeler

Notwendige Debatte nach dem Debakel

Beschämt über die Leistung seines Teams: Daniel Bierofka. Foto: Anne Wild

Beschämt über die Leistung seines Teams: Daniel Bierofka. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Der TSV 1860 München ist nach der 0:4-Klatsche in Mannheim zum zweiten Mal in dieser Saison auf fremden Platz komplett unter die Räder geraten. Fünf Treffer zählte der 1. FC Magdeburg gegen phasenweise desolat spielende Löwen. »Ich schäme mich für das Auftreten meiner Mannschaft«, sprach Trainer Daniel Bierofka in der Pressekonferenz nach einem Spiel, das Fragen aufwirft.

Nach 45 Minuten war die Partie entschieden. 4:0 für Magdeburg stand es nach einem Eigentor vor Aaron Berzel (14. Min.) und Treffern durch Christian Beck (28. Min.), Sören Bertram (39. Min.) und erneut Beck (41. Min.) bereits zur Halbzeit. Im zweiten Durchgang erkämpften sich die in Grün spielenden Gäste wenigstens ein Remis. Dem 5:0 durch Rother (74. Min.) ließ Markus Ziereis nach Vorbereitung von Sascha Mölders vor 16.606 Zuschauern in der Schlussminute den Ehrentreffer folgen.

»Heute waren wir nicht drittligatauglich, weder läuferisch, noch zweikampftechnisch, noch spielerisch, noch vom Mut und auch nicht von der Körpersprache her«, erweiterte Bierofka seine Kritik. Detaillierter fiel die Analyse von Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel aus: »Wir haben in der ersten Halbzeit drei Tore über unsere linke Seite bekommen, die deckungsgleich abgelaufen sind. Es wurde immer situativ Überzahl auf dem Flügel geschaffen, wir versäumen den Ablauf, sind zu wenig aufmerksam und schaffen es nicht, im Zentrum rechtzeitig zuzuordnen und die Kopfballduelle zu gewinnen.« Auch der fünfte Gegentreffer entspreche dem gleichen Muster. »Es passieren momentan viele Fehler im Spiel. Heute waren wir weder in der Lage, das mannschaftstaktisch in den Griff zu bekommen, noch individuell zu kompensieren.«

Trotzdem gerät der Sportdirektor des TSV 1860 korrekterweise nicht in Panik. »Am sechsten Spieltag ist noch keine Mannschaft abgestiegen. Wir haben genug Zeit, um die Schlüsse aus den letzten Spielen zu ziehen und dann die entsprechenden Maßnahmen zu setzen.« Das Spiel der Löwen würde sich dann »in die richtige Richtung entwickeln«, ist Gorenzel überzeugt.

Tatsächlich ist es keine Frage der individuellen Qualität, wie manche Kritiker erklären, die dem Kader nur allzu gern die sportliche Tauglichkeit für die Dritte Liga absprechen. Erfahrene Spieler wie Phillipp Steinhart oder Stefan Lex, um exemplarisch die beiden Protagonisten auf der linken Seite in Magdeburg zu nennen, scheitern sicher nicht an ihrer mangelnder Begabung. Es wirkt vielmehr, als würde es den einzelnen Mannschaftsteilen vor allem an der taktischen Feinabstimmung fehlen, zu vieles im Spiel der Löwen auf Zufall aufgebaut zu sein.

Ein funktionierender Matchplan, der auch vorsieht, wie man nach einem schnellen unglücklichen Rückstand – der immer mal passieren kann – weiter agiert, ist von außen betrachtet kaum zu erkennen. Das bedeutet nicht, dass er nicht existiert. Aber er kann von den Spielern offenbar nicht umgesetzt werden. Warum das so ist und Bierofkas Instruktionen des Öfteren nicht fruchten, ist eine Frage, die das Trainerteam beantworten muss. Sind die taktischen Vorgaben zu komplex, um im rauen Alltag der Dritten Liga mit ihrem kampfbetonten Spielstil realisiert werden zu können? Oder agiert der Gegner gänzlich anders als erwartet und eine strategische Korrektur ist auf dem Feld kurzfristig nicht mehr möglich? Was auch immer dazu führt, dass die Mannschaft des TSV 1860 in Drucksituationen seltsam konfus wirkt, es muss von den Verantwortlichen analysiert und behoben werden.

Als verantwortlich dürfen sich dabei auch jene Spieler fühlen, die von ihrer Vita her über die entsprechende Erfahrung verfügen. Daniel Wein (90 Drittliga-Spiele), Dennis Erdmann (120 Drittliga-Spiele, 29 Zweitliga-Spiele), Phillipp Steinhart (72 Drittliga-Spiele), Stefan Lex (35 Drittliga-Spiele, 43 Zweitliga-Spiele, 34 Erstliga-Spiele), Timo Gebhart (23 Drittliga-Spiele, 22 Zweitliga-Spiele, 100 Erstliga-Spiele), Marius Wilsch (83 Drittliga-Spiele), Aaron Berzel (75 Drittliga-Spiele), Sascha Mölders (40 Drittliga-Spiele, 82 Zweitliga-Spiele, 103 Erstliga-Spiele) – sie alle haben auf dem Platz gestanden und sind keine unerfahrenen Neulinge.

Im kommenden Auswärtsspiel am Freitag, den 30. August, um 18 Uhr beim Tabellenvorletzten Chemnitzer FC sind Trainer und Mannschaft gefordert. Zumindest läuferisch und kämpferisch sollten die Spieler dann keine Wünsche mehr offen lassen.

(as)

Artikel vom 26.08.2019
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