Einsatzkräfte, konfrontiert mit seelisch Leidenden, zählen auf den Krisendienst

Deeskalation durch Zusammenarbeit

München/Oberbayern · Nicht selten ist die Polizei mit Menschen in seelischen Notlagen konfrontiert, die verwirrt sind, sich bedroht fühlen und nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu versorgen. Eine Vereinbarung zwischen dem Krisendienst Psychiatrie und den drei oberbayerischen Polizeipräsidien regelt jetzt, dass die Einsatzkräfte in solchen Situationen künftig den Krisendienst Psychiatrie hinzuziehen sollen.

Ziel ist, zu deeskalieren, damit die Betroffenen frühzeitig psychiatrische Hilfe erhalten und Unterbringungen im Einzelfall möglichst vermieden werden können. Hintergrund der Kooperationsvereinbarung, sie gilt für ganz Oberbayern, ist das neue Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG), fixiert seit 1. Januar 2019. Es regelt in Art. 5 Absatz 2, dass bei einer Gefährdung vor Anordnung einer Unterbringung ein Krisendienst hinzugezogen werden soll, wenn die Situation es erlaubt. Der Krisendienst Psychiatrie für Oberbayern hat jetzt auf dieser Grundlage als erster Krisendienst im Freistaat eine entsprechende Vereinbarung mit den drei oberbayerischen Polizeipräsidien erarbeitet, die unterschrieben wurde.

„Für Menschen in schweren seelischen Notlagen ist das eine sehr gute Nachricht“, sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer. „Sie haben nun ebenso wie ihre Angehörigen die Gewissheit, dass bei der krisenhaften Zuspitzung einer seelischen Ausnahmesituation die Polizei den Krisendienst hinzuziehen kann. Die Vereinbarung ist ein Meilenstein in der Versorgung von Menschen in seelischen Notlagen. Ziel ist es, zu deeskalieren und fachgerechte psychiatrische Hilfe zu vermitteln. Ich bin mir sicher, dass wir so künftig in geeigneten Fällen Unterbringungen vermeiden können. Damit setzen wir eine zentrale Forderung des BayPsychKHG um.“

Die Kooperationsvereinbarung unterzeichneten Bezirkstagspräsident Mederer in seiner Funktion als Verwaltungsratsvorsitzender der Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo), sowie der Vorstandsvorsitzende der kbo- Kliniken, Martin Spuckti, da die Leitstelle des Krisendienstes Psychiatrie am kbo-Isar- Amper-Klinikum angesiedelt ist. Karin Majewski vom Paritätischen Wohlfahrtsverband unterschrieb als Federführung der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Oberbayern. Deren Fachdienste übernehmen die mobilen Einsätze. Von Seiten der Polizei unterzeichneten Norbert Radmacher als Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums München, Leitende Polizeidirektorin Eva Schichl als Vertreterin für das Präsidium Oberbayern Süd und Roland Kerscher als Polizeivizepräsident für das Präsidium Oberbayern Nord.

Radmacher geht davon aus, dass durch die Zusammenarbeit zumindest ein Teil derartiger Polizeieinsätze abkürzt oder im Idealfall sogar vermeidbar ist. Bei Bedarf kann der Krisendienst Psychiatrie die Situation vor Ort zu beurteilen. Karin Majewski begrüßte die Vereinbarung als „hervorragendes Ergebnis der intensiven Vernetzungsarbeit, die durch den Krisendienst im psychosozialen Versorgungssystem erreicht wurde“. Erfahrungen hätten gezeigt, so Majewski, „in vielen Fällen gelingt es, gemeinsam mit den Betroffenen eine Lösung zu finden, so dass sich die Polizei zurückziehen kann.“ Von großer Wichtigkeit ist die Kooperation auch für die Oberbayerische Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener (OSPE). „Wir bitten die Polizeipräsidien inständig um die Zusammenarbeit mit dem Krisendienst zum Wohle aller Betroffenen“, sagte OSPE- Vorstandsmitglied Rudolf Starzengruber.

„Wichtigstes Ziel ist es, Zwangseinweisungen zu vermeiden. Diese verschärfen Krisen zusätzlich und traumatisieren die betroffenen Menschen oft nachhaltig.“ Laut Martin Spuckti leistet der Krisendienst Psychiatrie einen ganz wesentlichen Beitrag zur Prävention in seelischen Krisen. „Ich freue mich sehr, dass der Krisendienst mit der Polizei jetzt einen weiteren starken Kooperationspartner hat. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist frühzeitige fachliche Hilfe die größtmögliche Unterstützung, die wir leisten können.“

Artikel vom 19.08.2019
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