Trauernde Kinder brauchen Beistand

Kindertränen tun weh

München · Tod und Trauer sind in unserer Gesellschaft weitgehend verdrängte Themen. Rituale und Bräuche, die der Trauer in früheren Zeiten Raum und Öffentlichkeit gaben, sind größtenteils in Vergessenheit geraten oder zumindest aus der Mode gekommen.

So werden Menschen nach einem Verlusterlebnis oftmals in ihrem Schmerz allein gelassen.

Aufgrund mangelnder Kenntnisse über das Trauerverhalten von jungen Menschen sind Kinder und Jugendliche in einer solchen Situation oft noch mehr auf sich gestellt als Erwachsene. Dabei erleben sie denTod einer nahen Bezugsperson durchweg als gravierendes Ereignis, das Unsicherheit und Ängste auslöst. Die Art und Weise, wie ihre Trauer sich zeigt bzw. erlebt wird, kann dabei ganz unterschiedlich aussehen. Richtiges oder falsches Trauern gibt es nicht. In vielen Fällen trauert innerhalb einer Familie jedes Mitglied auf seine ganz eigene Weise. Es ist wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, über ihre Gefühle zu sprechen oder ihnen – vor allem, wenn sie noch kleiner sind – auf andere Weise Ausdruck zu verleihen, zum Beispiel durch Spielen oder Malen.

Viele Kinder brauchen in dieser Zeit auch eine »Extraportion« Körperkontakt, Nähe und Aufmerksamkeit. Manche haben plötzlich Angst vor der Dunkelheit oder wollen abends nicht alleine einschlafen. Wenn Eltern dem zugrunde liegenden Geborgenheitsbedürfnis Rechnung tragen und ihrem Kind besonders viel Zuwendung geben, legen sich diese Ängste in aller Regel nach einiger Zeit wieder. Jugendliche ziehen sich nach einem Verlusterlebnis nicht selten zurück. Für sie kann ein neutraler, nicht selbst betroffener Gesprächspartner – zum Beispiel eine Lehrerin, ein Pfarrer, Freunde der Familie usw. – eine große Hilfe für die Verarbeitung sein.

Kinder haben je nach Alter und Entwicklungsstand ein noch nicht voll ausgereiftes Todesverständnis. Doch sind sie niemals zu klein, um in den Abschied mit einbezogen zu werden –… sei es am Krankenbett, bei der Beerdigung oder beim Friedhofsbesuch. Allerdings sollte Wert auf Freiwilligkeit gelegt und die Kinder immer darüber unterrichtet werden, was sie erwartet und warum welche Dinge getan werden.

Rituale können beim Abschied nehmen helfen und bei der Trauerverarbeitung eine wichtige Ausdrucksmöglichkeit sein. Oft gefällt es Kindern, aus der eigenen Phantasie und Kreativität heraus ein solches Ritual zu entwickeln und umzusetzen.

Im Gegensatz zu Erwachsenen trauern Kinder nicht linear. Sie können aus einem Zustand tiefster Traurigkeit heraus plötzlich umschalten, wenn etwa der beste Freund vor der Tür steht und zum Spielen auffordert. Sie nehmen gerne immer wieder »Urlaub« von der Trauer, das heißt aber nicht, dass damit die Trauer für sie abgeschlossen ist. Um Kinder nach einem Verlusterlebnis so gut wie möglich zu stabilisieren, sollte man nach Möglichkeit ihr Bedürfnis nach Normalität und Kontinuität im Alltag berücksichtigen. Das offene Sprechen über den verstorbenen Menschen signalisiert, dass die Trauer darüber nicht tabuisiert wird und man gerne Erinnerungen teilt.

Fast alle Kinder empfinden beim Verlust eines nahestehenden Menschen Schuldgefühle. Deshalb ist es wichtig, ihnen die Ursache für den Tod zu erklären und ihnen gleichzeitig zu versichern, dass der Tod nichts mit ihnen – ihrem Verhalten oder Denken – zu tun hat. Schwere Verluste, wie etwa der Tod eines Bruders oder einer Schwester oder eines Elternteils – sind für die meisten Kinder Anlass zu einer Trauer, die nie ganz abgeschlossen wird.

Je nach Entwicklungsstufe kann sie immer wieder neu aufbrechen und als »Resttrauer« das ganze Leben hindurch – meist latent – vorhanden sein, ohne deshalb zu einer pathologischen Entwicklung führen zu müssen. Wenn Kinder und Jugendliche nach einem schweren Verlust gut betreut und begleitet werden, besteht in der Regel keine Gefährdung für sie. Durch die Schwere des Erlebens in frühen Jahren reifen sie unter Umständen früher und können sehr verantwortungsvolle, lebenstüchtige Erwachsene werden.

Ursula Weigert, TrauerWerkstatt München

Artikel vom 27.03.2002
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