Vor der Europawahl: Demonstration gegen Nationalismus

Ein Europa für Alle

Jana Weidhaase, Johannes König, Simon Strohmenger (Sprecher des Bündnisses), Sina Reischl und Erna-Kathrein Groll (v. li.) rufen gemeinsam zur Demonstration "Ein Europa für Alle" am 19. Mai auf. Foto: cr

Jana Weidhaase, Johannes König, Simon Strohmenger (Sprecher des Bündnisses), Sina Reischl und Erna-Kathrein Groll (v. li.) rufen gemeinsam zur Demonstration "Ein Europa für Alle" am 19. Mai auf. Foto: cr

München · Die Europawahl am 26. Mai ist eine Richtungswahl, mehr als jemals zuvor. Die Menschen "in der Mitte" orientieren sich mehr nach außen, links wie rechts. Kompromisse werden immer schwieriger, es gibt kaum noch eine Ebene für eine gemeinsame Kommunikation. Deshalb wird sich am 26. Mai in den EU-Staaten zeigen, wohin die Mehrheiten tendieren: zu mehr multilateraler Zusammenarbeit oder zur Stärkung nationaler Interessen der Einzelstaaten.

Klar positioniert hat sich das Bündnis "Ein Europa für Alle", das mit dem Zusatztitel "Deine Stimme gegen Nationalismus" zu einer Großdemonstration am Sonntag, 19. Mai, in München aufruft.

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Eine Woche vor der Europawahl will das Bündnis die Menschen für die Zusammenarbeit der Völker und gegen Abgrenzung und Abschottung demonstrieren. Die Kundgebung am 19. Mai beginnt um 12 Uhr auf dem Odeonsplatz. Zeitgleich finden weitere Großdemos in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig und Stuttgart statt. Auch jenseits der deutschen Grenzen gehen die Menschen auf die Straße, um der aus ihrer Sicht ungerechten und unvernünftigen Abschottungspolitik der Nationen die Rote Karte zu zeigen und um der "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen"-Mentalität so mancher nationalistisch orientierten Menschen entgegenzutreten.

Das Problem, das die Vertreter der mehr als 50 lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbände haben, ist nicht unbedingt die Abschottung, sondern die daraus resultierenden Konsequenzen: Angst, Leid, Hunger, Folter und Tod von Flüchtlingen. Für Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat ein unhaltbarer Zustand in einem Land, dessen erster Artikel im Grundgesetzt lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Die Realpolitik unterscheide aber, anstatt diesen Satz konsequent zu beachten. "Menschenrechte müssen für alle gelten", fordert Weidhaase, "Flüchtlinge müssen vor dem Ertrinken gerettet werden". Es ist das "Aufregerthema" der vergangenen Jahre schlechthin, das scheinbar unendlich viele Positionen zulässt und in dem jeder die Richtigkeit seiner Haltung außer Frage sieht.

Mit "Ein Europa für Alle" ist aber längst nicht nur der Umgang mit Zuwanderern gemeint. Denn hierzulande gibt es noch viel mehr Aufregerthemen, die die Menschen auf die Straße treiben. Zum Beispiel soziale Gerechtigkeit.

Für Erna-Kathrein Groll von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung ist klar: "Europa braucht ein soziales Gesicht." Für sie ist es ein Skandal, dass einige wenige von der Krise profitieren, während viele andere draufzahlen. Europa werde kaputtgespart, kritisiert sie die Kürzungen in den Sozialetats, während andere Ressorts mehr Geld zur Verfügung bekommen.

Aber darf man das überhaupt sagen oder darüber schreiben? Natürlich darf man das. Dieses Recht wird durch die Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt. Doch auch diese Freiheiten gibt es nicht umsonst und "Ein Europa für Alle" kämpft auch für sie. Kritik an öffentlich geäußerten Standpunkten hat es schon immer gegeben.

Wenn aber Kritik durch Druck oder sogar Drohungen ausgetauscht werden, wie erst jüngst in Österreich gegenüber Armin Wolf vom ORF, dann wird an den Fundamenten dieser Freiheiten massiv gerüttelt mit noch unvorstellbaren Folgen - vor allem dann, wenn der Druck vom Staat ausgeht. Diese Erfahrung macht Johannes König vom Bündnis "NoPAG", das das novellierte bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) bekämpft. Er berichtet, er sei durch das Teilen (weiterleiten und verbreiten) eines journalistischen Artikels in den sozialen Netzwerken ins Visier des Verfassungsschutzes geraten.

In jeder Hinsicht: Die Zeit zu handeln ist jetzt!

Nicht erst seit dieser Entwicklung äußert König heftige Kritik am Bundesinnenminister und ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU): "Mit Seehofer sitzt die AfD de facto schon in der Regierung", sagte König bei einem Medientermin am 3. Mai wörtlich.

Sein Problem: Mit dem PAG darf die Polizei präventiv aktiv werden, um Gefahr für die Gesellschaft abzuwehren. Klingt erstmal sinnvoll, vor allem in Bezug auf mögliche terroristische Anschläge. Ein ähnliches Gesetz gibt es auch in Nordrhein-Westfalen. König: "Die ersten, die damit bekämpft wurden, waren Klimaaktivisten." Klimaaktivisten, wie Sina Reischl eine ist. Sie gehört zum Bündnis "Ende Gelände", das sich für den sofortigen Kohleausstieg einsetzt, um den von Teilen der Gesellschaft bestrittenen Klimawandel zu verlangsamen.

Sie argumentiert: "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel, denn ohne Klimaschutz gibt es keine gerechte Gesellschaft." Die wohlhabenden, hochindustrialisierten Länder seien die Hauptverursacher der drohenden Klimakatastrophe, gegen die auch "Extinct Rebellion" und "Fridays for Future" auf die Straße gehen. Deren Teilnahmen sind auch am 19. Mai nicht nur in München zu erwarten. Es geht um die Zukunft und dafür gilt laut Sina Reischl: "Die Zeit zu handeln ist jetzt."
Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 10.05.2019
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