Weil's wichtig is'

Die Mundart kommt auf den bayerischen Lehrplan

Klatschverse auf Bayerisch: Kinder der Grundschule Grabenstätt benutzen ihre Heimatmundart. Die jeweils regionale Mundart soll an den Schulen In Bayern durch Projekte gepflegt und gestärkt werden. Foto: cr

Klatschverse auf Bayerisch: Kinder der Grundschule Grabenstätt benutzen ihre Heimatmundart. Die jeweils regionale Mundart soll an den Schulen In Bayern durch Projekte gepflegt und gestärkt werden. Foto: cr

München · "Schuihofgschroa" – wenn Sie mit diesem Wort was anfangen können, sind Sie schon mal weiter als viele Kinder und Jugendliche in Bayern. Die bayrische Mundart droht in Vergessenheit zu geraten. Der Grund liegt in unserem Bildungssystem.

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Selbst wenn die Kinder im Elternhaus noch ihre Mundart sprechen - in Bayern sind das neben dem klangvollen Bairisch (zu dem auch die Oberpfälzer Mundart gehört) die schwäbischen und fränkischen Mundarten - geht das im Laufe der Schulzeit oft verloren. In den Schulen wird nämlich "sauberes" Hochdeutsch unterrichtet.

Mundartliche und umgangssprachliche Ausdrücke werden im Deutschunterricht sogar bemängelt und in schriftlichen Arbeiten zumindest angestrichen. Das gilt noch immer und damit konterkariert der bayerische Lehrplan sich selbst. Aber jetzt soll alles anders werden.

Das bayerische Kultusministerium hat eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer herausgegeben. Der Titel: "Lebendige Dialekte an bayerischen Schulen".
Diese Handreichung, eine Übersicht, wie sich die Mundart im Unterricht integrieren lässt, ohne die deutsche Schriftsprache zu vernachlässigen, ist Teil des Projekts "MundART WERTvoll" des Bayernbundes, das von der Stiftung Wertebündnis Bayern unterstützt wird.

"Gesprochene Mundart bedeutet Identifikation mit Eigenschaften seiner Region, Identifikation mit der Heimat", betonte Herbert Püls, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, bei der Präsentation. Dabei sollen die Schulen ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nachkommen.
In Artikel 131 der bayerischen Verfassung lautet der erste Satz: "Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden."

Eben jenes Herz schien den Beteiligten an der Vorstellungsrunde aufzugehen beim Gedanken an die Mundart im Unterricht. Adolf Dinglreiter, Ehrenvorsitzender des Bayernbundes, berichtet, dass das nicht von vornherein so war. "Das Interesse war da, die Begeisterung weniger", erzählt er, denn Lehrer, Eltern und Schüler hatten keine rechte Vorstellung, wie die Mundart im Unterricht angewendet werden kann, ohne die elementaren Inhalte des Unterrichts zu vernachlässigen. Dennoch haben sich Lehrerinnen und Lehrer bereit erklärt mitzumachen. Es wurden Projekte entwickelt, die sich intensiv mit den bayerischen Mundarten beschäftigen. Die Kinder waren leicht zu begeistern, die Eltern ließen sich überzeugen.

"Weißwiascht wern ned mit Ketchup gessn"

In der Handreichung erläutern die Projektschulen im Detail, wie ihre Muttersprache "an d'Schui kemma is". So ist ein Wegweiser entstanden, der zeigt, wie man solche Projekte planen und realisieren kann.
Da wäre zum Beispiel der Wegweiser durch den Dialekt "Migraboarisch - Von uns fia eich", den die Schülerinnen und Schüler des Staatlichen Beruflichen Schulzentrums Kelheim verfasst haben. Hier werden mundartliche Begriffe der hochdeutschen Bedeutung gegenübergestellt wie zum Beispiel: "Weißwiascht wean ned mit Ketchup gessn." Dabei lernen auch "die innerhalb von Deutschland migrierten Menschen", also die Zuagroasten oder auch "Preißn", gleich was über die bayerische Kultur.

Nachdem in Bayern in den letzten Jahren auch viele Menschen aus Syrien angekommen sind, haben die Schüler die Texte auch gleich ins Arabische übersetzt und so das Interesse geweckt und Integration gefördert.

Aber warum ist Mundart so wichtig? Adolf Dinglreiter hat dafür eine Erklärung: Mundartsprechen macht klug. Im bundesweiten Vergleich der Schülerleistungen liegen Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg regelmäßig ganz vorne, erklärt er und: "Hier wird am meisten Dialekt gesprochen." Der Zusammenhang ist zwar nicht sofort offensichtlich, aber tatsächlich wachsen Kinder, die sowohl hochdeutsch als auch Mundart sprechen, zweisprachig auf.

Vielleicht kommt die Handreichung jetzt schon "zu spät", allerdings im positiven Sinn. Herbert Püls, der mit seinem oberfränkischen Ursprung in München anfangs sprachliche Hürden zu nehmen hatte, will festgestellt haben, dass immer mehr junge Menschen Mundart sprechen. "Das habe ich so vor zehn, fünfzehn Jahren nicht erlebt." Gleichzeitig gibt es ein Stadt-Land-Gefälle bei der Dialektbenutzung. Das gereicht nicht allein München zum Nachteil, wo die Mundart auf dem Rückzug ist. Auch in Nürnberg hat man das festgestellt. Dort haben die Projektschulen größere Schwierigkeiten gehabt, die Mundart stärker im Unterricht zu verankern. Dennoch konnte Thomas Lutz am neuen Gymnasium Nürnberg mit einem P-Seminar einen Projekttag auf die Beine stellen. Titel: "Wou issn is Hirn?"

Spaß und Begeisterung sind elementar, wenn es darum geht, die Schülerinnen und Schüler mitzunehmen. Vielleicht hört man in München demnächst auch wieder mehr Bayrisch in all dem "Schuihofgschroa".

Letzteres ist übrigens der Titel eines Schulmusicals, das an der Grundschule Grabenstätt im Kreis Traunstein als Projekt einstudiert wurde. Ein Teil der Schüler beteiligte sich auf "Boarisch" an der Präsentation der Handreichung und gab einige Abzählreime und Klatschverse zum Besten - und zeigte, wie schön Bayrisch ist und dass man diese Sprache unbedingt erhalten muss.
Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 29.03.2019
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