In den roten Zahlen

SchuldnerAtlas 2018 der Münchner Verbraucher vorgestellt

In den rot gefärbten Stadtteilen ist die Überschuldungsquote überdurchschnittlich hoch. Diese Stadtteile konzentrieren sich nicht auf eine Region in München. Grafik: Creditreform

In den rot gefärbten Stadtteilen ist die Überschuldungsquote überdurchschnittlich hoch. Diese Stadtteile konzentrieren sich nicht auf eine Region in München. Grafik: Creditreform

München · Jeder zwölfte Münchner ist überschuldet. Das ist die zentrale Aussage des SchuldnerAtlasses 2018 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, der Anfang dieser Woche vorgestellt wurde.

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In absoluten Zahlen heißt das: Zum Stichtag 1. Oktober 2018 gab es in der Landeshauptstadt 109.480 Fälle, in denen das Vermögen eines Schuldners dessen Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.

Die Zahl ist erschreckend und auch der festgestellte Rückgang trägt nicht zur Entspannung bei, denn der liegt mit 260 Fällen »im homöopathischen Bereich«, wie Philipp Ganzmüller, geschäftsführender Gesellschafter von Creditreform München, urteilt.

Ebenfalls bedenklich: Der Langzeittrend bleibt negativ. Zwar ist die Zahl der »harten Fälle« rückläufig, doch die Zahl der Personen mit »weichen Negativmerkmalen« nimmt zu. Dabei handelt es sich um Münchner, die beispielweise eingehende Rechnungen nicht umgehend begleichen können. Das sei deshalb bedenklich, weil Deutschland im Allgemeinen und München im Besonderen von der guten Konjunkturlage profitieren. Diese aber werde nicht endlos anhalten. Schon jetzt sei ein Abflauen erkennbar. Damit müsse langfristig mit einem weiteren Anstieg der Überschuldung gerechnet werden.

Die positiven Effekte der Wirtschaftslage können negative Einwirkungen kaum noch ausgleichen. Das Phänomen der »Altersüberschuldung« nimmt laut SchuldnerAtlas zu. Immer häufiger sind Münchner über 70 Jahre von Überschuldung betroffen, während in den Altersklassen zwischen 18 und 49 Jahre die Quote zurückging.

Hauptursachen für Überschuldung sind meist Arbeitslosigkeit und unwirtschaftliche Haushaltsführung. Überraschend: Überschuldung wächst in München aktuell überwiegend in den sogenannten »gesellschaftlichen Leitmilieus« und in den Milieus der Mitte, während in der so bezeichneten Unteren Mitte und in der Unterschicht fast durchgängig ein Rückgang der Überschuldung festzustellen sei. Die größten Überschuldungsgruppen sind die »Expeditiven« und die »Hedonisten«, also Menschen, die eine hohe Kreditnutzung und Risikobereitschaft haben und/oder Spontaneinkäufe machen und Geld lieber für schöne Dinge ausgeben als zu sparen.

Vor diesen Hintergründen lässt sich die lokale Zuordnung von Überschuldungsquoten nur noch eingeschränkt mit den jeweiligen Stadtbezirken in Verbindung bringen.

In der Stadtteilübersicht drängt ein bedrohlich wirkendes Rot die Bezirke Am Hart, Altstadt und Ramersdorf in den Vordergrund, auch Ludwigsvorstadt, Hasenbergl-Lerchenau und Trudering-Riem (Nord) fallen schnell ins Auge. Auf München bezogen, ist die Situation in diesen Stadtteilen prekär. Aber ein Mittelwert ist eben nur ein Mittelwert. Extremfälle im Positiven wie im Negativen werden damit nicht dargestellt.

Tatsächlich endet die Schwankungsbreite in den 47 untersuchten Stadtteilen bereits bei 0,35 Prozentpunkten. Mit anderen Worten: Die Überschuldungsquoten haben sich in allen Münchner Stadtteilen nur geringfügig verändert, allerdings ausgehend von teils erheblich abweichenden Werten. So liegt die Quote in Obermenzing bei 5,08 Prozent, in Am Hart bei 14,80 Prozent. Die größten Veränderungen gibt es in Südgiesing (– 0,35 Prozentpunkte) und in Feldmoching-Ludwigsfeld (+ 0,34 Prozentpunkte). Die Änderung der Quoten wird erheblich durch die Schwankungen der Einwohnerzahlen beeinflusst. So kann die Quote in einem Stadtteil sinken, selbst wenn es 2018 mehr Überschuldungsfälle gab als im Vorjahr, weil die Zahl der Einwohner überproportional zunahm – und umgekehrt. Damit ist die Änderung in der Quote spätestens ab der zweiten Nachkommastelle nur noch bedingt aussagekräftig.

Ein deutlichere Sprache sprechen die absoluten Zahlen. So gab es zum Stichtag 980 Fälle mehr von »weicher Überschuldung«, also Verbrauchern, die nachhaltige Zahlungsstörungen aufweisen und von dauerhafter Überschuldung gefährdet sind. Der Rückgang bei der harten Überschuldung (Sachverhalte, die bereits auf juristischer Ebene behandelt werden) um 1.250 Fälle könnte sich damit als Strohfeuer entpuppen. Ein Hinweis dafür ist auch hier die Langzeitentwicklung der letzten Jahre. So sei der Anstieg der harten Überschuldung in München seit 2014 stärker gewesen als auf Bundesebene. Dennoch liegt München mit 8,41 Prozent noch unter der Überschuldungsquote für ganz Deutschland (10,04 Prozent). Bayern schneidet mit 7,43 Prozent noch am besten ab. Zahlen, die den Einzelfall nicht abbilden.

»Ein fester Arbeitsplatz bildet weiterhin die wichtigste Grundlage, um das Überschuldungsrisiko bei den meisten Verbrauchern gering zu halten«, fasst Philipp Ganzmüller zusammen. Aber eine Garantie dafür gibt es trotzdem nicht.
Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 15.02.2019
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