Lieber Risiko statt Mainstream

Universal under Carl Laemmle jr.: Reihe im Filmmuseum

Der filmtechnisch spektakuläre Thriller »The Kiss Before the Mirror« (Der Kuss vor dem Spiegel) von 1933 ist am 16. Oktober, 21 Uhr, zu sehen im Filmmuseum.	Foto: VA

Der filmtechnisch spektakuläre Thriller »The Kiss Before the Mirror« (Der Kuss vor dem Spiegel) von 1933 ist am 16. Oktober, 21 Uhr, zu sehen im Filmmuseum. Foto: VA

Altstadt · Carl Laemmle, der aus dem schwäbischen Laupheim eingewanderte Gründer der Universal Studios, »schenkte« im Jahr 1928 seinem 20-jährigen Sohn Julius die Position als Head of Production – doch nicht, ohne ihn vorher noch umzubenennen.

Er hieß fortan nicht mehr Julius, sondern »Carl Laemmle, jr.«, was Kontinuität signalisieren sollte und sich für den jungen Mann, der bald nur noch »Junior« genannt wurde, als schwere Hypothek erwies. Niemand wollte glauben, dass er für seine Position befähigt wäre, zumal der Senior für seinen Nepotismus bekannt war. Seit 14. September bis 7. November 2018 zeigt das Filmmuseum 23 Filme, in deren Produktion Junior persönlich involviert war. Eines seiner Ziele war es, die Universal Studios von der Fließbandproduktion wegzubringen und aufwändige Prestigefilme mit einem hauseigenen Stil zu entwickeln. Die Umgestaltung des Firmenimages war erfolgreich, doch der Respekt der Kollegen blieb aus, selbst als er für »All Quiet on the Western Front« (1930) den Oscar für den besten Film erhielt.

Junior war (wie sein Vater) ein Glücksspieler und ging oft hohe Risiken ein, anstatt auf bewährte Marktrezepte zu setzen. Oft bewies er ein gutes Gespür für kommende Entwicklungen und eine Nase für Talente; bisweilen setzte er aufs falsche Pferd, ließ sich davon aber nie entmutigen. Ein wichtiger Faktor war die jahrelange Rivalität Juniors mit Irving Thalberg, seinem Gegenstück bei der MGM: Während Thalberg eigenwillige Regisseure feuerte, stellte Junior gezielt Exzentriker ein. Thalberg ließ Klassiker verfilmen, Junior bevorzugte Gegenwartsautoren. Thalberg war eine treibende Kraft hinter den Zensurbemühungen, gegen die Junior mit seinen Filmen unbeirrbar ankämpfte. Junior leitete die Produktion der Universal Studios, bis die Laemmles 1936 von Finanzinvestoren aus dem Unternehmen gedrängt wurden. Mit nur 28 Jahren war er ein gescheiterter Filmproduzent. Die 23 Filme, die das Filmmuseun für die Retrospektive ausgewählt hat, bilden nur einen kleinen Teil der zahlreichen beeindruckenden Werke aus seiner Zeit als Produzent. Sie belegen durchweg, dass Junior eine risikofreudige, wagemutige Linie verfolgte, und stellen die Frage: Was hätte Junior noch geschaffen, wäre die Ära Laemmle 1936 nicht abrupt beendet worden? Die Reihe wurde gemeinsam mit Dave Kehr vom Museum of Modern Art konzipiert. Weitere Informationen unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film Der Eintritt kostet 4 Euro, Aufschlag bei Überlänge. Karten können vorbestellt werden unter Tel. 0 89/23 39 64 50.

Artikel vom 22.09.2018
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