Liebesheirat oder nicht?!

Sauerlach erinnert an »40 Jahre Gemeindegebietsreform«

Sauerlach · Eine Liebesheirat war es eher nicht, die zum Zusammenschluss von Eichenhausen, Arget, Lanzenhaar, Altkirchen und Sauerlach im Rahmen der Gebietsreform vor 40 Jahren geführt hat, vielmehr war es wohl eine Vernunftehe, allerdings eine mit Happy End.

Die Gemeindegebietsreform sorgte ab 1973 für viel Diskussionsbedarf unter den bis dato eigenständigen Ortschaften und schuf am Ende die flächenmäßig größte Landkreisgemeinde Sauerlach. Der Beschluss lautete von Amtswegen, dass am Ende der Reform Gemeinden mit mindestens 5.000 EInwohnern gebildet werden sollten. Das war aber bereits der 2. Schritt, der in das Leben der Menschen eingriff. 1972 waren bereits die Landkreise neu zugeschnitten worden. So war der Landkreis Wolfratshausen aufgelöst und ein Teil seiner Gemeinden dem Landkreis München zugeteilt worden. »M statt WOR stand jetzt auf den Autokennzeichen zu lesen«, erinnert sich Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner. Auf große Gegenliebe stieß dieser Verwaltungsakt nicht, wie die Sauerlacher Rathauschefin weiter berichtete. Sie selbst war damals zwölf Jahr alt und kann sich bis heute gut an die aufgeregten Diskussionen unter der Bevölkerung erinnern. Nach der Neuzuordung der Landkreise zählte der Landkreis München 39 statt zuvor 30 Gemeinden. Das Ziel der Neugliederung der Gemeinden ab 1973 war es die vielen Kleinstorte zu leistungsstarken Gemeinden zusammenzufügen. Mit Erfolg: Aus den 39 Landkreisgemeinden waren nach Abschluss der Gebietsreform 29 geworden. Davon betroffen waren unter anderem Sauerlach, Arget, Eichenhausen und Altkirchen. Der Weg zur Einigung war nicht immer leicht, doch stets von sachlichen Diskussionen geprägt. Die Gemeinde Sauerlach feiert nun das 40-jährige Jubiläum des Zusammenschlusses mit einer umfangreichen Ausstellung, die ab Donnerstag, 20. September, im Rathaus in der Bahnhofstraße 1 gezeigt wird. Dort ist sie bis zum 26. Oktober zu sehen. Die Eröffnung der Ausstellung, zu der alle Interessierten eingeladen sind, wird am 20. September um 16 Uhr stattfinden.

Bis Sauerlach in seiner heutigen Form beschlossene Sache war, waren harte Verhandlungen nötig. Jede Gemeinde hatte bis dato ihren eigenen Gemeinderat und Bürgermeister und natürlich ihre eigenen Vereine und Traditionen. Während Arget seinen Beitritt mit einem langen Forderungskatalog an Sauerlach aushandelte, kämpfte Eichenhausen (1973: 356 Einwohner) lange gegen die Eingemeindung. Als rein ländlich geprägte Gemeinde passe man strukturtechnisch nicht zu Sauerlach, war die Meinung der Eichenhausener. Viel mehr strebte dessen damaliger Bürgermeister Paul Öckerl eine Großgemeinde zusammen mit Endlhausen und Oberbiberg an. Diesem Ansinnen wurde von der Regierung von Oberbayern jedoch nicht stattgegeben, so dass ein Zusammenschluss auch hier unvermeidlich war. Auch die Eichenhausener sicherten sich wie die Altkirchner vertraglich ihre wichtigsten Rechte wie beispielsweise den Weiterbestand alter Jagdreviere, bevor sie offiziell ihr »Jawort« gaben. Damit war aber der Prozess der Eingemeindung noch nicht abgeschlossen, denn auch die Orte Lanzenhaar und Otterloh mussten noch über ihre Zugehörigkeit abstimmen. 67 Prozent der Lanzenhaarer stimmten bei einer Befragung im Jahr 1975 für den Anschluss an Sauerlach und in Otterloh wollten 65 Prozent zu Brunnthal gehören.

Der gemeinsame Name, der Familienname sozusagen, ist Sauerlach, die Ortsteile haben weitgehend ihren Namen behalten. Am Ende der Gebietsreform zählte Sauerlach mit seinen neuen Ortsteilen knapp 4.400 Einwohner. Die erste gemeinsame Kommunalwahl fand am 5. März 1978 statt und endete mit einer Überraschung. Als Sieger für das damals noch ehrenamtliche Bürgermeisteramt ging nicht der ehemalige Sauerlacher Bürgermeister Oskar Schürer hervor, sondern sein Herausforderer Josef Kalhofer aus Arget. Und das obwohl Sauerlach 2.065 Wahlberichtigte zählte, Arget 698, Eichenhausen 234 und Lanzenhaar 65. Die Wahlbeteiligung lag bei 84 Prozent, Der CSU-Kandidat Kalhofer gewann mit 52,78 Prozent der Stimmen vor dem SPD-Mann Schürer. Josef Kalhofer war in der Gemeinde sehr beliebt und blieb bis 1986 im Amt. Bei der Wahl des 2. und 3. Bürgermeisters zeigte der neue Gemeinderat viel Fingerspitzengefühl, denn aus jedem Ortsteil wurde ein »Bürgermeister« gewählt: Der Zweite Bürgermeister wurde der Sauerlacher Gottfried Reiser bestimmt und aus Altkirchen stammte der Dritte Bürgermeister Josef Portenlänger. Eine Frau war im ersten Gemeinderat noch nicht vertreten. Das Bürgermeisteramt war damals noch ein Ehrenamt, so dass Josef Kalhofer seinen Lebensunterhalt weiter als Landwirt verdienen musste. Eine wunderbare Anekdote gibt es in diesem Zusammenhang zu berichten: Bei der Trauung von Gina und Arnie S. Im Jahr 1974 kam Josef Kalhofer vom Feld gelaufen und berichtet den Brautleuten und den Festgästen, dass er zunächst noch seine Feldarbeit fertig machen müsse, bevor er die Trauung vollziehen könne. Ein wenig Geduld sei gefragt. Mit einer Stunde Verspätung, dafür dann im dunklen Anzug und mit seiner Amtskette ausgestattet sei dann die Trauung über die Bühen gegangen.

Der Zusammenschluss wurde aber, wie es sich für eine Eheschließung gehört, ob nun Liebesheirat oder Vernunftehe, mit einem Fest gefeiert. Vom 8. bis 17. Juni 1978 wurde dann das Sauerlacher Bürgerfest für alle Gemeindemitglieder gefeiert. Bis heute, so betont Bürgermeisterin Barbara Bogner, haben die Ortsteile ihren Charakter und ihre Eigenheiten bewahrt. Auch heute seien im Gemeinderat, der das letzte Mal 2014 gewählt wurde, aus allen Ortsteilen Kandidaten vertreten. Die Zahl der Frauen im Gemeinderat hat sich auf Zwei erhöht, außerdem bekleidet mit Barbara Bogner eine Frau das Amt der Bürgermeisterin. Heute sei man sich über die Ortsteilgrenzen hinaus freundschaftlich verbunden und der Gemeinderat arbeite hervorragend und im Interesse aller zusammen. Ein großes Dankeschön für die Zusammenstellung der Ausstellung, die ein wichtiges Stück Zeitgeschichte repräsentiert, geht von der Rathauschefin an Helmut Berthold, dem Ortschronisten von Arget, der viele Fotos und Zeitungsberichte aus dieser spannenden Zeit für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat. Wer mehr über die intensiven Verhandlungen zum Zusammenschluss der Gemeinden erfahren will, sollte sich auch das Zeitzeugengespräch am 9. Oktober um 17 Uhr im Sitzungssaal im Rathaus nicht verpassen.

hw

Artikel vom 20.09.2018
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